Frage an Gerhard Schick von Lars D. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Schick,
derzeit wird in den Medien ein Vorschlag der FDP zur Reformierung des Gesundheitssystems kontrovers diskutiert.
Ich hatte letzte Woche in diesem Zusammenhang ein Erlebnis. Ein Kollege aus dem Ausland war letzte Woche
zu Besuch in München und ist mit Fieber und starker Erkältung zum Arzt. Nach der Untersuchung (max. 10 Minuten)
und ohne das Ausstellen eines Rezeptes musste er 45 Euro bezahlen (natürlich Privattarif).
Vor zwei Jahren war ich selbst für einige Wochen in der Schweiz (dort gibt es nur private Versicherungen -
natürlich mit Sozialklauseln - es ist also jeder versichert) hatte ich mal für eine 15 minütige Untersuchung ohne Rezept
umgerechnet 25 Euro bezahlt.
Die Beiträge sind insgesamt (bei einer 4 köpfigen Familie) zwar etwas höher, das gilt dort auch für die Gehälter.
Wir haben hier in Deutschland ein Gesundheitssystem, das trotz staatlicher Steuerungsversuche immer teurer wird. Durch diesen Eingriff behindert der Staat die Kräfte des Marktes (Konkurrenzsituationen -> Preissenkungen) oder trügt mich hier mein "gefährliches Halbwissen"?
Wie sehen Sie dies als Volkswirt? Sehen Sie eine realistische Chance, dass in allen Parteien ernsthaft über eine "schweizer" Alternative zur Reform des Gesundheitssystems nachgedacht wird?
Ich wünsche Ihnen einen Tag!
Sehr geehrter Herr Detmers,
in internationalen Vergleichen gehört das Krankenversicherungssystem der Schweiz zu den teuersten (auch wenn dies ihren persönlichen Erfahrung zu widersprechen scheint) und zu denen, deren Ausgaben überdurchschnittlich stark steigen. Deutschland schneidet dort meist etwas besser ab, gehört aber auch zu den teuren Systemen. Der Versicherungsumfang den die Schweizer Krankenversicherung abdeckt ist deutlich geringer als in Deutschland. Ausgeschlossen sind als große Blöcke die zahnmedizinischen Behandlungen (mit sehr wenigen Ausnahmen) und der Lohnersatz im Krankheitsfall (muss privat abgesichert werden). Ebenso müssen Heilbehandlungen und Lohnfortzahlungen nach Unfällen durch eine obligatorische Unfallversicherung abgedeckt werden. Mehr als 40% der Gesundheitsausgaben werden in der Schweiz nicht durch die Versicherungen abgedeckt und müssen privat gezahlt werden. Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie in Deutschland. Der von Ihnen angesprochene Sozialausgleich in der Krankenversicherung ist unter verschiedenen Aspekten in der nationalen und internationalen Kritik. Zum einen ist jeder dritte Schweizer und durchschnittlich 40% der Haushalte auf die Prämienvergünstigung angewiesen. Die Unterstützung differiert jedoch nach Kantonen sehr stark, da diese je nach Haushaltslage die landesweit verabredeten Zuschüsse um bis zu 50% unterschreiten dürfen. Dies ist eher die Regel als die Ausnahme: Im Jahr 2005 nahmen 15 von 26 Kantonen diese Regelung in Anspruch. Das Verfahren zur Prämienvergünstigung ist extrem aufwendig, da es ein separates Verfahren neben der Steuererklärung ist. Ebenso wird kritisiert, das insb. Familien benachteiligt werden. Die Hälfte der Versicherten hat gelegentlich oder dauerhaft Probleme die Prämien zu zahlen und die Zahl der "Beitreibungen" der Beiträge scheint stetig zu steigen.
Die ehemalige schweizerische Gesundheitsministerin Ruth Dreifuss sieht in der Krankenversicherung keinen Exportschlager, da es u.a. große Probleme durch die unterschiedlichen in der Gesundheitsversorgung involvierten Systeme (Versicherungen aber auch Kantone) gibt, die zu Verzerrungen führen oder sich zum Teil widersprechenden Anreizen für Leistungserbringer enthalten.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick