Sehr geehrte Frau Brantner, wie stehen Sie dazu, Kindern keinen Infektionsschutz vor SARS-CoV-2 mehr zu gewähren und durch Schulpräsenzpflicht zeitgleich die Möglichkeit zum Selbstschutz abzuschaffen?
Sehr geehrte Frau Opizzo,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe großes Verständnis für die schwierige Situation, in der sich viele Kinder und Jugendliche und ihre Eltern derzeit befinden. Ihr Einsatz und ihr Engagement verdienen den Respekt und die Anerkennung der gesamten Gesellschaft.
Die Pandemie verlangt gerade Familien sehr viel ab. Das häufige hin und her zwischen Unterricht vor Ort und Videokonferenz, fehlende Planungssicherheit, und dazu die unklare Perspektive für die kommenden Monate sind für viele Kinder und ihre Familien sehr belastend. All das hat tiefe Spuren hinterlassen, gerade bei Kindern, die es zuhause auch davor schon schwerer hatten.
Wir haben uns als Grüne im Bundestag von Beginn der Corona-Krise an dafür eingesetzt, dass alle Kinder zu ihrem Grundrecht auf Bildung und körperliche Unversehrtheit kommen, mit guten digitalen Angeboten, verlässlicher Notbetreuung und sicherem Unterricht vor Ort nach nachvollziehbaren, bundesweit gültigen und evidenzbasierten Kriterien. Auch im zweiten Jahr der Pandemie bleibt die Bundesregierung den dafür notwendigen Stufenplan leider schuldig.
Gerade jetzt kommt es darauf an, mögliche Lockerungen von Maßnahmen berechenbar und verantwortungsbewusst regional umsetzen. Bundesweit einheitliche, an das jeweilige Infektionsgeschehen sowie gemessen an der Auslastung des Gesundheitssystems angepasste Prinzipien sorgen auch beim Ausstieg aus den Beschränkungen dafür, dass die Bevölkerung die Regelungen besser nachvollziehen kann. Das gilt insbesondere auch für Kitas und Schulen.
Damit Kinder auch bei höheren Inzidenzwerten sicher lernen können, haben wir frühzeitig einen Bildungsschutzschirm für Kinder und Jugendliche gefordert. Bildungsschutzschirm heißt für uns: Wir wollen jede Schule mit Luftfilteranlagen, kostenlosen und regelmäßigen Schnelltests und medizinischen Masken ausstatten und in zusätzliche Förderung investieren. Sommercamps und Nachhilfe in den Kernfächern alleine werden aber nicht ausreichen, um die Folgen der Pandemie in ihrer Gesamtheit zu bewältigen. Wichtig ist deshalb, sorgfältig zu überprüfen, wo Kinder nach über einem Jahr Wechselunterricht und Schulschließungen stehen. Dabei darf es nicht nur um verpassten Unterrichtstoff, sondern muss auch um die emotionale Entwicklung von Kindern gehen.
Das Nachhilfeprogramm der Bundesregierung wollen wir im Rahmen des Bildungsschutzschirms deshalb ausbauen und auch die psychischen Folgen der Krise stärker in den Blick nehmen. Im 15. Monat des Ausnahmezustands brauchen viele Kinder eine helfende Hand und ein offenes Ohr, um den Weg in ihr normales Leben zurück zu finden. Dafür wollen wie zusätzliche Therapieangebote schaffen, Krisenintervention und Einzelfallhilfe für Familien ausbauen und in zusätzliche Schulsozialarbeiter*innen und Psycholog*innen an Schulen investieren. Spätestens zum neuen Schuljahr sollen sich Kinder und Familien auf tragfähige Unterstützungsangebote verlassen können. Der Sommer muss zudem genutzt werden, um eine Impfstrategie für Kinder und Jugendliche vorzubereiten, damit nach der Zulassung alle, die sich impfen lassen wollen, die Angebote auch niedrigschwellig erreichen können.
Durch die Pandemie ist an Schulen vieles durcheinander, aber auch in Bewegung gekommen. Diesen Schwung wollen wir nutzen, um unser Bildungssystem langfristig besser und gerechter zu machen. Wer es ernst meint mit dem Schutz und den Rechten von Kindern und Jugendlichen, wagt gerade in der Krise den Aufbruch in die Bildungsrepublik. Das bedeutet: Jedes zusätzliche Angebot, das jetzt aufgebaut wird, muss langfristig angelegt werden, um die Qualität an Kitas, Horten und Ganztagsschulen auch in Zukunft voranzubringen. Das verlangt Kreativität und den Mut, neue Wege zu gehen. Schulen mit besonderen Herausforderungen brauchen besondere Unterstützung und eine langfristige Finanzierung von Bund und Ländern. Und auch die Daueraufgabe der Digitalisierung im Klassenzimmer wollen wir über den Digitalpakt hinaus auf sichere Beine stellen.
Ich werde mich im engen Austausch mit den Zuständigen in Baden-Württemberg auch weiterhin nach besten Kräften dafür einsetzen werden, um Kinder und ihre Familien in der Krise bestmöglich zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen, Franziska Brantner