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Friedrich Straetmanns
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Frage von Steffen T. •

Frage an Friedrich Straetmanns von Steffen T. bezüglich Bundestag

Hallo Herr Straetmanns,

können Sie sich vorstellen, dass die Linke bezüglich der angemahnten Wahlrechtsreform einem Grabenwahlsystem zustimmen könnte? Nach Lage der Dinge scheint ja das aktuelle personalisierte Verhältniswahlrecht nicht reformierbar zu sein, da sich insbesondere die Unionsparteien quer stellen. Mein Vorschlag: es bleibt bei 299 Wahlkreisen und somit 299 Direktmandaten, aber für den Gewinn des Mandats ist die absolute Mehrheit erforderlich - also ggf. Stichwahlen. Die Größe des Bundestags wird auf 649 festgelegt, womit folglich 350 Abgeordnetensitze über Parteilisten besetzt werden. Es gibt keine Verrechnung zwischen Direktmandaten und Listenmandaten. Eine Partei mit 10% der Zweitstimmen erhielte also 10% von 350 Sitzen. Klingt im ersten Moment vielleicht schlecht für die kleinen Parteien, aber bedenken Sie die Einflussmöglichkeiten bei den Stichwahlen! Es muss ein Ende damit haben, dass jemand behauptet, ausreichend demokratisch als direkt gewählter Abgeordneter legitimiert zu sein, obwohl er als Sieger gerade mal 20% der Erststimmen erhalten hat.

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Täger,

das Grabenwahlrecht halten wir als LINKE und auch ich persönlich für kein sonderlich erstrebenswertes Wahlsystem. Wir halten die Zweitstimme für eine wesentlich unverfälschtere Abbildung des Willens der Wählerschaft und werden keine Verschiebung in Richtung des Mehrheitswahlrechts mitmachen. In der Vergangenheit hat auch mehrfach das Bundesverfassungsgericht entsprechend geurteilt und klar festgestellt, dass das Wahlergebnis in seiner Gesamtheit nicht das Ergebnis der Zweitstimme verfälschen darf. Ein Grabenwahlrecht würde diese Vorgabe nur zufällig erfüllen können, auch wenn der von Ihnen gemachte Vorschlag der Zweitstimme ein Stück weit mehr Gewicht zuspricht.
Auch was Ihre Ausführungen zum Direktmandat angeht bin ich anderer Meinung. Legitimiert ist, wer nach den aktuell gültigen Regeln gewählt ist. Außer in sehr homogenen Kreisen, in denen schon im ersten Wahlgang 50% erreicht werden, wird mit der Erststimme schon jetzt sehr taktisch gewählt. Eine zweite taktische Wahl im Anschluss halte ich nicht für zwingend notwendig, um Legitimität herzustellen.
Allerdings empfinde ich es als die zentrale Aufgabe für direkt gewählte Abgeordnete, in ihrem Wahlkreis integrierend zu wirken und nicht Interessenpolitik zu betreiben - unabhängig davon mit wie vielen Prozenten der oder die Abgeordnete gewählt wurde. Die Aufgabe ist mit Sicherheit schwieriger in engen Wahlkreisen, aber umso wichtiger ist ihre Erfüllung. Der Anreiz für die Abgeordneten ist dabei gerade in diesen Kreisen ohne deutliche Mehrheit hoch - zumindest wenn dem oder der Abgeordneten an einer Wiederwahl gelegen ist.
Ich bin überzeugt, dass Wege zu einer tragfähigen Lösung gefunden werden können, die nicht zu einer deutlichen Bevorzugung einzelner Parteien führen. Dafür werde ich mich in jedem Fall weiter einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Straetmanns