Frage an Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf von Renate S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Graefe zu Baringdorf,
in einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau vom 29. 9. 2006 schrieben Sie:
"Aber die gegenwärtigen landwirtschaftlichen Praktiken beim Anbau von Mais, Getreide, Zuckerrohr, Palmöl und Soja für die Herstellung von Treibstoffen basieren vollständig auf Mineralöl. Mathematische Modelle und Studien, die dem Anbau von pflanzlichen Treibstoffen positive Energiebilanzen bescheinigen, haben in der Regel weder den Transport der Energieträger noch Belastungen der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit oder die Risiken für die Ernährungssicherung einkalkuliert..."
In der Frankfurter Rundschau vom 2. 10. 07 stand, dass sich nach neuen Berechnungen des Mainzer Nobelpreisträgers Paul Crutzen je nach Anbauverfahren eine negative Ökobilanz ergibt: Aus Stickstoff-Dünger entsteht schädliches Lachgas. Ferner wurde in dem Beitrag darauf hingewiesen, dass bisher eine Gesamtbetrachtung aller positiven und negativen Faktoren fehlt.
Dieser Beitrag unterstützt Ihre Auffassung, dass Parameter ungleich berücksichtigt werden.
Gibt es genauere Modelle, die alle Faktoren einbeziehen?
Falls ja, wo kann man diese Informationen nachlesen?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Scheer
Sehr geehrte Frau Scheer,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Tatsächlich ist die Datenlage, was eine umfassende Bewertung der komplexen Umweltwirkungen von Pflanzenkraftstoffen betrifft, zur Zeit noch nicht zufriedenstellend. Es gibt viele Studien, die belegen sollen, dass Pflanzentreibstoffe eine gute Lösung für die Klimaprobleme seien. Diese Studien, wie im von Ihnen genannten Artikel beschrieben, berücksichtigen aber eben allzu häufig einige wichtige Punkte nicht, wie zum Beispiel die von Herrn Crutzen beschriebene Freisetzung von Lachgas (siehe http://www.atmos-chem-phys-discuss.net/7/11191/2007/acpd-7-11191-2007.pdf ) oder den Energieaufwand für Düngemittel, Pestizide, Maschinen und die Transportwege, die diese Agro-Treibstoffe zurücklegen, bis sie beim Endnutzer ankommen. Im Artikel http://www.biofuelwatch.org.uk/biofuels_and_climate_change.pdf zum Beispiel wird davon ausgegangen, dass durch die Verwendung von Bioethanol aus Mais maximal 13% klimaschädliche Gase gegenüber Mineralöl eingespart werden können, wenn man den Energieaufwand für Maisanbau und Herstellung des Bioethanols einberechnet. Diese Einsparungen werden jedoch oft wieder aufgewogen, wenn für den Anbau von Pflanzenkraftstoffen - was zur Zeit in vor allem in Entwicklungsländern passiert - Flächen, die bisher Wald, Sumpf oder Weide waren, in Acker umgewandelt werden. Durch diese Nutzungs-Umwidmungen werden Kohlenstoff-Senken zerstört, CO2 wird freigesetzt.
Über die Energie- und Klimabilanz hinaus weise ich vor allem auf die Problematik der Wasserknappheit und der Konkurrenz um ackerfähige Flächen mit der Lebensmittelproduktion hin, die durch die Förderung des Anbaus und der Verwendung von Biokraftsstoffen verschärft werden kann.
Die drohende Knappheit auf den Lebensmittelmärkten wurde in der Vergangenheit unter anderem von der OECD beschrieben in der Studie: Biofuels- is the cure worse than the disease? ( http://www.foeeurope.org/publications/2007/OECD_Biofuels_Cure_Worse_Than_Disease_Sept07.pdf ), in der auf das begrenzte Vorhandensein von ackerfähigem Land hingewiesen wird.
Auf der Weltwasserwoche in Stockholm warnten Experten vor möglichen Wasserverknappungen durch die Produktion von Pflanzenbrennstoffen, siehe: http://www.tagesspiegel.de/politik/international/Umwelt-Wasser;art123,2356312 . Siehe auch: http://www.iwmi.cgiar.org/EWMA/files/papers/Biofuels%20-%20Charlotte.pdf .
Ein interessanter Artikel über die Thematik wurde auch auf deutsch von der taz veröffentlicht, der Autor ist Eric Holt-Gimenez, Direktor eines unabhängigen Instituts, dass sich mit Ernährungssicherheit und Entwicklungspolitik beschäftigt, siehe: http://www.taz.de/digitaz/2007/06/08.1/mondeText.artikel,a0043.idx,14 .
Ich hoffe, Ihnen mit diesem kleinen Überblick weiter geholfen zu haben, bei weiteren Fragen wenden Sie Sich bitte gern an mein Büro in Brüssel.
Mit freundlichen Grüssen
Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf
Mitglied des Europäischen Parlaments