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Friedrich Paulsen
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Frage von Frank V. •

Frage an Friedrich Paulsen von Frank V. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Paulsen,

Sie haben das klassische Schulsystem Grundschule, Realschule und danach Gymnasium durchlaufen. Die SPD möchte dieses Schulsystem ändern. Können Sie mir diesbezüglich folgende Fragen beantworten:
1. Warum sind Abläufe, die jahrlang für gut befunden wurden plötzlich nicht mehr vertretbar und müssen geändert werden?
2. Warum verspricht man kleinere Klassen, die es aufgrund der schwächeren Geburtenzahlen sowieso geben wird. Wird der Wähler hier betrogen?
3. Wieso arbeiten ausgebildete Lehrer lieber in andere Bundesländer und warum hat NRW hier ein Defizit? Vor allem in den Grundschulen gibt es einen Lehrermangel, so dass man dort gezwungen ist, große Klassen zu bilden. Auf dem hiesigen Gymnasium werden nach dem derzeitgen Stand vermutlich bei ca. 105 Anmeldungen drei Klassen von 35 Schülern in der 5. Klasse gebildet. Finden Sie, das dies optimale Lehrnvoraussetzung sind? Wie kann man so etwas ändern?
4. Bei der Änderung vom G9 auf das G8 hatte man - aus der Praxis gesehen - den Eindruck, dass von Seiten der Politik zuerst entschieden wurde und dann nachgedacht wurden, weil man viele Probleme bei der Planung überhaupt nicht berüchsichtigt hat. Leittragend sind hier die Schüler, die von dem Wechsel betroffen sind. Lehrpläne wurde nicht ausgemistet und die Schüler und auch die Lehrer sind mit dieser Situation völlig überfordert. Überzeugen Sie mich bitte, dass die Vorstellungen der SPD die richtigen sind.
5. Haben Sie bei ihrem schulischen Werdegang irgendetwas vermißt, dass unser Schulsystem geändert werden muß?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Viermann,

ich beantworte gerne Ihre Fragen.

1. Das Schulsystem in NRW steht seit Jahren in der Diskussion und in der Kritik. Keineswegs ist es seit Jahren als gut befunden worden, ich denke hier z.B. an die Pisa Studie. Zwei Gründe mahnen uns, innere und äußere Schulreformen vorzunehmen. Erstens wird unser Schulsystem in internationalen Vergleichsstudien den Anforderungen der globalen Wissensgesellschaft nicht gerecht. Es lässt zu viele auf der Strecke, was auch der Wirtschaft, die Fachkräfte braucht, nicht gerecht wird. Zweitens haben wir ein Problem mit der Gerechtigkeit: Die Chancen eines Arbeiter- oder Migrantenkindes, auf das Gymnasium zu kommen, sind gering. Die Grundschulgutachten sind - was die IGLU Studie beweist - falsch. Viele Kinder, die keine Gymnasialempfehlung erhalten, schaffen es an Gesamtschulen oder Technischen- und Wirtschaftsschulen trotzdem zum Abitur. Warum dann so früh sortieren, wenn es objektiv nichts über die Leistungsfähigkeit eines Kindes aussagt?

2. Kleinere Klassen infolge des sogenannten Demographie-Gewinnes wird es nur geben, wenn der Finanzminister die aufgrund des Schlüssels dann wegbrechenden Stellen nicht kassiert. Ich will mich im Landtag dafür einsetzen, dass dies nicht passiert und das Geld trotz rückgehender Zahlen im System bleibt. Dies ist ein realistischer und glaubwürdiger Weg zu kleineren Klassen.

3. Die von Ihnen beschriebenen Lern- und Lehrbedingungen sind alles andere als optimal. Durch den Demographie-Gewinn wird es uns gelingen, langfristig zu kleineren Klassen zu kommen. Der Beruf des Grundschullehrers muss attraktiver werden. Bundesweite Regeln sollten verhindern, dass Bundesländer sich untereinander die Lehrer abwerben. Dann haben am Ende die armen Länder gar keine Chance mehr. Das Motto Starke stärken und damit Schwache schwächen teile ich nicht - Wettbewerbsföderalismus geht eben doch zu ungunsten der gleichen Chancen der Kinder.

4. G8 wurde von der CDU/FDP Landesregierung in unmöglicher Weise umgesetzt. Völlig falsch war es, das Jahr in der Mitte abzubauen und nicht die Stufe 11 zu streichen. Die Belastung von Schülern und Lehrern ohne Kompensation ist nun zu groß, auch die Belastung aufsteigender Realschüler ist unverschämt und ärgert mich. Hier wollte die CDU wohl eine Käseglocke über die Gymnasien ziehen. Nun findet die Abstimmung mit den Füßen statt hin zu Gesamtschulen und Berufskollegs. Ich will die Lehrpläne entschlacken, bei der Stufe 11 reduzieren und nicht in der Mitte komprimieren und die Durchlässigkeit wieder herstellen. Wenn, dann sollten Schulen selbst entscheiden können, ob sie Abitur nach 12 oder 13 Jahren anbieten. Die jetzigen G8 Reformen sind ein Beispiel für Schulpolitik von oben. Das hat auch die SPD wohl 39 Jahre lang falsch gemacht. Ich will jetzt endlich eine Schulpolitik von unten. Wir haben gelernt.

5. Ja. Wir brauchen dringend mehr individuelle Förderung. Eine Schule sollte analysieren, was die Stärken und was die Schwächen eines Schülers sind und dann direkt dort ansetzen. Das war in meiner Realschule strukturell nicht möglich und gelang auch nur wenigen Lehrern infolge presönlichen Einsatzes und dies auch nicht systematisch. Ich habe mich selbst bis zum Abitur durchgekämpft. Würde das Schulsystem mehr auf individuelle Förderung setzen, würden das mehr schaffen. Dies ist mein tiefer Wunsch.

Mit bestem Gruß

Friedrich Paulsen