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Frage von Alwin D. •

Frage an Garrelt Duin von Alwin D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Duin,

ab 2009 soll ja bekanntlich der Beitrag für die KV einheitlich auf 15,5 % steigen. Für die Arbeitnehmer soll dieses durch die Beitragsreduzierung bei AL-Versicherung
kompensiert werden.

Dazu eine Frage.
Wie sieht der Ausgleich für die "Randgruppe" der Rentner aus?
Berufen Sie sich bitte nicht auf die 1,1%ige Erhöhung.
Das sind sage und schreibe 12 Euro!!!

Auf die Anwort bin ich schon gespannt.
Erlauben Sie mir eine Prognose: Für Rentner ist kein Ausgleich vorgesehen.

Mit freundlichen Grüssen
Alwin Damaske

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Damaske,

vielen Dank für Ihre Frage vom 5. Oktober 2008 zur Festlegung der GKV-Beitragssätze.

Mit Einrichtung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 gilt für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung ein einheitlicher Beitragssatz, der von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festgelegt wird. Am 7. Oktober 2008 hat das Bundeskabinett den Entwurf dieser Verordnung beschlossen und hat diesen an den Deutschen Bundestag zur Unterrichtung zugeleitet. Nach dem Verordnungsentwurf beträgt der paritätisch finanzierte Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung künftig 14,6 Prozent, der ermäßigte Beitragssatz 14 Prozent (für Versicherte ohne Krankengeldanspruch, z. B. Selbständige). Dazu kommt jeweils ein Anteil von 0,9 Beitragssatzpunkten, der nur von den Mitgliedern der Krankenkassen zu tragen ist. Die Verteilung der Beitragsbelastung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ändert sich nicht. Die Beitragssätze beruhen auf den Ergebnissen des beim Bundesversicherungsamt gebildeten Schätzerkreises und sind so ausgestaltet, dass durch die erwarteten Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2009 100 Prozent der erwarteten Ausgaben gedeckt werden. Die endgültige Beschlussfassung im Bundeskabinett wird voraussichtlich am 29. Oktober 2008 erfolgen.

Der Fonds führt zu einer gerechteren und einfacheren Verteilung der Beiträge der Versicherten. Es kann nicht sein, dass bestimmte Kassen in Schwierigkeiten geraten, weil sie immer höhere Beiträge verlangen müssen, da sie besonders viele kranke, alte oder Menschen mit geringen Einkommen zu versorgen haben. Künftig werden die unterschiedlichen Krankheitslasten der Versicherten besser berücksichtigt. Jeder Versicherte ist seiner Krankenkasse gleich willkommen, ganz gleich ob wenig verdient oder ein höheres Einkommen hat. Der Fonds macht den Kassenwettbewerb transparent. Die Kassen werden sich im Qualitätswettbewerb um den besten Service sehr anstrengen. Davon profitieren alle Versicherten und Patienten.

Ab dem 1. Januar 2009 zahlen alle gesetzlich Versicherten denselben prozentualen Krankenkassenbeitrag. Das Geld wird – zusammen mit dem wachsenden Zuschuss des Bundes – in dem Fonds gebündelt. In einem zweiten Schritt wird das Geld aus dem Fonds an die Kassen bezahlt und zwar nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel, der sich nach Alter, Geschlecht und Krankheit der Versicherten richtet (der so genannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich). Für ältere und kranke Versicherte bekommen Kassen mehr Geld als für gesunde und junge Versicherte. Übrigens gibt es bereits seit 1995 Ausgleichszahlungen zwischen den Kassen. Der Fonds vereinfacht dieses System und macht es dadurch transparenter. Die Idee dahinter ist, dass die Kassen zu fairen Bedingungen in den Wettbewerb untereinander treten.

In einem Solidarsystem wie der gesetzlichen Krankenversicherung ist es richtig und gerecht, wenn für gleiche Leistungsansprüche zunächst auch ein gleicher Beitragssatz bezahlt wird. Es gibt derzeit 217 Krankenkassen mit gleichen Leistungen, aber unterschiedlichen Beitragssätzen. Die Versicherten besuchen aber das gleiche Krankenhaus oder den gleichen Arzt. Dies wird künftig über einen bundesweit einheitlichen Beitragssatz finanziert. Mit ihm gilt in Zukunft in Ost, West, Nord oder Süd: Gleicher Beitragssatz für gleiche Leistung – wie auch in der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung.

