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Frank Kuschel
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Frage von Constanze T. •

Frage an Frank Kuschel von Constanze T.

Hallo Herr Kuschel,

kommunale Selbstverwaltung ist ein im Grundgesetz verankertes Recht der Kommunen.
Bisher greifen Bundes- und Landesgesetze in die kommunale Selbstverwaltung ein, so sollen z.B. Kommunen unabhängig ihrer finanziellen Lage Zwangsbeiträge zum Straßenausbau erheben müssen, oder die Aufgabenübertragung an die Kommunen ist größer als der Finanzausgleich aus dem Bund oder Land. Wie kann die kommunale Selbstverwaltung praktisch garantiert werden? Welche Beteiligungsrechte sollten die EinwohnerInnen bei ihrer kommunalen Selbstverwaltung haben?

Vielen Dank für Ihre Antwort
Mit solidarischen Gruß

Constanze Truschzinski

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Antwort von
DIE LINKE

Tatsächlich ist die kommunale Selbstverwaltung im Grundgesetz und in der Landesverfassung von Thüringen garantiert. Die politische Praxis sieht aber oftmals anders aus. Ca. 85 % aller kommunalen Aufgaben sind durch gesetzliche Vorgaben der Europäischen Union, des Bundes und des Landes bestimmt. Hier haben die Kommunen nur ganz begrenzte Ermessensspielräume. Die Wahrnehmung der so genannten freiwilligen Aufgaben (die eigentlich erst die kommunale Selbstverwaltung mit Leben erfüllen) scheitert oftmals an den fehlenden Finanzen. Auch hinsichtlich der Finanzen haben die Kommunen selbst nur eingeschränkte Gestaltungsspielräume. Das gesamte kommunale Steuerrecht wird vom Bund bestimmt. Nur über das Hebesatzrecht bei der Grund- und Gewerbesteuer können hier die Kommunen sehr eingeschränkt selbst handeln. Die Zuweisung finanzieller Mittel durch die Länder (in Thüringen machen diese Zuweisungen fast 60 % der kommunalen Einnahmen aus) werden durch den Landtag festgesetzt.
Zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung ist zum einen notwendig, dass die Kommunen bei der Übertragung von Aufgaben ein stärkeres Mitspracherecht erhalten. Hierzu hat DIE LINKE u. a. die Schaffung einer dritten Kammer auf Bundesebene (neben Bundestag und Bundesrat) vorgeschlagen. Ähnliche Gremien könnten auf Landesebene geschaffen werden. Die kommunale Selbstverwaltung kann nur durch eine ausreichende Finanzausstattung gesichert werden. Hierzu fordert DIE LINKE seit Jahren eine Reform der Finanzverfassung auf Bundesebene, so dass die Kommunen einen höheren Anteil am Steueraufkommen erhalten. Dieser Anteil liegt gegenwärtig nur bei 12 % und sollte nach den Vorstellungen der LINKEN auf 20 % erhöht werden. Im Freistaat Thüringen muss der kommunale Finanzausgleich nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes bedarfsgerecht ausgestaltet werden. Nach der Überzeugung der LINKEN fehlen hierzu den Thüringer Kommunen jährlich rund 360 Mio. Euro. Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund hat eine jährliche Unterfinanzierung der Kommunen durch das Land in Höhe von 200 Mio. Euro ermittelt.
DIE LINKE spricht sich ganz deutlich gegen die Pflicht der Gemeinden, Zwangsbeiträge für den Straßenausbau zu erheben, aus. Wir fordern hier mindestens Regelungen, die vergleichbar sind mit Sachsen. In Sachsen können die Kommunen selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Straßenausbaubeiträge erheben. Künftig muss diese Finanzierungsform, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, abgeschafft werden, weil sie nicht mehr zeitgemäß ist.
Kommunale Selbstverwaltung wird auch durch umfangreiche Beteiligungsrechte der EinwohnerInnen geprägt. Hier war Thüringen lange Zeit aufgrund der Blockadehaltung der CDU Schlusslicht aller Bundesländer. Durch das erfolgreiche Agieren des Bündnisses für mehr Demokratie konnte erreicht werden, dass nun auch in Thüringen Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten bestehen, die mit den Regelungen in anderen Bundesländern, wie z. B. Bayern, vergleichbar sind. Dadurch können die Bürger nun über Einwohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide stärker an kommunalen Entscheidungen mitwirken. DIE LINKE war aktiver Partner in diesem Bündnis für mehr Demokratie. Zudem wollen wir durch das Projekt *Bürgerhaushalt" den Bürgern die Möglichkeit einräumen, unmittelbar an Finanzentscheidungen der Kommunen mitzuwirken. Auch dies würde zu einer Stärkung der Beteiligungsrechte und damit der kommunalen Selbstverwaltung beitragen.