Frage an Felix Staratschek von Jürgen H. bezüglich Verkehr
Hallo Herr Felix Staratschek,
seit Jahren reden Politiker von einer Verkehrsverlagerung auf die Bahn, aber man hat den Eindruck es geschieht nichts.
Ist es da nicht besser die Straßen auszubauen, damit der Verkehr fließt und weniger Staus die Umwelt belasten?
Mit freundlichem Gruß
Jürgen Herr
Sehr geehrter Herr Herr!
Danke für ihre Frage, die auch für den Oberbergischen Kreis sehr wichtig ist. Denn gerade die Einstellung, dass eine Verlagerung im Güter- und Personenverkehr auf die Bahn nicht machbar ist, hat hier dazu geführt, dass im Oberbergischen Kreis die politischen Mehrheiten aus CDU und FDP eine Anti- Bahn- Politik betreiben und das Potential zerstören, dass die Schiene für die Menschen, die Wirtschaft und die Umwelt hat. Man kann in jedem Einzelfall im Oberbergischen Kreis zeigen, dass die Bahnstrecken nie der Stadtentwicklung oder dem Straßenbau im Wege standen, wenn man von vornherein richtig geplant hätte.
Gefördert wird diese Einstellung durch mächtige Lobbyorganisationen, wie den viele Millionen Mitglieder starken Club ADAC, der z.B. in seiner Zeitschrift "Motorwelt" Nr. 6/2003 schrieb:
"Meyer (ADAC- Präsident) widersprach, dass die Schiene unsere Verkehrsprobleme lösen könne - ihr Anteil nehme kontinuierlich ab, weil die Bahn als Transportmittel weder genügend Attraktivität noch Kapazität besitze."
Ähnliches würde auch 2010 in einer Broschüre des Lobbyverbandes "Pro Mobilität" verbreitet, dem der ADAC, die Autoindustrie und die Straßenbauer angehören.
Allerdings straft die Realität solche Aussagen Lügen. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass die Bahn Chancen hat. Dazu steht auch einiges auf meiner Homepage im Bereich Verkehrspolitik:
http://sites.google.com/site/oekoradevormwald/verkehrspolitik
Anders sehen das die Politiker der christlich liberalen Koalition. Bei einem Besuch in Wiehl sagte 2006 der der damalige Landesverkehrsminister Oliver Wittke:
"Wir können es uns nicht leisten, jedes Dorf mit der Schiene zu erschließen.
Uns fehlt die Vorstellungskraft, dass hier Güter und Personenverkehr irgendwann in einem nennenswerten Maße stattfindet" (Quelle: Presseschau von http://www.wiehltalbahn.de ).
Ich bin der festen Überzeugung, dass Politik nie von der anscheinend eingeschränkten Vorstellungskraft einiger Politiker abhängen sollte, sondern von der Suche nach Fakten und Tatsachen. Und Wiehl und Waldbröl an der Wiehltalbahn mit ihren 46.000 Einwohnern und weitere Orte der Region als "jedes Dorf" abzuqualifizieren, ist ein besonderer Fall von Dreistigkeit! Warum hat da keiner der Anwesenden protestiert?
Positive Beispiele für gute Verkehrskonzepte, die mir jetzt spontan einfallen und mehrfach Strecken betreffen, die von der regionalen Siedlungsstruktur dem Oberbergischen Kreis sehr ähneln:
Rurtalbahn Linich- Jülich- Düren- Heimbach (NRW)
Regiobahn Mettmann- Düsseldorf- Kaarst (NRW)
Bodensee- Oberschwaben- Bahn
Euregiobahn (Aachen, Tochter der DB!) (NRW)
Usedomer Bäderbahn (DB- Tochter)
Schönbuchbahn Böblingen- Dettenhausen
Wieslauftalbahn
Freiberger Eisenbahn
Vinschger Bahn Meran- Mals (Südtirol)
Taunusbahn
Vogtlandbahn
Nordwestbahn (Zwischen Osnabrück und Wilhelmshaven)
.......
Untergruppe: Verknüpfung von Straßenbahn und Eisenbahn:
Köln- Bonner Eisenbahn (älter als das Karlsruher Konzept aber nicht so bekannt)
Karlsruher Konzept (Stadtbahnen fahren weit über 100 km ins Umland und haben in mehreren Orten zur (Wieder-) Einführung der Straßenbahn geführt.
