Frage an Fritz Güntzler von Rafael Maria R. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Güntzler,
ich begrüße grundsätzlich das Vorhaben, eine Änderung des Telemediengesetzes anzustreben bzw. die Anwendung der Störerhaftung bei WLAN-Netzen neu zu regeln. Eine neue Regelung darf jedoch nicht dazu führen, dass die WLAN-Nutzung für die Kunden in der Praxis noch komplizierter wird als bisher. Auch für die Anbieter sollten sich durch eine Neuregelung nicht neue Hürden bei der Bereitstellung von Zugang zu Funknetzwerken ergeben und die Verbreitung von freien WLANs in Deutschland behindert werden. Ein flächendeckender barrierefreier Zugang über WLAN ins Internet stellt eine wesentliche Infrastruktur im Informationszeitalter dar. Flächendeckend kann dies nur dezentral durch eine Vereinfachung der Regelungen und vor allem durch Rechtssicherheit gelingen, bietet dann aber die Möglichkeit ohne/mit kaum staatlichen Investitionen die virtuelle Infrastruktur in Deutschland den neuen internationalen Standards anzupassen, die das Informationszeitalter mit sich bringen.
Obwohl allerdings im Entwurf des neuen TMG in § 8 Abs. 3 TMG-RefE klargestellt wird, dass WLAN-Anbieter von der Privilegierung im TMG profitieren sollen, beseitigt der Entwurf vom 11.3.2015 weder die Rechtsunsicherheit, noch schafft er die dringend notwendigen Voraussetzungen für die gewünschte Verbreitung von öffentlich zugänglichem WLAN für die deutsche Gesamtgesellschaft.
Welche Position nehmen Sie angesichts der sechs Kritik-Punkte des Fördervereins Freie Netzwerke ( http://freifunkstattangst.de/files/2015/03/Stellungnahme_tmg_stoererhaftung_12315.pdf ) am geplanten Entwurf des TMG ein, bei denen es nicht nur um eine Belastung und Erschwerung des Anbietens eines W-LANs durch diesen Entwurf geht, sondern auch um neu entstehende Datenschutzprobleme und -unsicherheiten, sowie die Unverträglichkeit mit Art. 12 der EU E-Commerce-Richtlinie geht?
Mit freundlichen Grüßen
Rafael Maria Raschkowski
Sehr geehrter Herr Raschkowski,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Telemediengesetz/WLAN/Störerhaftung und damit verbundene Interesse an meiner parlamentarischen Arbeit und den Positionen der CDU/CSU-Fraktion.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist zu diesem Thema Folgendes vereinbart worden: „Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären.“
Die Digitale Agenda der Bundesregierung vom September 2014 sieht in diesem Zusammenhang vor: „Wir werden die Verbreitung und Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN verbessern. Dabei werden wir darauf achten, dass die IT-Sicherheit gewahrt bleibt und keine neuen Einfallstore für anonyme Kriminalität entstehen. Daher werden wir Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANS im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften.“
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Gesetzentwurf (2. Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes) vorgelegt, der das Ziel hat, die Haftung von WLAN-Betreibern für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer zu präzisieren. Hierzu wird zum einen klargestellt, dass WLAN-Betreiber Zugangsanbieter (im Sinne des § 8 TMG) sind. Zum anderen wird klargestellt, dass für WLAN-Betreiber auch eine Haftung als sogenannter Störer nicht in Betracht kommt, wenn sie bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllt haben:
WLAN-Betreiber sind Zugangsanbieter: Bislang bestand Rechtsunsicherheit, ob sich die Betreiber von WLAN-Netzen auf das Haftungsprivileg nach § 8 TMG berufen können. Dies stellt ein neu eingefügter Absatz 3 klar. Danach sind Diensteanbieter, die einen Zugang zur Nutzung ihres drahtlosen lokalen Netzwerks vermitteln, Zugangsanbieter im Sinne des § 8 TMG. Für sie gelten demzufolge die Bestimmungen des § 8 TMG. WLAN-Betreiber erhalten so Rechtssicherheit, dass sie für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer, Kunden etc. weder zum Schadensersatz verpflichtet noch strafrechtlich verantwortlich sind.
Voraussetzungen für die Befreiung von der Störerhaftung: Durch § 8 Absatz 3 TMG wird der Betreiber eines drahtlosen lokalen Netzwerks aber nicht zugleich von seiner Haftung als sog. Störer befreit. Haftpflichtiger Störer kann nach der Rechtsprechung jeder sein, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt, sofern er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat. Diese Haftung ist auf Unterlassung, nicht aber auf Schadensersatz gerichtet (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2010, Az. I ZR 121/08 – „Sommer unseres Lebens“, abgedruckt in BGHZ 185, 330). In diesem Sinne kodifiziert § 8 Absatz 4 Satz 1 TMG, dass alle Diensteanbieter, unabhängig davon, ob sie ihr WLAN zu kommerziellen Zwecken, im privaten Umfeld oder als öffentliche Einrichtung zur Verfügung stellen, grundsätzlich dann nicht als Störer in Anspruch genommen werden können, wenn sie die ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern.
