Frage an Frank Steffel von Michael D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Steffel,
zahlreiche Bürger verfolgen besorgt die Berichterstattung der Mainstream-Medien über TTIP, die den Eindruck erweckt, als ginge es nur um Schwarzwälder Schinken & Chlorhühnchen, denen ewig gestrige Abendländler in reflexhafter Abwehr ignorant ohne Blick für die Vorteile gegenüberstünden.
Weshalb ich von Ihnen gerne wüsste, welche Vor- und Nachteile Sie für a) die Bundesrepublik, b) Europa, c) die USA und d) die Welt sehen.
Wenn zur westlichen Wertegemeinschaft Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat zählen, warum sind die Verhandlungen über TTIP dann geheim, warum wird selbst das Parlament dann nicht umfassend darüber informiert und warum sollen Streitigkeiten über seine Inhalte der ordentlichen Gerichtsbarkeit entzogen und Schiedsgerichten zugewiesen werden, warum sind deren Verhandlungen nichtöffentlich und ihre Entscheidungen abermals geheim?
Sehen Sie darin a) überwindbare oder b) unüberwindliche Konflikte mit der westlichen Wertegemeinschaft?
Schließlich wüsste ich gerne, wie Sie über TTIP abzustimmen gedenken.
Geben Ihnen die gefühlte Unbeherrschbarkeit bspw. der Atomenergie, der Endlagerung oder auch der Finanzkrise, der Entwicklung des € ("auf Sicht") bei Ihrem Abstimmungsverhalten zu denken?
Mit freundlichen Grüßen - ein besorgter Berliner
Sehr geehrter Herr Deike,
Vielen Dank für Ihre Nachricht vom 12. Mai 2015.
Das Abkommen TTIP soll ein neues Zeitalter der wirtschaftlichen Verflechtung über dem Atlantik einläuten. Die positiven Effekte auf Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und das reale Einkommen der Bürgerinnen und Bürger wurden in einer Vielzahl von Studien analysiert. Ein solches Abkommen kann ein wichtiger Beitrag sein, um Wohlstand sowie sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Europa, den USA und der Welt nachhaltig zu sichern. Erwartet werden Wachstumsimpulse sowie die Schaffung von einer Vielzahl von neuen Arbeitsplätzen in Europa.
Nicht nur die transatlantischen Handelsbeziehungen würden damit einen wichtigen Schub erfahren. Vielmehr würde auch die Grundlage für weitere gemeinsame Projekte geschaffen, z.B. im Bereich des Klimaschutzes oder für eine nachhaltige Energieversorgung. Daher befürworte ich die Abkommen im Grundsatz. Eine vollständige Bewertung bei TTIP ist für mich allerdings erst möglich, wenn das Ergebnis der TTIP Verhandlungen feststeht.
Wie bisher achtet die Bundesregierung bei den Verhandlungen zu TTIP im Übrigen darauf, dass der Vertragsinhalt auf begrenzte Regelungsbereiche beschränkt wird. Weder unsere Sozialsysteme noch Verbraucherrechte oder Kernaufgaben wie Bildung und Kultur werden von TTIP umfasst. Darüber hinaus bleiben unsere hohen Standards im Umwelt- und Lebensmittelbereich erhalten. Deutschland hat bei der Erteilung des Verhandlungsmandats an die Europäische Kommission streng darauf geachtet, dass klassische nationale Aufgaben bei TTIP außen vor bleiben. In dem Zusammenhang kann hier also von keiner Beschränkung der Entscheidungskompetenzen u.a. des Deutschen Bundestags gesprochen werden. Bezüglich des von Ihnen angesprochenen Investitionsschutzes sieht die Bundesregierung grundsätzlich keine Notwendigkeit für die Einbeziehung von Regelungen zum Investitionsschutz und zu Investor-Staat Schiedsverfahren (ISDS) in das Abkommen, da z.B. amerikanische Investoren in der EU sowie EU-Investoren in den USA hinreichenden Schutz vor nationalen Gerichten haben. Diese Position hat die Bundesregierung schon in den Beratungen über das Verhandlungsmandat zum TTIP vertreten. Die Verhandlungen hierzu wurden zunächst ausgesetzt. Das Ergebnis in dieser Frage bleibt offen.
Die CDU tritt für einen materiell und prozessual grundlegend reformierten Investitionsschutz ein. Es muss dabei selbstverständlich sichergestellt sein, dass die demokratisch legitimierten Akteure nicht in ihrer Handlungs- und Gestaltungsfreiheit eingeschränkt werden, die Regulierungshoheit der Staaten unangetastet bleibt und die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht untergraben wird. Durch Fortentwicklungen im Schiedsgerichtsverfahren können wir viele berechtigte Kritikpunkte berücksichtigen und zu echten Verbesserungen kommen: etwa durch größere Transparenz (z. B. durch Veröffentlichung der Schiedsurteile, Zugang zu Verhandlungen und die transparente Auswahl von Richtern), durch Berufungsmöglichkeiten oder Schutzmechanismen vor ungerechtfertigten Klagen. Das jüngst veröffentlichte Konzeptpapier der EU-Kommission geht hier schon in die richtige Richtung.
Allerdings liegt derzeit noch kein finaler Entwurf des Abkommens vor, sondern die EU-Kommission befindet sich noch in den Verhandlungen mit den amerikanischen Partnern. Sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, muss der Vertragstext noch von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ratifiziert werden. In Deutschland wird der Bundestag über den finalen Vertragstext abstimmen. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Entscheidung über den finalen Text davon abhängt, dass unsere hohen Standards, sei es im Arbeitsleben, beim Daten-, Umwelt- und Verbraucherschutz, bei der Daseinsvorsorge und bei der Gentechnik, ebenso wie unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Werte nicht beeinträchtigt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Frank Steffel