Wie könnte der Schulunterricht stärker an konkreten Lebenssituationen anknüpfen, etwa durch die Integration von Finanzkompetenzen oder praxisnahen beruflichen Fähigkeiten?
Sehr geehrter Herr Lortz,
ich hatte Ihnen schon einmal eine Frage bezüglich dieses Themas gestellt, jedoch haben Sie mir da nur einen Auszug eines Schreibens geschickt, weshalb ich nochmal nach Ihrer persönlichen Meinung und mit konkreten Beispielen frage.
Mit freundlichen Grüßen
Julia K.
Sehr geehrte Frau K.
herzlichen Dank für Ihre erneute Anfrage, die ich Ihnen wie folgt beantworte:
Mit Blick auf die genannten schulischen Themen der beruflichen Orientierung sowie ökonomischen Bildung kann die konkrete Lebenspraxis zweifelsohne als ein ganz wesentlicher Faktor benannt werden.
So werden durch die „Verordnung für Berufliche Orientierung in Schulen“ (VOBO) vom 17. Juli 2018 die Vorgaben für zahlreiche und vielfältige Maßnahmen zur beruflichen Orientierung ab Klasse 7 geschaffen, wobei ein entscheidender Schwerpunkt dabei auf der praxisnahen Ausgestaltung der Maßnahmen und Projekte liegt, um Schülerinnen und Schülern Praxiserfahrungen zu ermöglichen. Durch Betriebspraktika und -erkundungen als wichtigste Säule der beruflichen Orientierung erhalten die Schülerinnen und Schüler Einblicke in die Berufs- und Arbeitswelt, können ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in der Praxis anwenden und sollen dadurch stärker für ihren beruflichen und schulischen Bildungsweg motiviert werden. Ebenso haben wir in der VOBO festgelegt, dass allgemein bildende Schulen, je nach den von ihnen angebotenen Abschlüssen, eine oder mehrere Kooperationen mit Unternehmen, Betrieben oder Hochschulen eingehen müssen. Ziele dieser Kooperationen sind, die Schulen bei der praxisnahen Ausgestaltung im Bereich der beruflichen Orientierung zu unterstützen. Zahlreiche weitere Maßnahmen wie die Berufsorientierungs-Werkstatttage des Berufsorientierungsprogramms (BOP) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die Teilnahme an Schülerfirmen oder die im Jahr 2022 gestartete Initiative „Deine Zukunft#REAL:DIGITAL“ haben die Vorbereitung der Lernenden auf Anforderungen der Arbeitswelt durch die notwendige Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen zum Ziel.
Der Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode (2024-2029) führt diese Linie fort und sieht einen Ausbau der beruflichen Orientierung in allen Schulformen vor, um Schülerinnen und Schülern einen möglichst reibungslosen und praxisorientierten Übergang in die berufliche Zukunft zu ermöglichen. Die Anzahl der Praktika soll unter anderem erhöht werden. In diesem Bereich führen wir beispielsweise die „Praktikumswochen 2024“ in Kooperation mit dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen durch. Die Praktikumswochen sollen Jugendliche bei der persönlichen Berufsorientierung unterstützen und Unternehmen mit Nachwuchskräften in Form von Kurzpraktika bzw. Schnuppertagen in Verbindung bringen. Weiter soll ein „Tag des Handwerks“ an allen allgemeinbildenden Schulen in Hessen eingeführt sowie die Initiative „Deine Zukunft #REAL:DIGITAL“ als Informations- und Mitmachangebot zur beruflichen Orientierung an Schulen fortgeführt und auf weitere Berufsfelder ausgeweitet werden.
Die Landesregierung misst auch der ökonomischen Bildung bzw. der Verbraucherbildung eine hohe Bedeutung zu, denn die aktive Teilnahme an wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen und die Gestaltung privater und beruflicher Lebenssituationen setzen ökonomische Bildung bzw. Verbraucherbildung unabdingbar voraus. Inhalte der ökonomische bzw. finanziellen Bildung betreffen zahlreiche Fächer, weshalb diese auch fächerübergreifend verankert ist. Mit dem multiperspektivischen Leitfach Politik und Wirtschaft wird der Ansatz verfolgt, dass Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in einer so engen gegenseitigen Abhängigkeit stehen, dass weder Politik ohne Ökonomie noch Ökonomie ohne Politik verstanden werden kann. Inhalte der ökonomischen Bildung sind in allen Bildungsgängen der Sekundarstufe I im Fach Politik und Wirtschaft curricular verankert. Weiterhin wurden und werden Fortbildungsangebote zur ökonomischen Bildung für Lehrkräfte ausgebaut – insbesondere in der Finanz- und Verbraucherbildung, um die Lehrkräfte noch besser in die Lage zu versetzen, Schülerinnen und Schüler beim notwendigen Kompetenzerwerb zu unterstützen. Mit der Änderung des Hessischen Schulgesetzes im Dezember 2022 wurde die Finanzbildung und der Verbraucherschutz den besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben nach § 6 Abs. 4 des Hessischen Schulgesetzes zugeordnet. Aber auch im neuen Schulfach „Digitale Welt“ ist die ökonomische Bildung ein Themenschwerpunkt. Schülerinnen und Schüler als heutige und zukünftige Verbraucher bewegen sich zu großem Teil im digitalen Raum, weshalb den beteiligten Lehrkräften unter Beteiligung der Verbraucherzentrale Hessen vielfältige Inhalte und Anwendungsmöglichkeiten vermittelt werden, welche Sie den Schülerinnen und Schülern weitergeben. Dazu gehören beispielsweise die Themen „In-App-Käufe“ sowie „In-Game-Käufe“, „Dark Patterns“ oder allgemein der Wert von Daten.
Gemäß Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode werden auch die Kerncurricula für das Fach Politik und Wirtschaft fortentwickelt und damit verbunden ein Update der Lehrinhalte durchgeführt, um in Zukunft noch mehr praktische Lebenskompetenzen sowie Verbraucher- und Finanzbildung in der Schule zu vermitteln. Ebenso forcieren wir die weitere Bekanntmachung und Aufnahme tragfähiger Angebote im Bereich der ökonomischen Bildung. Hier wurden beispielsweise bereits Angebote der Deutschen Rentenversicherung Hessen zum Thema Rente und Altersvorsorge aufgenommen.
Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Lortz MdL