Saarbrücken/ Saarbahn nach Saargemünd
Nordhausen, Hybridstraßenbahn (Diesel und Strom) auf der Harzquerbahn
Chemnitz (City Bahn)
Kassel (Regio- Tram)
Die neueste Entwicklung sind Bahnen, die durch Stromspeicher auch kurze Streckenabschnitte ohne Oberleitung fahren können, so dass Streckenabschnitte, wo die Elektrifizierung sehr teuer ist (Tunnel, Brücken) oder problematisch (z.B. Führung als Straßenbahn oder bestimmte Bahnübergänge) auch ohne Oberleitung befahren werden können. Darüber hinaus können die Stromspeicher beim Bremsen erzeugten Strom aufnehmen und für das Beschleunigen zur Verfügung stellen.
Damit ist eindeutig bewiesen, dass gute Angebote auf der Schiene angenommen werden, selbst dann, wenn Jahrzehnte lang kein Zugverkehr stattfand oder die Züge mehr heiße Luft als Fahrgäste beförderten.
Im Güterverkehr sieht es etwas anders aus. Hier ist ein ganz neues Zugkonzept nötig. Dafür ist ein großes Investitionsprogramm nötig, um ein vollkommen neues Zugkonzept zu ermöglichen. Grundlage so einer neuen Güterbahn ist der Container.
Heute müssen die Güterwagen aufwändig eingesammelt werden. An einem Rangierbahnhof wird der Güterzug zerlegt, nachdem er in dem Wartebereich des Verschiebebahnhof auf seine Bearbeitung gewartet hat. Erst wenn alle Wagen für eine Richtung auf einem Gleis zusammen sind, kann der Fern- Güterzug starten. Dessen Wagen müssen am Ankunftsort wieder auf die Regionalgüterzüge verteilt werden. Die damit verbundenen Wartezeiten senken die Transportgeschwindigkeit enorm und erhöhen den Bedarf an teuren Waggons für die Bewältigung der Transporte. Zusätzlich ist der Aufwand so hoch, dass nur wenige Züge pro Tag fahren und insgesamt die Transportzeit für viele Unternehmen unakzeptabel ist.
Wichtig ist auch die Einführung eines Bahncontainers, der nicht für den Weitertransport mit anderen Verkehrsmitteln bestimmt ist, aber das Lichtraumprofil voll ausnutzt, dass auch normale Güterwaggons besitzen. Diese Container sollen Teile des heutigen Wagenladungsverkehrs übernehmen und durch ihr größeres Ladevolumen die Wirtschaftlichkeit des Containerverkehrs von Ladegeleis zu Ladegleis anheben.
Die neue Güterbahn orientiert sich am Inter City. Containerzüge verbinden die wichtigen Umladebahnhöfe im Stundentakt und bei Bedarf noch häufiger. Sie fahren in einen Einfahrbereich, an dem gleichzeitig alle Container, die für diesen Umladebahnhof bestimmt sind, dem Zug entnommen werden. Der Zug kann dann zum Beladebereich weiterfahren und in wenigen Minuten sind alle freien Containerplätze aufgefüllt. Der ganze teure Zug muss also nicht lange im Bahnhof verweilen und kann nach kurzer Umladezeit bereits den nächsten Transport befördern. Beim heutigen Konzept stehen die teuren Wagen dagegen stundenlang auf den Rangierbahnhöfen herum und die teuren Güterwagen für den schnellen Güterverkehr werden mit den Regionalgüterzügen auch über Bummelstrecken bis zu den Ladestellen gebracht, wo diese dann auch noch lange Zeit abgestellt bleiben.
Bei diesem neuen Güterzugkonzept wechseln die Container auf preiswertere Waggons für den langsameren Regionalverkehr oder auf selbstfahrende Güterwagen, um einzelne Container gezielt zum Zielort bringen zu können. Es werden wegen der geringeren Aufenthaltszeiten an Bahnhöfen und beim Rangieren für das Transportvolumen viel weniger Waggons benötigt.
Mehrfach täglich sollen Übergabezüge Container zu den regionalen Verladestellen bringen oder von dort abholen. Einzelne Container mit Terminfracht können auch über selbstfahrende Güterwagen an Personenzüge gekoppelt werden. Ebenso können LKW mit eiliger Fracht die Umladeknoten oder Bahnhöfe mit vielen täglichen Übergabefahrten direkt ansteuern. Weniger eilige Fracht wird immer dann befördert, wenn Züge nicht ausgelastet sind. Für die regionale Umladung der Container gibt es heute einfache Methoden, die an jedem Bahnhof und jedem Anschlussgleis genutzt werden können und die sich jedes Unternehmen leisten kann, dass regelmäßig bahnfähige Transporte hat. Statt Riesen- LKW auf unseren Straßen zuzulassen, ist es endlich an der Zeit, dass die Bahn endlich mal das leisten darf, was diese technisch leisten kann.
Auch Teilladungen können per Container transportiert werden. An den Bahnhöfen können Container abgestellt werden, die mit Paketen und Paletten beladen werden. Jede Güterzug- Übergabe nimmt den Container mit, der an den Umlade- Knoten gelehrt wird, um die Fracht in Richtungscontainer für die Fernziele umzuladen.