Die Frage, welche Pflichten in diesem Zusammenhang für die Betreiber von WLAN-Zugängen zumutbar sind, hat die Gerichte vielfach, mehrfach auch den BGH, beschäftigt. Obwohl die Gerichte dadurch bestimmte Fallgruppen herausgearbeitet und die Haftung zum Teil deutlich eingeschränkt haben, wurde eine ausreichende Rechtssicherheit noch nicht erreicht. Eine Fortdauer dieser Rechtsunsicherheit würde potenzielle Betreiber von Internetzugängen über WLAN wegen des Haftungsrisikos weiter davon abhalten, ihren Kunden einen solchen zur Verfügung zu stellen. Neben der Klarstellung zum Haftungsprivileg präzisiert der Gesetzentwurf daher in § 8 Absatz 4 Satz 2 auch die Voraussetzungen, unter denen bei diesen Zugangsanbietern davon ausgegangen werden kann, dass sie ihre zumutbaren Pflichten erfüllt haben, um eine missbräuchliche Nutzung des Internetzugangs zu verhindern.
Die bisherigen, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze werden dabei im Sinne von Regelbeispielen aufgegriffen und fortentwickelt, um möglichst weitgehend Rechtssicherheit zu schaffen. Dabei sollen die von der Rechtsprechung für private WLAN-Anschlussinhaber entwickelten Grundsätze gleichermaßen für alle anderen Betreiber von WLAN gelten. Dies schließt nicht aus, dass auch andere zumutbare Maßnahmen ergriffen werden können, wodurch nicht zuletzt die dauerhafte Anwendbarkeit der Vorschrift im fortschreitenden technologischen Veränderungsprozess sichergestellt wird.
Im Einzelnen kann davon ausgegangen werden, dass WLAN-Betreiber die ihnen zumutbaren Pflichten erfüllt haben, wenn sie:
a. angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk getroffen haben.
Erste Voraussetzung für eine Befreiung von der Störerhaftung ist, dass der WLAN-Betreiber sein Netzwerk in angemessener Form technisch gegen den Zugriff durch Unberechtigte sichert. Einem Diensteanbieter, der mit dem WLAN einen Zugang zum Internet eröffnet, ist dies zumutbar, da er andernfalls eine potentielle Gefahrenquelle zur Begehung rechtswidriger Taten schafft. Insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Cyberkriminalität entspricht dies auch dem eigenen Interesse des Betreibers. Denn so wird gewährleistet, dass seine Daten und die der Nutzer des WLAN so weit wie möglich gegen den Zugriff durch Unbefugte gesichert werden. Die jeweils angemessene Sicherungsmaßnahme kann im Sinne der gebotenen Technologieneutralität der Betreiber selbst bestimmen. Hierfür kommt insbesondere die Verschlüsselung des Routers in Betracht, die vielfach bereits vom Hersteller vorgesehen ist, wie gegenwärtig in Form des WPA2-Standards. Möglich wäre aber auch eine freiwillige Registrierung der Nutzer.
b. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.
Dem Diensteanbieter ist es außerdem zuzumuten sicherzustellen, dass der Nutzer nur dann Zugang zum Internet erhält, wenn er in die Bedingung eingewilligt hat, hierüber keine rechtswidrigen Handlungen zu begehen. Dies kann bei der Überlassung eines WLAN–Zugangs durch Nutzungsbedingungen erfolgen, denen der Nutzer vor Öffnung der WLAN-Verbindung, möglichst durch Setzen eines Häkchens, ausdrücklich zustimmen muss. Das Gesetz macht hier jedoch keine Vorgaben, so dass z.B. die Einwilligung auch durch Zustimmung zu veröffentlichten AGB, aus denen sich die Nutzungsbedingungen ergeben, erfolgen kann. In der Regel wird der Diensteanbieter dem Nutzer den Internetzugang durch Mitteilung eines Passwortes zur Nutzung überlassen. Dieses kann beispielsweise auf der Eintritts- oder Speisekarte veröffentlicht oder dem Nutzer auf anderem Wege mitgeteilt werden. Möglich ist auch die Einrichtung einer Vorschaltseite, auf der lediglich die Nutzungsbedingungen – mit einem Klick – akzeptiert werden können.
Gleichwohl ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen und wir sind offen für Verbesserungsvorschläge. Aufgrund europäischer Vorschriften ist vor einer Kabinettsbefassung eine Notifizierung des Gesetzentwurfs bei der Europäischen Kommission erforderlich, so dass mit einem Kabinettsbeschluss nicht vor September dieses Jahres gerechnet werden kann. Im anschließenden parlamentarischen Verfahren werden wir den Gesetzentwurf intensiv beraten und im Ausschuss für Wirtschaft und Energie u.a. auch eine Sachverständigenanhörung mit Experten durchführen. Dann wird sich zeigen, wie gehaltvoll der vorliegende Gesetzentwurf ist. Sie können davon ausgehen, dass wir ein offenes Ohr für sinnvolle Verbesserungsvorschläge haben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Güntzler MdB