Ein einheitlicher Beitragssatz und Wettbewerb können hier Hand in Hand gehen, denn die Krankenkassen können vom einheitlichen Beitragssatz abweichen. Gut wirtschaftende Kassen werden ihren Kunden Geld zurückzahlen. Krankenkassen, deren Manager sich nicht anstrengen, können von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag verlangen. Dieser ist sozial begrenzt. Die Versicherten werden sich ihre Kassen genau ansehen: Welche Kasse bietet eine gute Versorgung? Welche Kasse bietet guten Service für Versicherte und Patienten? Welche schafft das ohne Zusatzbeitrag, welche nicht? Und wer kann Prämien auszahlen? Das bringt viel mehr Wettbewerb als heute. Umfragen der Kassen selbst belegen, dass die Menschen die Kassen viel stärker als Fürsprecher der Patienten haben wollen, zum Beispiel, wenn es um zeitnahe Termine beim Facharzt geht. Die Beiträge steigen nicht durch den Gesundheitsfonds. Er hat nichts mit der Höhe des Beitragssatzes zu tun und verteuert auch nichts. Der Fonds verteilt lediglich die Beitragsgelder der Versicherten und die Steuermittel genauer und zielgerichtet. Wenn die Ausgaben einer Krankenkasse steigen, weil beispielsweise mehr Arzneien verschrieben werden, müsste diese Kasse auch ohne Fonds ihren Beitragssatz für das nächste Jahr anheben. Und: Durch den Fonds werden weder Leistungen gestrichen noch Zuzahlungen erhöht.

Der Gesundheitsfonds führt auch nicht zu mehr Bürokratie. Im Gegenteil – die Organisation der Krankenversicherung wird vereinfacht: Es gibt nur noch einen einheitlichen Beitragssatz – wie in der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung. Der komplizierte Ausgleich unterschiedlicher Einnahmen, das komplexe Verrechnungsverfahren zwischen den Krankenkassen und der sehr aufwändige Risikopool für teure Patienten entfallen vollständig. Und auch der Verwaltungsaufwand des Beitragseinzugs wird vereinfacht: Ab dem 1. Januar 2011 können Unternehmen die Beiträge, Beitragsnachweise und Meldungen gebündelt an eine Weiterleitungsstelle entrichten und müssen nicht wie bisher 217 unterschiedlich hohe Beiträge an 217 unterschiedliche Krankenkassen zahlen.

Mit Start des Fonds am 1. Januar 2009 zahlen alle gesetzlich Versicherten den gleichen allgemeinen Beitragssatz. Über den Einzug müssen sie sich aber keine Gedanken machen, denn daran ändert sich nichts. Bis zum 31. Dezember 2010 überweist der Arbeitgeber wie gewohnt den Anteil des Versicherten und seinen Anteil des Beitrages an die jeweilige Krankenkasse, danach kann er die Beiträge für alle seine Beschäftigten gebündelt an eine Gemeinsame Einzugstelle überweisen.

Kommt eine Krankenkasse mit dem überwiesenen Geld nicht aus, darf sie einen Zuschlag erheben. Dessen Höhe ist aber begrenzt: Die Kasse darf höchstens ein Prozent des Bruttoeinkommens vom Versicherten verlangen. Wenn der Versicherte den geforderten Zusatzbeitrag nicht akzeptiert, kann er die Kasse wechseln, der Zusatzbeitrag wird dann nicht fällig. Durch den allgemeinen Beitragssatz können die Versicherten künftig die Zusatzleistungen der verschiedenen Kassen leichter und besser vergleichen. Wie bei einem Autorennen: Nur wenn alle ein gleichwertiges Auto fahren, weiß man, wer der beste Fahrer ist. Dazu kommt: Durch den Gesundheitsfonds müssen die Kassen zwangsläufig ihren Service verbessern. Denn im Wettbewerb zwischen den Kassen entscheiden künftig Service und Leistungen, nicht vorrangig der Beitragssatz. Nach heutigem und auch nach künftigem Recht gilt die gesetzliche Kündigungsfrist für „Kassenwechsler“ von zwei vollen Kalendermonaten. Aber: Wenn ein Versicherter seiner Kasse kündigen will, muss er 18 Monate lang dort versichert gewesen sein. Ausnahme: Die Kasse erhebt erstmals einen Zusatzbeitrag, der Zusatzbeitrag wird erhöht oder die Prämie, die die Kasse auszahlt, wird gesenkt. Dann hat der Versicherte ein Sonderkündigungsrecht, die 18- monatige Bindungsfrist entfällt. Die Kasse muss den Versicherten über die Erhöhung des Zusatzbeitrags so rechtzeitig informieren, dass er die Kasse wechseln kann, ohne dass der neue Beitrag fällig wird.

