Frage an Frank Zimmermann von Holger W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Holger,

vielen Dank für Deine Zuschrift. Das von Dir angesprochene Thema bewegt mich in der Tat selber sehr. Auch ich nehme wahr, dass unsere Wirkung nach außen nicht immer die Beste ist.

Da Konflikte jedoch zum menschlichen Wesen gehören, halte ich nichts von dem oft gehörten Vorschlag, wir PIRATEN bräuchten eine Führung, die sagt wo es lang geht um wählbar zu sein. Das entspricht nicht den Prinzipien der PIRATEN und auch nicht dem Weltbild, welches wir vertreten. Der Weg einer Entscheidungsfindung, beispielsweise bei der Erarbeitung eines Positionspapiers, ist durch den basisdemokratischen Ansatz oftmals steinig, ermöglicht jedoch jedem Mitglied, sich selbst einzubringen und mitzugestalten.

Um Konflikte konstruktiv zu lösen, gibt es verschiedene Modelle. Ich persönlich bin von dem Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun recht angetan. Es besagt, sehr verkürzt ausgedrückt, dass jede Botschaft, auf vier Ebenen gesendet werden kann und vom Empfänger auf ebenso vier Ebenen aufgenommen werden kann. Die Ebene des Senders muss dabei nicht mit der Ebene des Empfängers übereinstimmen, so dass infolge dessen Konflikte entstehen können.

Ein wichtiger Baustein in die Richtung Konfliktvermeidung oder -lösung kann ein persönliches Gespräch sein. Darin nehmen die Gesprächspartner viel mehr Dinge wahr, als nur das gesprochene oder gar geschriebene Wort. Dazu zählen Gestik, Mimik und Körpersprache. Deswegen halte ich es auch für falsch, sich in verfahrenen Situationen Emails zu schreiben. Diese können leicht missverstanden werden und reißen so Gräben nur noch tiefer anstatt Brücken zu bauen. Ich wünsche mir deswegen, dass die Konfliktparteien in diesem Fall das persönliche Gespräch suchen. Hier sehe ich auch eine Möglichkeit zur Zivilcourage etwaiger Mitleser, die den Konfliktparteien den Rat geben können, sich persönlich auszutauschen.

Ich versuche als persönlichen Beitrag deswegen im Konfliktfall das persönliche Gespräch zu suchen. Meist herrscht in einem solchen Gespräch eine entspanntere Atmosphäre und die Gesprächspartner kommen schneller zu einer Lösung. Desweiteren wirst Du nicht erleben, dass ich mich an sogenannten "Shitstorms" beteilige. Ich denke viele sind sich nicht bewusst, was sie dem Opfer des Shitstorms antun und was währenddessen in diesem Menschen vor sich geht. Ich versuche also selbst das vorzuleben, was ich mir von meinen Mitmenschen wünsche. All das zielt darauf ab, dass Konflikte niemals auf der Sachebene entstehen, sondern auf der persönlichen Ebene und deswegen auch nur auf der persönlichen Ebene wieder gelöst werden können.

Ich halte auch regelmäßige Treffen vor Ort, Stammtische oder Crew-Treffen genannt, für sehr wertvoll. Sie stärken das Miteinander, den persönlichen Kontakt und sind eine gute Anlaufstelle für alle Bürgerinnen und Bürger.

Ich wünsche mir jedoch auch, dass wir PIRATEN die positiven Erfahrungen unseres basisdemokratischen Ansatzes nach außen tragen und Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen davon berichten, dass persönlicher Einsatz für eine gemeinsame Sache etwas sehr Wertvolles ist. Damit kann jeder Einzelne von uns, auch ich, Neugierde wecken und andere Menschen dazu animieren, Politik mitzugestalten.

Mit herzlichen Grüßen

Frank Zimmermann