Gabriele Ermen
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UNABHÄNGIGE
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Frage von Kirstin L. •

Kann man per Gesetz die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichten, Naturheilkundeverfahren, Homöopathie zu bezahlen?

Sehr geehrte Frau Ermen,

naturheilkundliche Verfahren, Homöopathie, Osteopathie usw. sind nachweislich gesundheitsfördernd und bringen die Patienten auch in die Eigenverantwortung. Dies kann langfristig eine Kostensenkung im Gesundheitssektor bewirken. Da diese Verfahren selten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden und wenn, dann auch nur in sehr geringen Maßen, stellt sich mir obige Frage.

Gabriele Ermen
Antwort von
UNABHÄNGIGE

Liebe Frau L.,

herzlichen Dank für Ihre Frage, die mir auch sehr am Herzen liegt. Ich habe ja selbst 7 Jahre lang als Heilpraktikerin eine eigene Praxis gehabt und vertraue meine Gesundheit am liebsten ganzheitlich behandelnden Ärzten und Heilpraktikern an.

Naturheilkundliche Verfahren, Homöopathie, Akupunktur und Osteopathie dürfen jetzt teilweise schon von den Krankenkassen bezahlt werden, sofern sie von Fachärzten der Naturheilkunde durchgeführt werden. (Leider gibt es Bestrebungen, die Homöopathie aus diesem Katalog herauszunehmen.)

Damit auch Heilpraktikerkosten von den Krankenkassen bezahlt werden dürften, müsste man das Sozialgesetzbuch ändern. Dieses beschränkt die Abrechenbarkeit auf Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten. Es gewährt allen gesetzlich Versicherten einen Anspruch auf eine "bedarfsgerechte und dem Stand der Wissenschaft entsprechende" medizinische Behandlung

Das bedeutet, solange die offizielle Wissenschaft z.B. Homöopathie nicht anerkennt, kommen wir an dieser Selle nicht weiter.

Allerdings würden es viele Heilpraktiker auch ablehnen, sich dem Diktat von Krankenkassen zu unterwerfen, denn:

Das Sozialgesetzbuch (§ 12 SGB V) schreibt vor, dass die von den gesetzlichen Krankenkassen erstattbaren Behandlungen "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" sein sollen und die Leistungen dürfen "das Maß des Notwendigen" nicht überschreiten. Welche Leistungen dazu gehören, regelt kein Gesetz, sondern Gremien der Selbstverwaltung (bestehend aus Vertretern der Krankenkassen, der kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhäuser). Als Folge erleben wir, dass die erstattbaren Methoden oft auf pharmazeutische Lösungen beschränkt sind und Methoden der Erfahrungsheilkunde ignoriert werden. 

Auch für Ärzte gilt jetzt schon: Wer eine Kassenzulassung hat, hat keine freie Methodenwahl mehr. Mit anderen Worten, die Krankenkassen bezahlen nur das, was nicht viel kostet (oder das, woran die Pharma-Industrie viel Geld verdient - aber das ist meine persönliche Meinung.)

Deshalb kann ich es mir nicht vorstellen, wie eine gewissenhafte ganzheitliche Behandlung in die Abrechnungsziffern der Krankenkassen gezwängt werden könnte, ohne das die Qualität der Behandlung leidet. Das ist schon schwierig genug bei der Abrechnung mit den Gebührenziffern (GeBüH) der privaten Krankenversicherungen.

Zusammengefasst:

Damit Heilpraktikerbehandlungen und Naturheilkunde Patienten-gerecht erstattet werden könnten, müsste man nicht nur das Sozialgesetzbuch ändern. Es müsste das ganze Gesundheitssystem in einer Weise reformiert werden, dass die Fixierung auf wissenschaftliche Evidenz einer ganzheitlichen Sicht weicht.

Dazu müsste die Macht der Pharmakonzerne gebrochen werden, die daran sicher kein Interesse haben.

Das werden wir nur erreichen können, wenn generell das ganze Lobbyistensystem so geändert wird, dass auch die Bürger ihre Lobby bekommen und maßgeblich Einfluß auf die Entscheidungen der Gesetz-erarbeitenden Ausschüsse nehmen können.

Bis unsere Demokratie so Bürger-freundlich und gerecht wird, müssen noch ein paar kleinere und größere Wundern geschehen. Je mehr Bürger selbstbewusst und souverän für ihre Interessen einstehen und ihre Bedürfnisse explizit einfordern, desto eher kann sich etwas in unserem Land verändern.