Frage an Gerda Hasselfeldt von Peter H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Fr. Hasselfeld,
kürzlich habe ich den Kandidaten_check für die BTW 2013 durchgeführt.
Dabei stieß ich auf folgende Aussage:
"Durch Volksentscheide auf Bundesebene sollen Bürgerinnen und Bürger mehr Mitentscheidungsrechte bekommen."
Die von Ihnen gegebene Antwort ist:
"Wir wollen bei europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite bundesweite Volksabstimmungen ermöglichen: bei der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten, der Abgabe wichtiger Kompetenzen an Brüssel oder bei großen finanziellen Leistungen Deutschlands an die EU-Ebene."
Meine Fragen dazu sind folgende:
1. Die Frage zielte eindeutig auf die Bundesebene, nicht auf die europäische Ebene. Beantwortet haben sie die Frage im Bezug auf Europa, wie stehen sie also zu Mitentscheidungsrechten für Bundesbürger für die Bundespolitik?
2. Wenn Sie, wie ihrer Antwort zu entnehmen ist, sich dafür aussprechen, dass Bundesbürger Mitsprache auf der europäischen Ebene bekommen, warum haben Sie es dann nicht eingeführt, in der jetzigen Legislaturperiode?
3. Frage ich mich, warum ich ihnen schreibe, denn auf die Fragen von Bürgern zu antworten scheint nicht gerade ihre Stärke zu sein, wie man hier erkennen kann, 6 Fragen, 0 Antworten.
Ist auch ein Aspekt dafür, wieviel Ihnen an einer bürgerlichen Kommunikation liegt.
Mit freundlichem Gruß
Peter Hofmann
Sehr geehrter Herr Hofmann,
Zu Ihrer Frage zu Volksentscheiden auf Bundesebene kann ich Ihnen folgendes mitteilen: Auch ich habe die ursprüngliche Anfrage, die Sie in Ihrer Frage zitieren, so verstanden, dass sie sich auf Volksentscheide auf Bundesebene bezieht. Dementsprechend habe ich sie beantwortet: Ich befürworte Volksentscheide auf Bundesebene, die herausgehobene europapolitische Fragestellungen zum Inhalt haben. Dies könnten zum Beispiel Entscheidungen zur Übertragung von wesentlichen Kompetenzen auf die EU, zum Beitritt weiterer Länder wie der Türkei und zur Übernahme erheblicher Finanzleistungen bei der Bewältigung der Krise in der Eurozone sein. Die Bürgerinnen und Bürger sehen sich mit Entwicklungen konfrontiert, bei denen die Regierungen auf europäischer Ebene kurzfristig Entscheidungen treffen müssen, deren Tragweite weit über ihr zeitlich begrenztes Mandat hinausreicht. Die völkerrechtlichen Bindungen, die dabei eingegangen werden, sind nicht mehr ohne weiteres revidierbar. Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht sinnvoll und notwendig, die Bürgerinnen und Bürger auch im Wege direkter demokratischer Verfahren einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, im Rahmen von Volksentscheiden direkten Einfluss zu nehmen. Die CSU hat auf ihrem Parteitag am 19. und 20. Oktober 2012 einen entsprechenden Beschluss gefasst (Beschlussbuch zum Parteitag 2012, abrufbar unter www.csu.de). Der Freistaat Bayern hat im Rahmen eines Antrags im Bundesrat die Einführung von Volksentscheidungen zu grundlegenden europapolitischen Fragen auf Bundesebene gefordert, diesen Antrag hat der Bundesrat in seiner 906. Sitzung am 1. Februar 2013 jedoch abgelehnt.
Ansonsten bin ich der Auffassung, dass es gute Gründe dafür gibt, dass das Grundgesetz von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen keine Form der direkten Demokratie auf Bundesebene vorsieht. Die repräsentative Demokratie ist das Grundprinzip der Staatsgewalt in Deutschland. Gesetzgeberische Vorhaben auf Bundesebene umfassen in der Regel sehr komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge, denen das einfache „Pro- und Contra-Schema“ eines Volksentscheids nicht gerecht würde. Das parlamentarische Verfahren der Bundesgesetzgebung eröffnet dagegen die Möglichkeit für einen ausgewogenen gesellschaftlichen Dialog und differenzierte Lösungen während des gesamten Verfahrensverlaufs, bei denen unter anderem auch die Interessen von Minderheiten berücksichtigt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Gerda Hasselfeldt, MdB