Frage an Friedbert Pflüger von Julia M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Pflüger,
mein Lebensgefährte wurde von drei Jugendlichen im Zuge eines frustentladenden Gewaltaktes überfallen mit Folge bleibender Körperschäden, Schwerbehinderung und verminderter Berufsfähigkeit. Die Täter wurden von der Polizei nicht ermittelt.
Aufgrund der dauerhaften Körperschäden wurde vom Versorgungsamt Berlin meinem Lebensgefährten (nach Abzug der so genannten Vorschäden) eine Opferschädigungsrente (Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz OEG) zuerkannt. Aufgrund des Wohnsitzes Ostberlin zum Zeitpunkt des Überfalles wird jedoch nur eine abgesenkte Leistung vom Versorgungsamt gezahlt. Die zuständige Berliner Sozialsenatorin Knaake-Werner, die schon mal gern öffentlich für die Rechte von Homo-sexuellen anderer Ländern demonstriert (betr.z.B.Polen), versteckt sich hinter einem Urteil eines Landes-sozialgerichts und rechtfertigt damit die Praxis, dass für gleiche Schädigung und gleiches Leid innerhalb der seit nunmehr 16 Jahren wiedervereinigten Stadt Berlin unterschiedliche Entschädigungsleistungen gezahlt werden.
Meine Fragen an Sie:
1. Halten Sie es für richtig, dass es in Berlin 2 Klassen von Opfern gibt, nämlich Westberliner und Ost- berliner Gewaltopfer mit unterschiedlicher Entschädigung bei gleichem Maß der Schädigung ?
2. Die Entschädigungsrenten für die Kriegsopfer und die SED-Opfer in den neuen Bundesländern wurden bereits zum 1.1.99 an das Westniveau angeglichen. Warum nicht die Entschädigungen für anerkannte Kriminalitätsopfer, zumal in den alten Bundesländern der Grundsatz galt und gilt: die Opfer von Gewalt und Kriminalität erhalten die gleichen Leistungen wie die Opfer des Krieges ?
3. Ist körperliches und seelisches Leid innerhalb Berlins unterschiedlich zu bewerten nach Straße und Haus- Nummer ?
4. Ist Ihnen als dieses Problem bekannt und was werden Sie politisch dagegen unternehmen ?
Mit freundl. Gruß
J. Morgenstern
Sehr geehrte Frau Morgenstern,
vielen Dank für Ihre mail! In der Tat werden Entschädigungszahlungen für Opfer, deren Wohnort zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses im so genannten Beitrittsgebiet lag, nur in verminderter Höhe gewährt. Rechtsgrundlage für diese unterschiedliche Behandlung ist § 84 a des Bundesversorgungsgesetzes. Eine Verminderung der Differenz der Zahlbeträge erfolgte in der Vergangenheit im Rahmen von Rentenanpassungsverordnungen, die die Anhebung der Rentenzahlungen insgesamt regeln. In den letzten Jahren fielen jedoch die Rentenanpassungen insgesamt aufgrund der angespannten Kassenlage der Rentenversicherung aus. Auch ich kann über sechzehn Jahre nach dem Fall der Mauer nicht mehr nachvollziehen, warum Leistungen, die den gleichen Sachverhalt betreffen, im ehemaligen Ostteil Deutschlands heute noch geringer ausfallen als im Westteil. Nach einer so langen Zeit sollte eine Angleichung der Versorgunszahlungen längst abgeschlossen sein! Besonders augenfällig wird dies natürlich in einer Stadt wie Berlin, wo oft nur einen Straßenzug weiter ein anderes Versorgungsniveau gilt. Beim angesprochenen Bundesversorgungsgesetz handelt es sich jedoch um ein Bundesgesetz, dessen Regelungen sich dem Zugriff des Landesgesetzgebers entziehen. Dies gilt auch für die Rentenanpassungsverordnung. Als Regierender Bürgermeister könnte ich mich daher nur indirekt im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine Angleichung der Versorgungszahlungen einsetzen. Dafür bin ich offen!
Mit besten Grüßen
Friedbert Pflüger