Wie so ein Zugkonzept aussehen kann, zeigt diese Seite:
http://www.container-linienzuege.de
Die Überall- Umladetechnik ist hier vorgestellt:
http://www.containerserviceamladegleis.de
Aber auch ohne dieses Konzept gibt es heute schon gute Anbieter für den
Güterverkehr auf der Schiene in NRW: http://www.one-nrw.de/uns.html .
Fatal ist, dass akut viele Flächen, die für so ein neues Güterzugkonzept gebraucht werden, von der Bahn verkauft werden und von Politikern mit anderen Funktionen überplant werden. Zwar benötigt die neue Containerbahn weniger Flächen, als der heutige Wagenladungsverkehr. Aber an vielen Orten besteht die Gefahr, dass die Flächen, die für eine moderne Güterbahn nötig sind, leichtfertig durch kurzfristige andere politisch geförderte Planungen nicht mehr für den Schienenverkehr nutzbar sind. Auch deshalb muss ich dringend in den Landtag, um die Politiker zum langfristigen Denken zu ermahnen.
Angesichts dieser Tatsache ist es mir unbegreiflich, das CDU, FDP, IHK und manche Unternehmer Bahntrassen als Investitionshindernis betrachten und dass diese Radwege auf Bahntrassen befürworten, die eher heute als Morgen wieder Zugverkehr reaktiviert werden müssten. Dass angesichts der Staus auf der A 1 und dem Kölner Autobahnring die Balkanstrecke (Köln-) Leverkusen- Burscheid- Wermelskirchen- Remscheid (-Wuppertal) nicht reaktiviert wurde, obwohl diese mehrere Großstädte verbindet und an den Zwischenhalten ca. 50.000 Anlieger bedient nicht reaktiviert wurde, ist ein Armutszeugnis für unsere aktuelle Verkehrspolitik. Umgehungsstraße und Stadtbahn wären in Wermelskirchen kein Widerspruch! Oder wollen die Politiker von CDU und FDP, die akut für diese Politik die Hauptverantwortung tragen, die Personen und Güter auf dem Balkanstreckenradweg mit Fahrradrickschas in die Betriebe bringen, wenn der nächste Ölpreisschock kommt ( http://www.peakoil.de )?
Hinzu kommen falsche Prioritäten bei der Bahnpolitik. Projekte wie Stuttgart 21 verbrauchen Milliarden, machen den Zulauf und die Ablauf zu dem neuen Bahnhof störanfälliger, verringern die Kapazität der möglichen Zugzahlen, die gleichzeitig am Bahnhof halten können und binden das Geld, das dringend für die vielen kleinen Maßnahmen benötigt würde, um die Kapazität des Netzes zu steigern und die Störanfälligkeit der Fahrpläne zu verringern. Die Folgen des Tunnelbahnhofs in Stuttgart werden durch mehr Verspätungen, mehr verpasste Anschlüsse oder durch das unmöglich machen von wesentlich mehr Zugfahrten sich auch für Nordrhein Westfalen negativ auswirken. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier statt einer sinnvollen Verkehrspolitik vor allem die Subventionierung der Bauindustrie stattfindet. Die Steuergeldverschwendung alleine für das verkehrspolitisch schädliche Projekt Stuttgart 21 ist größer, als die Einnahmen aller erworbenen Steuersünder- CD! Angesichts der enormen Staatsverschuldung ist auch der Protest des Landes Nordrhein Westfalen gegen diese verfehlte Politik dringend nötig und deshalb möchte ich in den Landtag, damit auch in der Verkehrspolitik so gehandelt wird, das dies "verträglich ist mit echter Permanenz menschlichen (menschenwürdigen) Lebens" auf der Erde (Philosoph Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung).
Ich habe selbst kein Auto und nutze den Umweltverbund aus Bus, Bahn, Fahrrad und den eigenen Füßen. Autofahrer, die mehr für die Umwelt tun wollen, können das auch im Öko- Autoschutzbriefclub VCD ( http://www.vcd.org ) tun. Ich gehöre diesem Club nicht an, da mir andere Mitgliedschaften bereits reichen. Aber es gibt keinen Schutzbriefclub, mit dem ich mehr politische Gemeinsamkeiten habe, als den VCD.
Jeder kann auch selber etwas für mehr Umweltschutz im Verkehr tun und nebenbei für seine Gesundheit:
http://www.mit-dem-rad-zur-arbeit.de
http://www.zu-fuss-zur-schule.de
In der Hoffnung, Ihre Frage umfassend beantwortet zu haben, mit bestem Gruß,
Felix Staratschek,
Freiligrathstr. 2, 42477 Radevormwald