Frage an Georg Kössler von Andreas R. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Kössler,
ich habe lange in Kopenhagen gewohnt und ich wundere mich immer, wie ambitionslos wir in Deutschland sind, wenn es um die Transformation des Verkehrs geht. In Barcelona verbannt man gerade das Auto quasi aus der gesamten Stadt und in den Niederlanden ist das Fahrrad bereits im Zentrum der Verkehrspolitik. Auch in Paris und London geht es voran.
In Berlin sind eigentlich durch die breiten Strassen aus der Kaiserzeit die besten Voraussetzungen für eine Transformation: Man könnte ohne Weiteres eine fahrradzentrierte West-Ost-Achse vom Ernst-Reuter-Platz zum Alexanderplatz schaffen. Stattdessen haben wir noch immer eine autozentrierte Strasse, die fast an eine Autobahn erinnert. Warum versucht man es in Berlin nicht einmal?
Fahren sie mal von Mitte nach Charlottenburg mit dem Fahrrad. Diese engen, typisch deutschen Fahrradwegchen gibt es in Dänemark gar nicht. Ständig wird dem Autoverkehr der Vorrang gegeben und man hält an schlecht geschalteten Ampeln, die einen oft auch noch in die Irre füren. Machen Sie doch mal eine Exkursion nach Kopenhagen oder Houten/NL, und lassen sich zeigen, wie man es machen könnte. Worauf warten wir in Deutschland und in Berlin? Die Bürger wollen es.
Mit freundlichen Gruessen
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
Zuerst: Ja, die Verkehrswende muss schneller gehen! Ich bin selber passionierter Radfahrer und davon überzeugt, dass das Glück der Welt (für viele) auf zwei Rädern liegt. Auch für effektiven Klimaschutz und ein zukunftsfähiges Berlin müssen Rad- und Fußverkehr das Zentrum unserer Verkehrspolitik werden! Ich habe Verständnis für die Ungeduld. Als klimapolitischer Sprecher unserer Fraktion könnte es nach meiner Auffassung gar nicht schnell genug gehen!
Ja, Paris, London und Barcelona mögen weiter sein als wir. Untätig waren wir als Koalition in den letzten vier Jahren aber keineswegs. Mit dem Mobilitätsgesetz bringen wir als Koalition Berlin ein weiteres Stück näher zur „Vision Zero“ – dem Ziel von null Verkehrstoten. Die Ampelzeiten für Fußgänger*innen werden verlängert. An den Hauptstraßen entsteht ein dichtes Radwegenetz, wo möglich als Protected Bike Lanes, also durch Poller getrennt vom Autoverkehr. Jeder neue Radweg an Hauptstraßen muss die folgenden Maßgaben laut §43 des neuen Mobilitätsgesetzes erfüllen:
*(1) **Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen mit erschütterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite eingerichtet werden. Diese sollen so gestaltet werden, dass sich Radfahrende sicher überholen können. Aus Sicherheitsgründen sollte sowohl auf gemeinsam geführte Geh- und Radwege als auch auf zur Nutzung durch den Radverkehr freigegebene Gehwege möglichst verzichtet werden. *
Mit der Errichtung von insgesamt 21,5 Kilometern sicherer Pop-Up-Radwege während des ersten Lockdowns haben wir gezeigt, wie schnell es gehen kann. Diese Radwege wollen wir verstetigen. In der Regel haben Infrastrukturprojekte aber leider oft eine lange Vorlaufzeit. Deswegen wirken einige „neue“ Projekte wie Radwege, scheinbar veraltet. Mit meiner Antwort habe ich auch deswegen etwas Zeit benötigt, weil ich das gestrige Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin *für* die Radwege abwarten wollte.
Wir geben alles, um bald ein Berlin zu ermöglichen, in dem sich jede und jeder in Berlin gerne und sicher zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist! Für eine Stadt in der nicht nur das Auto im Mittelpunkt steht, sondern der klima- und menschenfreundliche Verkehr!
Herzliche Grüße
Georg Kössler