Frage an Fritz Kuhn von Elisabeth M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Fritz Kuhn!
Sie wollen nun OB in Stuttgart werden und müssen deshalb Stellung zu Stuttgart 21 beziehen.
Dazu sagen Sie in der Badischen Zeitung:
„Aber klar ist auch: Der Volksentscheid gilt. Ich kann und will nicht dahinter zurückfallen. Ich war immer gegen S 21 .. Aber jetzt hat die Mehrheit entschieden. Also: Mit mir gibt es eine kritisch-konstruktive Begleitung des Projekts.“
http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/die-stadt-braucht-positive-visionen--56522471.html
Dass „der Volksentscheid gilt“, wird zwar ständig wiederholt, klar ist das aber überhaupt nicht.
Sie wissen, dass das Referendum gescheitert ist. Die Landeswahlleiterin schreibt:
„Gegenstand der Volksabstimmung war ausschließlich das S 21- Kündigungsgesetz [mit dem Inhalt, dass die Landesregierung verpflichtet wird, Kündigungsrechte zur Auflösung der vertraglichen Vereinbarungen mit Finanzierungspflichten des Landes bezüglich des Bahnprojekts Stuttgart 21 auszuüben (Ja = dafür, Nein = dagegen)]. Anderslautende Medienberichte beruhen auf der Pressefreiheit und sind rechtlich irrelevant. Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben.“
Ich stehe also vor dem Rätsel, wie aus einer unveränderten Rechtslage etwas Neues, Geltendes, Gültiges entstehen kann, hinter das Sie „nicht zurückfallen“ wollen und können.
Erklären Sie mir bitte:
Wer hat beschlossen, dass „der Volksentscheid gilt“?
Was war die Fragestellung und das Ergebnis dieses "geltenden" Volksentscheids?
Zusatzfrage: Praktisch die ganze grüne Partei hat nach dem 27.11.11 eine Kehrtwende zur „kritisch-konstruktiven Begleitung“ des Projekts S 21 vollzogen. Das hat zur Folge, dass die 1,5 Millionen, die FÜR das S21-Kündigungsgesetz gestimmt haben, nicht mehr im Landtag repräsentiert sind. Wie bewerten Sie diesen Sachverhalt?
Mit der Bitte um eine rasche und fundierte Stellungnahme
Elisabeth Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
ich kann Ihre Frage gerne aufklären. Zu schwarz-gelben Regierungszeiten in Stuttgart wurden rechtsgültige Verträge zum Bau von Stuttgart 21 geschlossen, auch mit Unterstützung der SPD. Die Bahn hat mit diesen Verträgen das Baurecht für Stuttgart 21. Bündnis 90/Die Grünen waren als einzige der im Landtag vertretenen Parteien dagegen.
Nach der Landtagswahl wurde zwischen der Pro-Stuttgart21-Partei SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, einen Volksentscheid durchzuführen, ob das Land aus seiner Finanzierung von Stuttgart 21 noch aussteigen soll. Wir haben das wie sie wissen, so gewollt, die anderen Parteien nicht.
Zu meinem Bedauern ist dieses Vorhaben gescheitert und wir sind im alten Zustand des Baurechts der Bahn. Die Aussage „Der Volksentscheid gilt“ meint also nur, dass der Ausstieg des Landes nicht gelungen ist.
Daraus ergibt sich kein Freibrief für die Bahn. Und das heißt kritische Begleitung: Bei der Kostenfrage, beim Grundwassermanagement und bei der Fragestellung Stuttgart21 plus.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Kuhn