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Frage von Matias Leão R. •

Frage an Florian Rentsch von Matias Leão R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Rentsch!

Lt. einer Meldung des hr hat das Bundesfamilienministerium die Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Islamischen Vereinsverband Rhein-Main beendet, da nicht nur einzelne Mitglieder des Verbandes, sondern diese als solche vom hessischen Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie höflich bitten, folgende Fragen freundlicherweise zu beantworten.

Welche Voraussetzungen müssen Verbände bisher für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht erfüllen?

Muss Ihrer Meinung nach bei diesen Voraussetzungen eine Korrektur erfolgen?

Wenn bekenntnisorientierter Religionsunterricht eine unterstützende Funktion haben soll, um die Radikalisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu unterbinden, in welcher Weise müssen Lehrpläne, die Ausbildung von Fachlehrern wie auch die Zusammenarbeit mit den entsprechenden kooperierenden Religionsverbänden hinterfragt werden?

Halten Sie es für erforderlich und umsetzbar, dass entsprechende kooperierende Religionsverbände ebenso einen Treueeid wie Dr. Bätzing vom Bistum Limburg leisten müssen?
Welche fehlenden Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt werden?

Halten Sie es für erforderlich und umsetzbar, dass entsprechende kooperierende Religionsverbände personell wie finanziell unabhängig werden, dass heißt, dass die Besetzung ihrer Funktionäre nicht aus dem Ausland bestimmt und die Finanzierung nicht aus dem Ausland erfolgt?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Herzliche Grüße,

gez. Hr. Rautenberg

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Rautenberg,

ich danke Ihnen für Ihre Fragen zur Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden, insbesondere im Rahmen des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts (IRU).

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Strukturen unter den muslimischen Glaubensgemeinschaften und Verbänden äußerst kompliziert sind: So gibt es (auch wenn einer der Verbände „Zentralrat“ heißt) keine wirkliche Gesamtvertretung der Musliminnen und Muslime in Deutschland, die als zentraler Ansprechpartner dienen kann. Insgesamt, so seriöse Schätzungen, sind ohnehin maximal 15 Prozent der Muslime in Deutschland in Verbänden organisiert. Auch bezüglich der muslimischen Glaubensgemeinschaften gibt es – wie allgemein bekannt sein dürfte – erhebliche Unterschiede, die in anderen Ländern bedauerlicher Weise auch äußerst konfliktträchtig sind.

Bezüglich Ihrer konkreten Fragen den Deutsch-Islamischen Vereinsverband Rhein-Main (DIV) betreffend ist zwischenzeitlich bestätigt, dass das Bundesfamilienministerium auf die entsprechende Recherche des HR hin, wonach mehrere der knapp 50 Untergliederungen der radikalislamistischen Muslimbruderschaft nahestehen, die Kooperationen im Bereich der Islamismusprävention beendet hat. Dies war nicht nur richtig, sondern nach meiner Auffassung zwingend. Wir haben bereits auf den ersten Bericht des HR hin als FDP-Fraktion Im Hessischen Landtag einen umfangreichen Fragenkatalog an die hessische Landesregierung gestellt, welche Kooperationen es mit muslimischen verbänden gibt, wie die Partner hierbei überprüft werden und welche Erkenntnisse es in Hessen bzgl. solcher Tendenzen in den Verbänden gibt. Wir erwarten eine Antwort der Landesregierung in nächster Zeit.

Gerade wegen dieser jüngsten Erkenntnisse möchte ich im Zusammenhang mit dem IRU allerdings klarstellen, dass der DIV kein Partner für den islamischen Religionsunterricht in Hessen ist. In Hessen sind DiTiB und Ahmadiyya Muslim Jamaat die Kooperationspartner für den islamischen Religionsunterricht. Die Einführung des bekenntnisorientierten Unterrichts ist vornehmlich ein verfassungsrechtlicher Anspruch gemäß unseres Grundgesetzes. Die Entscheidung über seine Einführung erfolgt auf Grundlage eines Genehmigungsverfahrens nach klaren Kriterien und aus diesem Grund wird er als ordentliches Lehrfach nach staatlichen Curricula, auf Deutsch und durch staatliche Lehrkräfte erteilt.

Die Lehrkräfte in Hessen werden seit dem Wintersemester 2011/2012 an hessischen Universitäten im Rahmen des Lehramtsstudiums ausgebildet, d.h. die komplette Lehre im Studiengang „Lehramt an Grundschulen mit dem Unterrichtsfach Islamische Religion/ Ethik mit dem Schwerpunkt Islam" erfolgt unabhängig durch die entsprechenden Institute der hessischen Universitäten. Studieninhalte etc. sind der Studien- und Prüfungsordnung genauestens hinterlegt. Die Kooperationspartner haben seinerzeit lediglich bei Aufstellung der Curricula mitgearbeitet, zudem erhalten die fertigen ausgebildeten Lehrer ihre Lehrerlaubnis von den Kooperationspartnern. Einen weitergehenden Einfluss auf die Lehrer gibt es seitens der Glaubensgemeinschaften nicht.

Bezüglich des Kooperationspartners DiTiB war es von Beginn an eine der wichtigsten Voraussetzungen, dass deren Unabhängigkeit vom türkischen Staat gewährleistet ist. So wurde unter anderem eine Unabhängigkeit des DiTiB-Landesverbandes Hessen vom der Deutschlandzentrale in Köln gefordert und satzungsmäßig auch festgelegt. Zudem wurden unabhängige Beratungsgremien eingesetzt. Seit etwas mehr als einem Jahr jedoch, insbesondere aber nach dem Putschversuch in diesem Sommer, gibt es vermehrt die Sorge, dass die türkische Religionsbehörde Diyanet ihren Einfluss auf DiTiB steigern könnte. Dies spiegelt sich insbesondere in personellen Entwicklungen im Vorstand des DiTiB-Landesverbandes, aber auch in äußerst grenzwertigen oder grenzüberschreitenden Äußerungen von DiTiB-Funktionären (vor allem in anderen Bundesländern) wieder. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen etwa stehen Kooperationen mit DiTiB auf dem Prüfstand – auch wenn man dazu sagen muss, dass bspw. in NRW auch ein anderes Modell für den IRU gewählt wurde als in Hessen.

Wir halten den IRU nach wie vor für eine riesige Chance für Integration und Vermittlung eines toleranten Islambildes an Schulkinder muslimischen Glaubens. Auch wenn wir die Kooperationspartner seinerzeit in Hessen sehr intensiv geprüft haben, spricht uns das nicht davon frei, die Situation stetig kritisch zu betrachten und ggf. - etwa bei erheblichen Veränderungen der Rahmenbedingungen - auch neu zu bewerten. Wir würden es jedenfalls nicht akzeptieren, dass ein fremder Staat unsere Schulen und unsere Toleranz dazu missbraucht, eigene politische oder religiöse Interessen zu verfolgen. Wir haben aus diesem Grund auch mehrfach Anfragen an das Kultusministerium in Hessen gestellt, die jedoch nach unserem dafürhalten dafür sprechen, dass eine ordnungsgemäße Kontrolle des Unterrichts im Rahmen der Schulaufsicht erfolgt und die politische Neutralität gewahrt ist. Nichtsdestoweniger werden wir die weiteren Entwicklungen, insbesondere bei den Kooperationspartnern, genau beobachten. Dies schließt ausdrücklich die finanziellen Abhängigkeiten, die Sie beschreiben und die wir auch zunehmend kritisch sehen, mit ein.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Rentsch