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Gabriele Molitor
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Frage von Inge R. •

Frage an Gabriele Molitor von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Molitor,

als Mutter einer erwachsenen schwerstbehinderten Tochter bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu der aktuell geplanten Regelbedarfsstufe 3, welche laut Gesetzentwurf der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung lediglich 80 % des Bedarfs von erwachsenen Leistungsberechtigten ohne Behinderung vorsieht.
Das BSG hat in seinem Urteil B 8 SO 8/08 R vom 19.05.2009 bereits festgestellt: "Dies wäre jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw der Regelleistung wegen Annahme einer Haushaltsersparnis zwischen der Personengruppe der SGB-XII- und SGB-II-Leistungsempfänger keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung erkennbar sind."
Diese geplante Kürzung des Regelsatzes ist also diskriminierend und somit verfassungswidrig.
Mit welchen Argumenten wollen Sie rechtfertigen, dass Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung jetzt gezwungen sind, die Sozialgerichte mit Massenklagen zu überschütten?

Mit freundlichen Grüßen

Porträtfoto Gabriele Molitor
Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Rosenberger,

vielen Dank für Ihre Frage vom 6. Januar 2011, in der Sie sich kritisch mit der Ermittlung von Regelbedarfen bezüglich der Situation von erwachsenen Kindern mit Behinderung im elterlichen Haushalt auseinandersetzten.

Die von Ihnen angesprochene Regelbedarfsstufe 3 gilt für erwachsene Leistungsberechtigte im Bereich des SGB XII, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen leben. Dies kann dann der Fall sein, wenn erwachsene behinderte Personen im Haushalt der Eltern oder ein Elternteil im Haushalt der Kinder lebt. In diesen beiden Fällen ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Kind oder der Elternteil einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hat.

Die Regelbedarfsstufe 3 berücksichtigt dabei, dass Personen, die mit anderen in einem gemeinsamen Haushalt leben, einen geringeren Bedarf haben als Alleinstehende: Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Fernseher, PC müssen nur einmal angeschafft, regelmäßige Ausgaben z.B. für den Telefonanschluss, die Tageszeitung oder Reinigungsmittel nur insgesamt für den Haushalt getätigt werden. Die Regelbedarfsstufe trägt diesen Gesichtspunkten Rechnung und entspricht dem bisher geltenden Recht. In der Grundsicherung für Arbeitsuchende, also im Bereich des SGB II, ist diese Regelbedarfsstufe nicht vorgesehen. Mit Vollendung des 25. Lebensjahrs bilden erwerbsfähige Leistungsberechtigte eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft, das bedeutet, dass unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit bei ihnen der volle Regelbedarf berücksichtigt wird.

Die unterschiedliche Behandlung zwischen den Leistungsberechtigten im SGB II und im SGB XII rechtfertigt sich durch die Systemunterschiede zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe. Das SGB II wendet sich vornehmlich an einen erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehend eine Unterstützung benötigt; es handelt sich um ein eher dynamisches System. Dagegen richten sich die existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe, insbesondere die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung an einen Personenkreis, der tendenziell dauerhaft auf die Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen angewiesen ist; es handelt sich um ein eher statisches System. Angesichts dieser Systemunterschiede werden die Leistungsberechtigten unterschiedlich behandelt.

Die Regelbedarfshöhe darf dabei jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Die Leistungsberechtigten werden etwa auch bei der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen und -erwartungen unterschiedlich behandelt. So werden diesbezüglich die Leistungsberechtigten im SGB XII besser gestellt, da Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern grundsätzlich unberücksichtigt bleiben; im SGB II sind sie hingegen zu berücksichtigen. Zudem gilt für das Sozialhilferecht der Grundsatz, dass sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten haben. Dies bedeutet, dass der zuständige Sozialhilfeträger unter Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse genau prüfen muss, ob die Regelbedarfsstufe 3 in dem konkreten Einzelfall überhaupt anzuwenden ist.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen meine Position hinreichend darlegen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Molitor