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Fritz Schmalzbauer
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Frage von Peter K. •

Frage an Fritz Schmalzbauer von Peter K. bezüglich Wirtschaft

Geehrter Herr Schmalzbauer,bezugnehmend auf Ihre Antwort
zur Frage des Herrn Baumgärtel vom 17.9. möchte ich Sie fragen,warum Sie auf dessen indirekte Frage und direkten Fragen zum Thema Enteigunung von Grossunternehmen nicht
konkret geantwortet haben. An einer solchen Antwort wäre ich
besonders interessiert.

Beste Grüsse

Peter Koeppen

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Antwort von
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Werter Herr Koeppen,

unter Juristen gilt der Satz, ein Blick ins Gesetzbuch ersetzt oftmals die Rechtsfindung. Das gilt auch für das Grundgesetz. Der Missbrauch von Eigentum (Unterstützung durch Vermögende und deren Verbände und Zeitungen von rechten und rechtsradikalen Bewegungen, die der Weimarer Republik feindlich gegenüber standen und sie gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien - Ermächtigungsgesetz 1933 - der Hitler-Diktatur ausgeliefert haben) führte nach 1945 zu zwei wesentlichen Feststelllungen:
1. Eigentum hat eine Sozialverpflichtung (gesellschaftlich begründet sich darauf der Sozialstaat)- Artikel 14 GG
2. Zitat: "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend." Artikel 15 GG

Ein zweiter Grundsatz besteht darin, Aussagen nicht auf den Kopf zu stellen. Oskar Lafontaine hat zu Recht festgestellt, dass eine falsche Steuerpolitik seit Jahren große Vermögen aus der sozialen Verantwortung entlässt. Die Steuerprogression belastet vor allem relativ gut verdienende Arbeitnehmer, Freiberufler und Unternehmer und schont große Vermögen, was natürlich auf eine "Enteignung" zurückzuführen ist - nämlich auf die Enteignung des Arbeitsertrages, der nicht für Löhne und Betriebsmittel benötigt wird. Selbst die "indirekte" Vermögensvermehrung (Aktien, Spekulationen...)ist auf Arbeit zurückzuführen oder platzt wie Seifenblasen, wie aktuell in den USA und auch hierzulande anschaulich vorgeführt. Einmal sind die Benachteiligten jene, die ihre geringe Ersparnis in Häuser gesteckt haben und jetzt auf der Strasse stehen ("subprime" - vor Jahren schon hier bei der Hypobank), oder ihren Arbeitsplatz verlieren. Die übelste Enteignung (Stern, SZ) war übrigens Hartz IV, soweit es entlassene Arbeitnehmer betrifft, die nach nur einem Jahr aller nennenswerten Vermögenswerte beraubt werden, auch wenn sie über Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.

Es gibt zahlreiche gute Gründe (vor allem, was Bayern betrifft, über 700 000 Menschen, die 400 € oder weniger verdienen), über die Beteiligung großer Vermögen und über deren Zustandekommen nachzudenken. Langzeitarbeitslose der Luxusklasse ähneln irgendwie den beiden Ständen, die in der französischen Revolution am schlechtesten weggekommen sind: dem hohen Adel und der hohen Geistlichkeit, die nur auf der Arbeit anderer ihren Luxus begründeten. Sie wurden überflüssig und durch eine aktive Bürgerklasse verdrängt, die sich ihrerseits auf die arbeitenden Massen am Land und in den Städten stützen konnten, weil denen das Lebensnotwendige fehlte. Heinrich Heine hatte die deutsche Zurückhaltung in solchen Situationen mit Spott zeitgemäß begleitet: "Denn man baut aus deutschen Eichen keine Galgen für die Reichen". Alle Revolutionen und deren Opfer haben ihren sozialen Resonanzboden. Um so mehr stellt sich die Frage, ob sich eine moderne Gesellschaft nicht auf Regeln einigen kann, die eine neue gesellschaftliche Qualität für alle begründen hilft. Zu Recht kann eingewendet werden, dass eine solche Grundsatzfrage in einer globalisierten Welt auch global gesehen werden muss. Zunächst sind wir aber für alles verantwortlich, was vor unserer Haustüre und in eigener Verantwortung geschieht. Je tiefer der Graben zwischen Menschen, die selbst bei stark belastender und familienfeindlicher Arbeit (Arbeitsentgelt, Arbeitszeit) sich kaum das Nötigste leisten können und einer Gruppe von Parasiten ohne hinreichende Beteiligung am Sozialstaat sich auftut, desto gefährdeter ist der innere Zusammenhalt einer Gesellschaft.
Es geht daher um ein Gegengewicht zur Enteignung derer, die durch ihre Arbeit die Grundlage der Gesellschaft bilden oder durch unverschuldete Umstände schon enteignet sind. Dazu gehören ebenso Handwerker - in meiner Familie zum Beispiel - die über das Maß hinaus arbeiten und in wenigen Jahren 9 Arbeitsplätze geschaffen haben, dazu gehören leistungsstarke Arbeitnehmer und Selbstständige, die durch die ungerechte Steuerprogression trotz Lohnerhöhung weniger Geld bekommen, dazu gehören Frauen, die systematisch benachteiligt werden (Lohnunterschiede in Bayern rund 25% bei gleicher Tätigkeit), dazu gehören Geringverdiener, die durch die Mehrwertsteuerlüge der großen Koalition viel stärker belastet sind als die Luxusklasse, in die man übrigens nicht Kraft Fähigkeit, sondern Kraft Elternhaus hineingeboren wird.
Es geht weder um Neid noch um ideologische Beschränktheit: Es geht um die nüchterne sozialökonomische Feststellung, dass ein Verteilungsproblem gelöst werden muss. Es geht weiterhin um die nüchterne Feststellung, dass Freiheit ohne gleiche Bedingungen und ohne Solidarität nicht funktioniert. Es kann nicht sein, dass sich eine Luxusklasse (fast) alles leisten kann, während die Mehrheit der Bevölkerung an der Reichtumsbildung (Arbeit) nicht oder nur unzureichend beteiligt wird. Es kann nicht angehen, dass die öffentliche Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Altervorsorge, Verkehr, Energie, Ver- und Entsorgung) immer fragwürdiger wird und sich einige wenige auf ihre vergoldeten Inseln retten, ohne für das Gold Rechenschaft ablegen zu müssen. Noch ist die Bundesrepublik trotz Schröder, Fischer, Merkel, Münte, Steinmeier und co auf den Sozialstaat verpflichtet.

Mit besten Grüßen

Fritz Schmalzbauer