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Friedrich Straetmanns
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Frage von Jan S. •

Wie stehen Sie zur aktuellen geopolitischen Strategie der Bundesregierung?

Wären Sie geneigt, auch weiterhin im Rahmen der EU Druck auf Staaten auszuüben, die die Gewaltenteilung mittelfristig beschädigt haben (da Sie zB Entscheidungen Ihrer Verfassungsgerichte nicht anerkennen oder Minderheiten gezielt diskriminieren)? Ich denke dabei etwa an Polen und Ungarn. Wie stehen Sie zur Rolle des Bundes als simultaner bilateraler Verhandlungspartner mit den USA und Russland/China? Über eine Antwort wäre ich dankbar und wünsche weiterhin eine schöne Woche.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre beiden Fragen.

DIE LINKE hat sich seit weit über 10 Jahren dafür eingesetzt, dass in der EU und im Europarat entsprechende Konsequenzen auf die Erosion von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und anderen Staaten gezogen werden. Im Falle Ungarns wurden entsprechende Schritte maßgeblich von der CDU/CSU verhindert. Die herrschende deutsche Politik war stets bereit mit Orban zusammenzuarbeiten und hat nicht zuletzt für die deutsche Autoindustrie gute Bedingungen in Osteuropa ausgehandelt, und die politische Kritik an den problematischen Entwicklungen verhindert. Die konservative Parteienfamilie EVP hat es nicht geschafft Orban auszuschließen und hat auch andere rechtspopulistische Kräfte, die zur Kooperation mit Faschisten und anderen Rechtsextremen bereit sind, in ihren Reihen gehalten. Die ausbleibende Kritik an slowenischen Ministerpräsidenten Janša, der die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft inne hat, verdeutlicht, wie tief die etablierte Politik mit solchen Kräften verstrickt ist.

Die aktuellen Diskussionen über neue Sanktionskompetenzen für die EU lenken daher aus unserer Sicht von den realen Problemen der herrschenden EU-Politik ab. Wir haben uns im Bundestag als einzige Fraktion dafür eingesetzt Artikel 7 Absatz 1 des EU-Vertrages mit Mehrheitsbeschluss im Rat anzuwenden. Alle anderen Fraktionen waren dagegen. Anders als behauptet mangelt es nicht an der Einstimmigkeit, sondern am politischen Wille die vorhandene Instrumente einzusetzen und mit einer Mehrheit von vier Fünfteln der Mitglieder als ersten Schritt die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat festzustellen.

DIE LINKE wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Instrumente des Europarates und der EU eingesetzt werden um die Demokratie, Gewaltenteilung und Menschenrechte zu schützen. Dabei muss jede politische Instrumentalisierung und politische Willkür verhindert werden. Letztlich müssen aber die politischen Kräfte in den Mitgliedstaaten und in Europa die politischen Herausforderungen angehen, die zu die Stärkung der Rechten Kräfte führen, die sich in vielen weiteren Mitgliedstaaten, nicht nur in Osteuropa, zeigen. Slowenien, Österreich, Italien, Frankreich, Schweden sind nur Beispiele für die Probleme und zeigen, wie die rechte Kräfte und ihre Inhalte von den herrschenden Parteien oft nicht bekämpft, sondern kopiert und kooptiert werden. Wir setzen uns für eine soziale und demokratische Politik in der EU ein, die dem Aufstieg der Rechten den Boden entzieht.

2. Wie stehen Sie zur Rolle des Bundes als simultaner bilateraler Verhandlungspartner mit den USA und Russland/China?

DIE LINKE steht für mehr Unabhängigkeit der deutschen Außenpolitik (und der EU) und für eine Emanzipation von den USA. Die EU und Deutschland dürfen sich nicht in eine konstruierte, ökonomisch und sicherheitspolitisch für die ganze Welt gefährliche neue Blockkonfrontation zwischen den USA und China (oder Russland) hineinziehen zu lassen, die nicht im Interesse der Menschen in Europa und der Welt ist. Der unter der deutschen Ratspräsidentschaft erlangte Erfolg bei den EU-China-Gesprächen ist ein Hoffnungsschimmer. Er steht jedoch unter Druck von Kräften in den USA und der EU, die den Konflikt eskalieren und Feindbilder aufbauen wollen, die in einen neuen Kalten Krieg führen könnten. Wir setzen auf eine internationale Politik, die auf dem Völkerrecht, Kooperation und geteilter Sicherheit und sozialen und ökonomischen Fortschritt setzt, um die globalen Probleme anzugehen. Wir streben kooperative Beziehungen zu allen Staaten an: zu den USA, zu China und zu Russland. Die EU hätte seit langem direkte Gespräche mit Russland aufnehmen müssen, statt im Windschatten der USA auf Sanktionen zu setzen. Dass die US-Präsident Biden direkt mit Putin verhandeln kann, aber Mitgliedstaaten der EU einen EU-Russland-Gipfel verhindern, ist ein strategisches und politisches Armutszeugnis.

Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Straetmanns