Frage an Fritz Kuhn von Gabriele Elisabeth Prof. Dr. P. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Kuhn,
sicher haben Sie bereits von den absurden Konsequenzen der Weiterverkäufe von Grundschulden gehört, die beinhalten, dass trotz regelmässiger Ratenzahlung der neue Forderungs-Besitzer vom Hausbesitzer die gesamte Grundschuld plus 18% Zinsen rückwirkend für drei Jahre verlangen und zur sofortigen Zwangsvollstreckung übergehen kann. Dies wurde durch eine Gesetzesänderung 2002 ff. ermöglicht, die Konsequenzen wurden auch von Ihrer Partei offensichtlich übersehen oder gar billigend in Kauf genommen. Was haben Sie unternommen, um diesem unhaltbaren Zustand ein rasches Ende zu bereiten? Millionen von Häuslebauern bzw. -besitzern sind vollkommen verunsichert. In Heidelberg ein einigermassen bezahlbares Haus in Campusnähe zu finden war schwer genug (habe 10 Jahre gesucht), ich bin "nur" Biologin und kein Chefarzt. In dem Haus habe ich durch erhebliche Investitionen auch Wohnraum für vier Studierende geschaffen, und nun kann das alles verloren gehen? Vielen Dank für eine zeitnahe Antwort!!!
Sehr geehrte Frau Professor Dr. Pollerberg,
glauben Sie mir, ich weiß, wie schwierig es ist, in Heidelberg eine geeignete Wohnung zu ergattern. Ihre Sorgen sind berechtigt. Meine Fraktion und ich sind der Meinung, dass gesichert sein muss, dass bei einem Verkauf von Krediten die neuen Inhaber keine Missbrauchsmöglichkeiten haben. Hier hat sich in den letzten Jahren die wirtschaftliche Realität in Deutschland massiv verändert. Am Markt sind Finanzinvestoren aufgetreten, für die eine Grundschuld nicht die Sicherheit für die Kreditgewährung darstellt, sondern ein Anlageprodukt, aus dem so viel wie möglich herausgeholt wird. Auf ein solches Geschäftsgebaren bietet die geltende Rechtsordnung keine angemessene Antwort. Viel zu oft werden Menschen in die Zwangsvollstreckung getrieben - teilweise wohl auch dann, wenn sie ihren Kredit stets ordnungsgemäß bedient haben.
Die Tatsache, dass die Grundschuld ursprünglich bewusst als Gegenstück zur Hypothek umlauffähiger ausgestaltet wurde, darf meines Erachtens heute kein Hinderungsgrund sein, wenn es um den Schutz der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer geht. Daher hat meine Fraktion 13. Juni 2007 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der eine Veränderung der Gesetzeslage vorschlägt. Die starke Grundschuldbesicherung in den Händen von Investoren, die an kurzfristiger Rendite orientiert sind, muss beschränkt werden. Die Einräumung einer Grundschuld in Verbindung mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist ein Rechtsgeschäft, das von derart persönlichem Vertrauen gekennzeichnet ist, dass es nicht einseitig durch die berechtigte Bank veräußerbar sein kann. Daneben sind auch Fragen des Datenschutzes und Informationspflichten gegenüber den Kreditnehmern und vor allem der Schutz der Betroffenen in der Zwangsvollstreckung neu zu regeln.
Dieser Antrag, aber auch ein nicht-öffentliches Fachgespräch im Finanzausschuss, das auf Anregung meiner Fraktion hin statt fand, haben dazu beigetragen, den politischen Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Deshalb wollen die Koalitionsfraktionen inzwischen in einem sogenannten Risikobegrenzungsgesetz auf die Problematik reagieren. Meine Fraktion wird sich im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens dafür einsetzen, dass Betroffene frühzeitig informiert sind, dass die Missbrauchsmöglichkeiten verhindert werden und der Schutz der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer deutlich verbessert wird. Dazu gehört für uns eine klare Definition, welche Kredite als notleidend zu betrachten sind. Für nicht notleidende Kredite soll der Verkauf an die Zustimmung des Kreditnehmenden gebunden sein. Für notleidende Kredite wollen wir durch einen obligatorischen Sanierungsversuch Zwangsvollstreckungen wieder auf das beschränken, was sie früher waren - das letztmögliche Mittel zum Eintreiben von Schulden, wenn Kredite nicht mehr bedient wurden. So wollen wir vermeiden, dass Menschen aufgrund verantwortungslosen Profitstrebens anderer in die Überschuldung getrieben werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Fritz Kuhn