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Gernot Erler
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Frage von Marlene W. •

Frage an Gernot Erler von Marlene W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Erler!
Mit welchen konkreten Maßnahmen würden sie dafür Sorge tragen, dass die Kosten der Bankenrettung von den Verursachern (Banken, Investmentbanken, Zweckgesellschaften, Ratingagenturen etc.)erstattet und nicht der Allgemeinheit aufgelastet werden? Welche Gesetze/Verträge sind vorgesehen, dass die Unterstützungen zurückgezahlt werden; wie werden die reichen Kapitalbesitzer beteiligt, die vorher ja hohe Renditen eingesteckt haben. Oder planen sie eher eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder Kürzung der Ausgaben im Sozialbereich?
Worin liegen nach ihrer Meinung die Ursachen des Crashs.
Welche Maßnahmen haben sie ergriffen oder sich dafür eingesetzt - nach den akuten Notfallrettungen - um eine ähnliche Krise in der (nächsten) Zukunft zu vermeiden.
Freundliche Grüße
Marlene Werfl

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Antwort von
SPD

Sehr gehrte Frau Werfl,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage zu meiner Position in der Finanzmarktkrise.

Vorab gilt es grundsätzlich klarzustellen, dass es bei den Maßnahmen der Regierung im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise nicht darum ging, einzelne Banken zu retten, sondern es ging darum, einen kompletten Zusammenbruch des gesamten Bankensektors zu verhindern. Ein solcher Zusammenbruch hätte nämlich auch die Realwirtschaft mit in den Abgrund gerissen! Die Folgen wären für jeden einzelnen Bürger dramatisch gewesen: Abbau von Arbeitsplätzen, Verlust von Ausbildungsplätzen, Verlust von Sparguthaben und privater Altersvorsorge, wirtschaftlicher Stillstand bzw. Rezession. Auch die Auswirkungen auf die Stabilität und Werthaltigkeit unserer Währung wären unkalkulierbar gewesen.

Teilweise wird der Eindruck erweckt, die zur Verfügung gestellten Garantien würden den Banken und den in den Banken Verantwortlichen ein schlichtes "weiter so" er-möglichen! Richtig dagegen ist, dass Banken, die um staatliche Garantien bzw. Unterstützung nachsuchen, sich mit erheblichen Auflagen bzw. Vorbedingungen kon-frontiert sehen. Dazu zählen u. a.: Einschnitte bzw. Restriktionen bei den Managervergütungen, Überprüfung der geschäftspolitischen Ausrichtung etc.

Sie haben Recht, viele Menschen fragen sich: Wer zahlt dafür die Zeche? Sind nur wir Steuerzahler die Dummen oder werden auch die Finanzmärkte und die Investmentbanker zur Bezahlung herangezogen? Deshalb fordern wir in unserem Regierungsprogramm die internationale Einführung einer Finanztransaktionssteuer, mindestens aber die nationale Einführung einer Börsenumsatzsteuer, die Begrenzung von Managergehältern und eine Neuregelung der Bonuszahlungen sowie die Intensivierung des Kampfs gegen Steueroasen. Ebenso einfach wie wirkungsvoll - und von der SPD immer wieder gefordert - wäre die aktiengesetzliche Verpflichtung der Vorstände auf ein "Unternehmenswohl", welches nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern auch der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit einschließen würde.

Um eine ähnliche Krise in der Zukunft zu vermeiden, brauchen wir vernünftige Regeln für die Finanzwelt.

Zum einen geht es darum, die Risiken abzusichern und zu begrenzen:

. Verbot, riskante Finanzprodukte zu verkaufen, ohne diese Risiken selbst ab-zusichern.
. Stärkere Eigenkapitalunterlegung von Krediten, um mögliche Risiken besser abzusichern.
. Auflagen bei Verbriefung und Weiterverkauf von Krediten . Banken dürfen Risiken nicht einfach weitergeben.
. Wirksame Einschränkung schädlicher Spekulation: Verbot spekulativer Leer-verkäufe (Wetten auf sinkende Kurse mit geliehenen Aktien)

Zum anderen brauchen wir eine wirksame Kontrolle von Risiken:
. Alle Bank-Risiken müssen transparent sein und in den Bilanzen aufgeführt werden!
. Die nationale und europäische Aufsicht müssen gestärkt werden.
. Ratingagenturen müssen strengeren Standards unterworfen und schärfer kon-trolliert werden, da sie bei der Entstehung der aktuellen Krise eine erhebliche Rolle gespielt haben.
. Die Haftung von Bankmanagern muss verschärft werden - insbesondere ihre Pflicht zum Schadenersatz bei schuldhaftem Handeln.
. Die Vergütungssysteme für Manager müssen neu ausgerichtet werden. Boni- und Gehaltssysteme dürfen nicht länger nur kurzfristigen Erfolg und Risikofreude honorieren.

Darüber hinaus ist eine neue Balance von Markt und Staat erforderlich. Das heißt mehr als "nur" bessere Finanzmarktregeln: Wir wollen die Mitbestimmung ausweiten und die Sanktionen bei Missachtung verstärken. Es ist nicht zu vermitteln, dass Reiche ihr Geld steuerfrei in Steueroasen anlegen können, während normale Bürgerin-nen und Bürger mit ihren Steuergeldern die Fehler der Banken bezahlen sollen. Deshalb wollen wir allen Steueroasen einen Riegel vorschieben.

Wir fordern außerdem eine zentrale und neue Rolle für den Internationalen Währungsfonds. Dieser muss Krisen wirksam vorbeugen und im Notfall wirksam eingreifen können. Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds sollen straff reguliert werden: Notwendig sind Pflichten zur Offenlegung der Vermögens- und Eigentümerstruktur sowie die Einschränkung übermäßiger Fremdkapitalfinanzierung. Auch müssen wir Deutschlands "Drei-Säulen-Modell" (Privatbanken, Genossenschaftsinstitute und Sparkassen) bewahren, denn unsere bewährten Bankstrukturen haben sich in der Krise als stabilisierend erwiesen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Gernot Erler