Frage an Gerhard Pfisterer von Konrad S. bezüglich Frauen
sehr geehrter herr Pfisterer,
nachdem ich auf der letzten montags demo mit einer ihrer genossinnen gesprochen habe und sie mir erklärte, daß es nicht nötig ist, männerpolitik zu machen, es aber nötig ist, frauenpolitik zu machen, frage ich nun sie, was sie gegen die benachteiligung von männern machen? ich könnte weinen, wenn ich sehe, daß ihre tochter mit ihnen singt. ich sehe meine tochter schon seit jahren nicht mehr.
die benachteiligungen im einzelnen stichpunktartig, da die 2000 bytes sonst nicht ausreichen:
- gesundheit
- familie
- beruf
- armee
- jungenbildung (girls day und lehrmethoden)
- 2 - 3 mal höhere suizidrate
- obdachlosigkeit (80 - 95 % der obdachlosen sind männer)
- schutz vor häuslicher frauengewalt
- negatives männerbild in den medien
mit freundlichen grüßen
Konrad Schlichtherle
Lieber Herr Schlichterle,
vielen Dank für ihre Frage.
Zwischen den von Ihnen angesprochenen Benachteiligungen von Männern und der Notwendigkeit einer Politik zur „Befreiung der Frauen“ besteht ein direkter Zusammenhang.
Die Unterdrückung der Frauen und die doppelte Ausbeutung der Masse der lohn- und gehaltsabhängigen Frauen ist eine Folge des Kapitalismus.
Sie kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass Frauen nach wie vor weniger verdienen als Männer (vor allem durch sogenannte „frauentypische Berufe“) und nach wie vor die Verantwortung für die private Haushalts- und Familienführung haben.
Es gibt in der kapitalistischen Gesellschaft zwei grundlegende Widersprüche, die untrennbar miteinander verbunden sind. Das ist der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung und der Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Produktion der Güter und der privaten Verantwortung für den Erhalt und Fortbestand des menschlichen Lebens. Der Kapitalismus funktioniert nur in Form der Lohnarbeit und der Tatsache, dass dem Arbeitsmarkt ständig neue Arbeitskräfte zugeführt werden. Dafür ist die „bürgerliche Familie“ als Wirtschaftseinheit verantwortlich.
Diese Tatsache führt u.a. dazu, dass Ehepartner vom bürgerlichen Staat zeitlebens als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden. Ich habe selber eine Scheidung hinter mir und muss einen Rentenausgleich zahlen, obwohl meine geschiedene Frau darauf gar keinen Anspruch erhoben hat. Der Kapitalismus ist auf die Existenz der bürgerlichen Familie als Wirtschaftseinheit angewiesen. Entsprechend ist das Scheidungsrecht auch ausgelegt. Deshalb hat die „Reform“ des Scheidungsrechtes neben der Beseitigung von Benachteiligungen für die Frauen neue Ungerechtigkeiten geschaffen!
Auch wenn Frau und Mann sich die Hausarbeit bleibt die private Verantwortung für Erziehung, Krankheit, Pflege usw. bestehen. Das bekommen auch alleinerziehende Männer zu spüren.
Deshalb besteht für die MLPD eine untrennbare Einheit zwischen dem Kampf zur Beseitigung der Lohnarbeit, also dem Kampf um die soziale Befreiung und dem Kampf zur Befreiung der Frau, der sich u.a. darin ausdrückt, dass im Sozialismus die Familie ihre Rolle als Wirtschaftseinheit verliert und der Erhalt und Fortbestand des menschlichen Lebens auch als gesellschaftliche Aufgabe übernommen wird. Damit sind die materiellen Grundlagen geschaffen, dass es für eine Beziehung zwischen Mann und Frau nur noch eine Grund gibt, die Liebe.
Der Kampf um die soziale Befreiung der Menschheit und der Kampf zur Befreiung der Frau sind für die MLPD zwei Seiten einer Medaille. Dieser Kampf kann nur gemeinsam, von den Frauen und Männern geführt werden. Ein Kampf, der sich auf Frauen- oder Männerfragen reduziert, löst weder die Frauenfrage noch die soziale Frage – im Gegenteil, die bestehende Spaltung und Unterdrückung wird objektiv aufrechterhalten.
Unabhängig von diesen Fragen wünsche ich Ihnen persönlich, dass Sie einen Weg finden, wieder Kontakt zu ihrer Tochter herstellen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
G.Pfisterer