Frage an Fritz Kuhn von Klaus F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Kuhn :
Mit dem Lissabon-Vertrag wird die Todesstrafe in Europa eingeführt. Das berichtet Prof. Schachtschneider in seinem Interview im Focus-Money vom 19. Aug. 09 Nr. 35 auf S. 78 . -
Was werden Sie dagegen tun?
Viele Grüße Klaus Friebe
Sehr geehrter Herr Friebe,
1. Ich bin eine entschiedener Gegner der Todesstrafe und das ausnahmslos.
2. Ich teile die Einschätzung von Prof. Schachtschneider ausdrücklich nicht, dass durch die Verankerung der Grundrechtscharta und den Verweis auf die Europäische Menschrechtskonvention (EMRK), die Todesstrafe wieder eingeführt würde. Dem liegt ein fehlerhaftes Verständnis der Funktion von Grundrechten zu Grunde. Bereits die EMRK verbietet die Todesstrafe, enthält aber die - von Herrn Schachtschneider kritisierte (dazu auch 3.) - Ausnahme für Kriegsfälle. Auch die Regelung der EMRK ist bereits für Deutschland verbindlich, hat aber nicht dazu geführt, dass hier wieder die Todesstrafe gelten würde. Aus der EMRK folgt eben nicht, dass wir in Deutschland im Kriegsfalle die Todesstrafe verfügen müssten, wie auch Herr Prof. Schachtschneider wissen müsste. Dem steht zweierlei entgegen: Zum einen bedürfte es eines Gesetzes und zum anderen kann ein solches Gesetz vom Deutschen Bundestag wegen des Verbotes der Todesstrafe im Grundgesetz nicht erlassen werden.
Das Grundgesetz gilt zwar nicht in allen seinen Einzelheiten für das Handeln der EU. Dennoch verfügt auch die Europäische Union über keine Kompetenz, um die Todesstrafe selbst vorzusehen oder die Mitgliedstaaten zu zwingen, eine solche zu verhängen. Die Kompetenzen der Europäischen Union auf dem Gebiet des Strafrechtes bleiben gerade auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes sehr beschränkt. Zu einer europäischen Regelung, die die Todesstrafe vorgibt, wird es daher nicht kommen. Der Einsatz der Bundeswehr - auch insoweit verweise ich auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil - hängt weiter an der Zustimmung des Deutschen Bundestages. Einem Einsatz bei dem die Bundeswehr berechtigt wäre, die Todesstrafe zu verhängen (ohnehin eine absurde Vorstellung), könnte der Bundestag selbstverständlich nicht zustimmen. Die Befürchtungen von Prof. Schachtschneider sind daher völlig unbegründet. Hierfür kann aus meiner Sicht auch als Indiz gelten, dass das Bundesverfassungsgericht - in seiner ansonsten sehr ausführlichen Entscheidung - noch nicht einmal mit einem Wort auf seine Ausführungen eingegangen ist. Die Argumentation war zu abwegig.
3. Insgesamt weise ich darauf hin, dass es ein Fortschritt ist, wenn die Todesstrafe international zunehmend - wie z.B. durch die EMRK - geächtet wird. Solche internationalen Rechtsfortschritte müssen aus meiner Sicht gerade Gegner der Todesstrafe unterstützen. Dass wir beim Schutz auf internationaler Ebene punktuell hinter den Regeln des Grundgesetzes zurückbleiben, darf kein Grund sein, nicht zumindest diesem internationalen Mindestschutz zu verankern. Natürlich aber ist ebenso richtig, auch für das internationale Recht mehr zu fordern.
Mit freundlichem Gruß
Fritz Kuhn