Frage an Fritz Kuhn von F S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Kuhn,
Ich haette gern gewusst, inwieweit sie der Meinung sind, dass das Rechtsempfinden der Bevoelkerung mit dem derzeitigen Arbeitsrecht in Bezug auf eine fristlose Verdachtskuendigung im Einklang steht.
Ich beziehe mich dabei auf den Pfandbon bzw. Emmely-Fall.
Waere es nicht moeglich, dass Kuendigungsrecht so zu aendern, dass im Falle eines geringen Vergehens nur eine Abmahnung moeglich waere?
Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau bzw. Herr Schubert,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich stimme Ihnen zu, dass es unangemessen sein kann, einer langjährig beanstandungsfrei beschäftigten Kassiererin wegen einer geringwertigen Verfehlung wie der Verwendung von zwei Pfandbons zu kündigen. Der Arbeitgeber hätte auch im eigenen Interesse gut daran getan, es bei einer Abmahnung oder Änderungskündigung zu belassen. Die Folgen einer fristlosen Kündigung sind gravierend und stehen bisweilen in keinem angemessenen Verhältnis zu der begangenen Tat. Nach geltendem Recht wäre ein anderes Vorgehen des Arbeitgebers ohne weiteres möglich gewesen.
Grundsätzlich kann der Gesetzgeber nicht die Vielzahl denkbarer Fälle von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einzeln per Gesetz regeln. Er muss einen Rahmen vorgeben und in diesem Rahmen müssen die unabhängigen Gerichte den konkreten Einzelfall beurteilen. So gibt das Arbeitsrecht auch in diesem konkreten Fall einen breiten Spielraum: sowohl eine Abmahnung als auch eine fristlose Kündigung sind zulässig. Spricht der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aus, dann können die zuständigen Gerichte bei der Beurteilung der Kündigung andererseits immer noch die Interessen des Arbeitnehmers für gewichtiger ansehen. Für die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung kommt es dabei nicht auf den Wert an, der unterschlagen wurde, sondern lediglich auf die Unterschlagung an sich und in welchem Maße damit das Vertrauensverhältnis zerstört wurde. Für die Rechtmäßigkeit der Kündigung spielt es also keine Rolle, dass die Leergutbons nur einen Betrag von 1,30EUR hatten.
Im Berliner Fall hat das Gericht den Vertrauensschutz für höher eingestuft. Uns steht es nicht zu, das Urteil des Gerichts zu kritisieren.
Mit freundlichen Grüssen
Fritz Kuhn