Der allgemeine Beitragssatz gilt ab dem kommenden Jahr auch für Rentnerinnen und Rentner. Zunächst muss festgehalten werden, dass rund 70% aller Rentnerinnen und Rentner bisher einen überdurchschnittlichen Beitrag zahlen, weil sie Mitglied in einer der sogenannten Versorgerkassen (wie AOKen oder Ersatzkassen) sind. Viele ältere Menschen, die z.B. in der AOK Berlin versichert sind, zahlen daher ab Januar 2009 auch mit dem angehobenen Beitragssatz weniger als bisher. Dies trifft im Übrigen auch bei den AOKen in acht weiteren Bundesländern zu. Etwa 56% aller Rentnerinnen und Rentner zahlen mit dem Beitragssatz 2009 entweder weniger oder maximal 0,1% von ihrer Rente mehr an die Krankenkassen als bisher. Bei einer gesetzlichen Rente von etwa 1.100 Euro zum Beispiel wären das 1,10 Euro im Monat oder 13,20 Euro im Jahr. Darunter fallen z.B. auch die rund 3,4 Mio. Rentnerinnen und Rentner, die bei den beiden großen Ersatzkassen BEK und DAK versichert sind. Bei rund 30% aller Rentnerinnen und Rentner liegt die Belastung zwischen 0,1% und 0,5%, also im gewählten Beispiel zwischen 1,10 Euro und 5,50 Euro im Monat. Gut 13% aller Rentner sind bei Kassen, die für das Mitglied zwischen 0,5% und 0,95% teurer werden (5,50 Euro bis 10,45 Euro im Monat). Es muss ferner festgehalten werden, dass die der Anhebung des Beitragssatzes zugrundeliegende Steigerung der Kosten der medizinischen Versorgung ohne den Fonds mit seinem einheitlichen Beitrag und der fairen Verteilung der Mittel zu einer sehr ungleichen Belastungsverteilung geführt hätte. Die großen Versorgerkassen mit ihren vielen Rentnerinnen und Rentnern hätten ihren Beitrag sicherlich um einen ganzen Prozentpunkt oder mehr anheben müssen, während die "Internetkassen", die fast nur junge und gesunde versichern, mit einer weitaus niedrigeren Anhebung ausgekommen wären. Die Beiträge wären noch weiter auseinandergegangen. Der unfaire Wettbewerb hätte sich weiter verschärft.

Mitversicherung von Ehepartner und Kindern besteht auch mit Einführung des Fonds. Und: Für die Kinder und den mitversicherten Partner muss der eventuell anfallende Zusatzbeitrag nicht gezahlt werden. Sozialhilfeempfänger, Bezieher einer Grundsicherung und Heimbewohner, die ergänzende Sozialhilfe bekommen, müssen nicht mehr bezahlen, da ihre Beiträge ganz oder teilweise vom Grundsicherungsträger bezahlt werden. Auch ein möglicher Zusatzbeitrag muss von nichterwerbsfähigen Grundsicherungsbeziehern nicht selbst bezahlt werden. Diesen übernimmt das Grundsicherungs- bzw. das Sozialamt. Bei ALG-II-Beziehern wird der Zusatzbeitrag in Härtefällen von der Bundesagentur für Arbeit übernommen.

Die Basisleistungen der Krankenkassen sind heute weitgehend identisch, notwendige Maßnahmen werden bezahlt. Dies wird auch künftig so sein. Die Unterschiede wird es geben, weil die Kassen sich im Wettstreit um den besten Service und die beste Versorgung der Versicherten beweisen müssen. Im Vordergrund stehen Fragen wie: Kümmert sich die Kasse genug um ihre Versicherten? Gibt es eine Hotline, bei der der Versicherte anrufen kann, wenn er beim Facharzt zu lange auf einen Termin warten muss? Ist die jeweilige Kasse familienfreundlich? Welche Präventionsangebote bietet die Kasse? Sind die Wahltarife passgenau auf den Versicherten zugeschnitten? Auf solche Service-Angebote sollten die Versicherten genau achten. Der allgemeine Beitragssatz gilt nur für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen.

Wenn seine Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt hat der Versicherte ein Sonderkündigungsrecht. Er könnte dann zum Beispiel zu einer gut wirtschaftenden Krankenkasse wechseln, die ihre Mitglieder mit einer Prämie am Erfolg beteiligt, oder zumindest keinen Zusatzbeitrag erhebt.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Garrelt Duin, MdB