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Frage von Wilfried M. •

Frage an Florian Ritter von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ritter,

in der Frage, ob psychiatrische oder psychologische Untersuchungsgespräche künftig - jedenfalls auf Wunsch des Probanden - per Gerichtsbeschluß videografisch komplett aufgezeichnet werden sollen, hat sich Ihr Justizminister Bausback kürzlich relativ offen gezeigt, ohne allerdings die Einführung einer gesetzlichen Regelung schon in Betracht zu ziehen (Link 1).
Sein Einwand ("Sofern die fachliche Durchführung der Untersuchung hierdurch im Einzelfall nicht betroffen ist...") erscheint mir aufgrund meiner Berufserfahrung unerheblich, da die Videografie in der Psychotherapie- Ausbildung heute dazugehört und sicher zur Qualitätsverbesserung beiträgt, die Patientensicherheit erhöht, vor schweren Fehlern bei der Erhebung er Primärdaten schützt und die Durchführung der Gespräche überhaupt nicht behindert.

Ihr Genosse Prof. Dr. iur. Gantzer hatte am 14. Februar wegen von ihm gesehener Unzuständigkeit auf Sie verwiesen (2).

Sehen Sie aufgrund Ihrer beruflichen Qualifikation praktische bzw. technische Hindernisse für eine vollständige Video- Dokumentation?

Würden Sie sich aktiv einbringen können in die Erarbeitung einer praktikablen gesetzlichen Regelung zugunsten der Rechtssicherheit, wie wir sie z.B. im Rahmen einer Landtags- Petition auch für den Freistaat Thüringen fordern (3)?

Mit frdl. Gruß
Dipl. med. W. Meißner
Facharzt (Anatomie, Psychiatrie, Psychotherapie)a.D.
Dt. Inst. für Totalitarismusabwehr/
Verein Anti-Korruption.Reformation 2014

1) http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_winfried_bausback-1480-77891--f418880.html#q418880
2) http://www.abgeordnetenwatch.de/prof_dr_peter_paul_gantzer-1480-77954--f415017.html#q415017
3) vom 18. März 2014: http://www.wilfriedmeissner.de/pdf/18_03_2014_Petition_pro_Transparenz.pdf

Portrait von Florian Ritter
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Meissner,

entschuldigen Sie bitte die lange Wartezeit bis zur Beantwortung Ihrer
Mail. Zu Ihren Fragen nehme ich gerne Stellung.

Da Sie es ansprechen möchte ich darauf hinweisen, dass meine Antwort
nicht auf der Grundlage einer beruflichen Qualifikation erfolgt, sondern
auf Grund meiner Erfahrungen und Kenntnisse aus dem Rechtsauschuss des
Landtags und der Datenschutzkommission. Aber Sie haben mich ja auch im
Besonderen auf datenschutzrechtliche Fragen angesprochen.

Natürlich wären die von Ihnen geforderten Videoaufzeichnungen rechtlich
und technisch zu schützen, Löschfristen wären zu definieren und
einzuhalten. Beides wäre rechtlich und technisch sicher lösbar, wenn
auch der technische Aspekt einen gewissen Aufwand erfordert.
Grundsätzlich haben an Gerichtsverhandlungen Beteiligte aber auch einen
Anspruch auf den gewissenhaften Schutz von Informationen die ihre
Privatsphäre betreffen - auch wenn sie Gegenstand eines Verfahrens sind.
Andererseits sind Gerichtsverfahren im Grundsatz öffentlich zu halten
und nur in Ausnahmefällen kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Auch darin liegt ein Grund, warum Begutachtungen nicht im Rahmen der
mündlichen Verhandlung selbst vorgenommen werden, sondern im Rahmen von
vertraulich gestalteten Gesprächen zwischen Gutachter und zu
Begutachtendem. In die öffentliche Verhandlung werden dann die
Schlussfolgerungen des Gutachtens eingeführt, nicht mehr alle
Lebensdetails des oder der Betroffenen. Diese Schutzfunktion für
Menschen die sich einer Begutachtung unterziehen müssen, bitte ich Sie
in Ihrer Forderung zu berücksichtigen. Denn eine Einführung der
Videoaufzeichnung würde in vielen Fällen auch die Debatte und den
Versuch einer Beweisführung in der öffentlichen Verhandlung anhand der
konkreten Aufnahmen nach sich ziehen - und zwar durch alle
Prozessbeteiligten (Kläger / Beklagte / ggf Staatsanwaltschaft). Dadurch
wäre der prinzipiell öffentlich zu führende Prozess gefährdet, der ja
auch eine Schutzfunktion hat.
Damit wäre ein Grundsatzkonflikt beschrieben, der nicht so einfach
aufzulösen ist.
Mir ist klar, dass es seit einigen Jahren viel Kritik an einer Reihe von
Gutachten gibt, die in Aufsehen erregenden Prozessen zu
Fehlbeurteilungen und Fehlurteilen geführt haben. Und wir brauchen mit
Sicherheit eine deutliche Qualiätssteigerung und Qualitätskontrolle bei
Gutachten und Entscheidungen die auf Begutachtungen beruhen. Dabei
sollten allerdings Wege geschaffen werden, die den öffentlichen Prozess - zumindest dann, wenn Gutachten erstellt werden - nicht grundsätzlich
in Frage stellen.

Wie weit die fachliche Durchführung der Begutachtung gefährdet wäre,
kann ich nicht beurteilen, da ich weder Mediziner bin noch
Gutachtererfahrung habe. Auch wenn ich eine prinzipiellen Unterschied
zwischen der von Ihnen angesprochenen Ausbildungssituation sehe und
einer richterlich angeordneten - für die Probanden möglicherweise
unfreiwilligen - Begutachtung.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Ritter