Frage an Georg Nüßlein von Martin K. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Dr. Nüßlein,
Sie sind ein Mitglied des Ausschusses für Umwelt etc. Ich möchte feststellen, dass wir in Deutschland, obwohl wir uns den Anschein geben, gerade nicht die Umwelt und im speziellen die Klimaveränderung verbessern wollen, sondern u.a. mit dem Bau von mehreren Steinkohlekraftwerken dem entgegenwirken. Die genehmigten Kraftwerke in Rhein/Ruhr sollen bis 2012 fertiggestellt und mit Steinkohle geheizt werden.
Dies widerspricht jeglichem gesunden Menschenverstand, wenn dazu noch der Steinkohleabbau bis 2018 insgesamt eingestellt werden soll. Auch die deutsche Autoindustrie hat sich wacker geschlagen, um der vernünftigen Vorgabe aus Brüssel auszuweichen. Gibt es keinerlei Möglichkeiten im politischen Bereich diese Fehlentwicklungen zu unterbinden ?
Ich war immer der Meinung, die Politik wäre für die Menschen, rezesife Bürger einer Demokratie mit den Mitteln ausgestattet worden (gewählt), solche Fehlentwicklungen zu erkennen und entsprechend zu handeln. In einem Gremium werden alle die Themenbelange diskutiert und mit untermauerten Vorschlägen an die gesetzgebenden Instanzen weitergeleitet ? Kann Ihr Ausschuss sich durchringen, konkrete Vorschläge zu unterbreiten, die geplanten Kraftwerkbauten zu unterbinden ?
Ich würde mich über eine positive Antwort sehr freuen
Martin Kromer
Sehr geehrter Herr Kromer,
vielen Dank für Ihre Email vom 2. Februar 2007, in der Sie die Thematik Energieversorgung in Deutschland ansprechen.
Der weltweite Energieverbrauch ist gegenwärtig fast doppelt so hoch, wie zu Beginn der 70er Jahre. Die wichtigsten Energieträger sind heute global betrachtet Öl (34 %), Kohle (24 %) und Gas (21 %); die erneuerbaren Energien decken insoweit 14 % und die Kernenergie 7 % des Energieverbrauchs.
Auch wenn in Deutschland der Energieverbrauch seit vielen Jahren stabil bleibt bzw. wiedervereinigungsbedingt sogar leicht sinkt (liegt heute um 4,5 % unter dem Wert von 1990) und sich damit der Energieverbrauch in unserem Land weitgehend vom Wirtschaftswachstum entkoppelt hat, sind das zwar innerdeutsch erste Fortschritte, allerdings angesichts der kaum abschätzbaren schweren Folgen des globalen Klimawandels muß der Trend bei der Emission von Treibhausgasen weiter gebrochen werden. Insofern hat die Politik in janusköpfiger Weise zu reagieren, sowohl innen- als auch außenpolitisch.
Bezugnehmend auf Ihre Fragestellung, möchte ich im Folgenden näher auf den innenpolitischen Handlungsbedarf eingehen. Ich sehe es gleichermaßen sehr kritisch, daß wir in Deutschland weiter auf fossile Brennstoffe setzen. Der Gesamtenergieverbrauch in Deutschland wurde 2005 knapp mit einem Viertel Kohle gedeckt (Braunkohle 11 % und Steinkohle 13 %). Auch wenn Deutschland bei Umwelttechnologien eine Vorreiterstellung einnimmt und etwa durch Erneuerungen im Kraftwerkpark eine höhere Energieeffizienz erzielt wird, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir parallel den Focus darauf richten müssen, den Anteil der erneuerbaren Energien auszubauen und auszuweiten. Für alles andere als unproblematisch halte ich in dem Zusammenhang, daß die SPD am Kernenergieausstieg bis 2020 festhält und ich an dieser Stelle nicht weiß, wie der Energiebedarf dann anders, als durch fossile Brennstoffe, zu decken sein wird. Als Beispiel darf ich die Stromproduktion im Jahre 2005 anführen. Für den Beitrag, den ein Energieträger zur Versorgungssicherheit leisten kann, ist neben der erzeugten Strommenge vor allem die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, die so genannte Grundlastfähigkeit, des Stroms entscheidend. Die Kernenergie stellt mit 48 Prozent den größten Anteil an der Grundlast; die weiteren derzeit in der Grundlast in Deutschland eingesetzten Energieträger sind die Braunkohle und die Laufwasserkraft. Wenn wir mit dem Ausstieg aus der Kernenergie bis 2020 ernst machen, ist es bis dahin nach meinem Dafürhalten illosorisch gleichzeitig auf den Energieträger Kohle zu verzichten. Auch bei forsierter Forschung im Bereich Erneuerbarer Energien wird sich das nicht realisieren lassen. Nachdem aber der Ausstieg aus der Kernenergie vom Koalitionspartner vehement verteidigt wird, müssen sich die Energieversorger darauf vorbereiten. Angesichts der Planungs- und Realisierungszeiten ist der Bau von Kraftwerken, wie das in Rhein/ Ruhr, zu initiieren. Ändern könnte man das meiner Meinung nach nur, wenn die Ausstiegsvereinbarung zum derzeit vorgesehenen Zeitpunkt zeitnah revidiert würde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Georg Nüßlein