Frage an Fritz Kuhn von Konrad H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag Herr Kuhn,
wie ist Ihre Meinung zu einer Verlängerung des Einsatzes von Bundeswehrfreiwilligen in Afghanistan?
Was sagen sie zur Entlohnung eines vollbeschäftigten Zeitarbeiters - Leiharbeiters - der für die gearbeitete Stunde ca. ganze sieben Euro erhält?
Auf die zwei Antworten bin ich schon jetzt gespannt!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Sehr geehrter Herr Hagendorn,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Ich bin überzeugt, dass Afghanistan nur dann eine Chance hat, ein dauerhaft funktionsfähiger Staat zu werden, der seinen Menschen Freiheit und Sicherheit ermöglichen kann, wenn die Staatengemeinschaft das Engagement in Afghanistan im Rahmen des UN-Mandats für die International Security Assistance Force (ISAF) aufrecht erhält. Entwicklung und Sicherheit gemeinsam zu gewährleisten, das ist der Kerngedanke dieses Mandats und wir Grüne haben ein militärisch abgesichertes, aber auf politische Stabilisierung und zivile Entwicklung ausgerichtetes Vorgehen von Anfang an unterstützt.
Das aggressive militärische Vorgehen im Rahmen der von den Vereinigten Staaten geführten Operation Enduring Freedom (OEF) ist hingegen absolut kontraproduktiv. Ich habe Zweifel, ob die Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht der USA weiterhin als rechtliche Grundlage dafür dienen kann, in souveränen Staaten wie Afghanistan oder Pakistan einen Anti-Terrorkrieg zu führen. Hinzu kommt, dass das Nebeneinander von zwei Missionen im gleichen Einsatzraum unverantwortbar ist. Deshalb fordert meine Fraktion seit geraumer Zeit eine Beendigung von OEF insgesamt und wir sind gegen eine Beteiligung Deutschlands an dieser Mission. Das unverhältnismäßige militärische Vorgehen, bei dem immer wieder Zivilisten ums Leben kommen, gefährdet den gesamten Aufbauprozess in Afghanistan. Der notwendige Strategiewechsel ist bisher leider nicht erfolgt. Stattdessen hat die Bundesregierung in der jüngst vorgelegten Fortschreibung ihres Afghanistan-Konzepts ein weiteres Blanko-Bekenntnis zur Terrorbekämpfung unter OEF abgegeben und nicht dargelegt, inwieweit sie auf einen militärischen Strategie- und Kurswechsel von ISAF einwirken will.
Ich bin wie Sie über das Lohndumping in der Zeitarbeitsbranche besorgt. Die Haus- und Flächentarifverträge, die der Christliche Gewerkschaftsbund mit der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen (BVD) und einzelnen Zeitarbeitsfirmen abgeschlossen hat, haben mit Stundenlöhnen von unter 5 Euro pro Stunde für ein unverantwortliches Lohndumping in der Zeitarbeit gesorgt und die Tarifabschlüsse des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) unterlaufen und unter massiven Druck gesetzt. Schon allein deshalb dürfen die Tarifabschlüsse des Christlichen Gewerkschaftsbundes nicht zum Maßstab für die Festsetzung von Mindestentgelten in der Zeitarbeit werden. Dies wäre überdies problematisch, weil die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) angesichts mangelnder Mitglieder und mangelnder Sozialmächtigkeit ernsthaft bezweifelt wird und der gerichtlichen Klärung harrt. Vorschläge der Fraktion der CDU/CSU, Mindestentgelte unter Bezugnahme auch auf die Tarifverträge der christlichen Gewerkschaften im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festzuschreiben, sind deshalb abzulehnen.
Um diese unerwünschten Entwicklungen zu stoppen, ist es erforderlich, dem Gleichbehandlungsgrundsatz uneingeschränkt Geltung zu verschaffen. Neben der Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes sollen zusätzlich mit Prämien für die Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer deren erhöhtes Arbeitsmarktrisiko und ihre erhöhte Flexibilität kompensiert werden. Durch Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz muss zudem ein Mindestlohn für entleihfreie Zeiten auf Grundlage des Tarifvertrags zwischen DGB und BZA sowie iGZ festgeschrieben werden. Die Tarifpartner in der Zeitarbeitsbranche müssen außerdem die Empfehlungen der Expertenkommission Finanzierung Lebenslanges Lernen von 2004 umsetzen und einen Branchenfonds zur Finanzierung von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen während entleihfreier Zeiten einrichten.
Über die Zeitarbeitsbranche hinaus wollen wir mit dem Grünen Progressiv-Modell Entlastungen für alle Geringverdiener schaffen. Das Modell sieht vor, dass erst ab einem Bruttoeinkommen oberhalb von ca. 2.000 Euro die volle Last der Sozialversicherungsabgaben anfallen. Für alle Einkommen bis ca. 2.000 Euro sollen die Beitragssätze dagegen langsam und stufenlos ansteigen. Bei einem Bruttoeinkommen von 1.000 Euro sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach unseren Vorstellungen so zum Beispiel nur je 14 Prozent Beiträge, zusammen also 28 Prozent entrichten. So steigen die Nettoeinkommen der Geringverdiener. Gleichzeitig werden die Betriebe entlastet. Im Handwerk, bei Dienstleistungen und in vielen anderen Bereichen können so neue Arbeitsplätze entstehen. Schwarzarbeit wird weniger attraktiv und kann zurückgedrängt werden.
Mit diesen Vorschlägen wollen ich und meine Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen fairere Bedingungen für gute Arbeit in unserem Land schaffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Fritz Kuhn