Portrait von Fritz Schmalzbauer
Fritz Schmalzbauer
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Fritz Schmalzbauer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Renate W. •

Frage an Fritz Schmalzbauer von Renate W. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Lieber Herr Schmalzbauer,

gerade hatte ich meine letzte Frage abgeschickt, da fiel mir ein, daß ich Sie noch etwas fragen wollte.

Sie schreiben auf Ihrer Homepage, Sie seien international engagiert und hätten schon mal in Frankreich gelebt. Die Franzosen haben Gottseidank 2005 in einem Referendum die Europäische Verfassung abgelehnt. Heute heißt die Europäische Verfassung "Vertrag von Lissabon" (zu 95% identischer Text), und Sarkozy hat durchgesetzt, daß die Franzosen über denselben Text nicht noch einmal ein Referendum abhalten dürfen. Die Linke hat die Europäische Verfassung zum Glück im Bundestag abgelehnt (leider als einzige Partei), und die Iren haben auch dagegen gestimmt. Die Bevölkerung in Deutschland darf ja leider nicht abstimmen, weil daß unsere Regierung nicht möchte. Hält die Regierung uns nicht für fähig, über diese wichtige Sache abzustimmen?

Sehen Sie Chancen, daß dieser schlimme Vertrag tatsächlich noch endgültig abgelehnt wird? Was tut Die Linke insgesamt, und was tun Sie persönlich gegen die EU-Verfassung und für eine bessere EU? Bleibt Die Linke bei ihrer Forderung, daß Europa demokratischer, friedlicher und sozialer werden muß?

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Renate Weinzierl

Portrait von Fritz Schmalzbauer
Antwort von
DIE LINKE

Liebe Frau Weinzierl,

es freut mich, dass Sie meine homepage konsultieren. Nachdem der europäische Verfassungstext von den Franzosen und Holländern in der Tat abgelehnt wurde, hatte Sarkozy die grandiose Idee, einen neuen, "verkürzten" Text vorzulegen und eine Reihe von Angelegenheiten nicht mehr im eigentlichen Text unterzubringen, sondern als Anlagen mit zu verabschieden. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob ein europäischer Vertrag seine Mitglieder einseitig auf "marktwirtschaftliche" Prinzipien verpflichten kann - die Folgen sind legitimierte Privatisierungen, weil auch der öffentliche Bereich mit wenigen Ausnahmen in die wirtschaftliche Konkurrenz gezwungen wird. Dramatisch wird das bei Schlüsselbereichen wie Energie, Wasser, Transport und vor allem Bildung. Ziel der Neufassung, die man vorsichtshalber nicht mehr als "Verfassung", sondern als Vertrag bezeichnete - ich leugne nicht, dass in beiden Fällen auch sozialpolitisch richtige Positionen beschrieben werden - bestand darin, seine Ratifikation den Völkern zu entziehen. Die Iren hatten einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Vertragsexperten stehen vor einem Scherbenhaufen, weil der Nizza-Vertrag natürlich keinen Fortschritt darstellt.
Was wird passieren? Ein erneuter Versuch "Iren stimmen zweimal ab, weil sie es das erste Mal nicht begriffen haben" wird es wohl nicht geben. Es ist anzunehmen, dass Fragmente zur Funktionsfähigkeit der europäischen Gemeinschaft Vertragsgrundlage werden. Die Engländer halten von den Grundrechten und ihrer Einklagbarkeit ohnedies nichts. Die Merkel-Regierung weiß, dass sie in einem Referendum ein Plebiszit gegen die Bundesregierung provozieren würde und denkt nicht im Traum daran, eine entsprechende Grundgesetzänderung (Volksabstimmung) vorzunehmen.
Fazit: Europa bleibt so bürgerfern wie es war. Einziger Lichtblick: Wenn die Talfahrt der CSU anhält, wird sie keine EU-Abgeordneten mehr stellen können, weil sie bundesweit 5% braucht.
Die Linke wird weiterhin auf einer fortschrittlichen europäischen Verfassung bestehen, auf die sich die Völker, aber auch einzelne betroffene Bürger berufen können. Sie muss in Richtung Parlamentarisierung und daher Demokratisierung entwickelt werden, um die Brüsseler Kommission als Hort aller Lobbyisten einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen.

Mit besten Grüßen

Fritz Schmalzbauer