Wie stehen sie einer Senkung der 5% Hürde auf 3% gegenüber, und was halten sie von der Einführung einer "Ersatzstimme", für den Fall, dass die bevorzugte Partei an der Sperrklausel scheitert?
Herr De Masi,
Sehen sie mir nach, dass diese Frage eigentlich zunächst gar nichts mit Europapolitik zu tun hat, ihre Einschätzung hierzu würde mich dennoch sehr interessieren.
Ich halte ich die 5% Sperrklausel auf Bundes- wie auf Landesebene (zumindest ohne Ersatzstimme) für unverhältnismäßig und demokratieschädlich, denn sie macht es kleinen Parteien (Das BSW hat durch mediale Aufmerksamkeit und bekannte Gesichter wie sie oder Frau W. einen gewissen Startvorteil, ist aber auch betroffen) effektiv unmöglich sich in Politik und Gesellschaft zu etablieren. Dies schadet dem politischen Wettbewerb, fördert Politikverdrossenheit und beeinträchtigt unsere Demokratie. Angesichts der Verschärfung dieser Situation durch Streichung der Grundmandatsklausel im neuen Wahlrecht der Ampel, ist die parlamentarische Repräsentation von Million von Wählern der CSU und der Linken auf Bundesebene gefährdet. Deshalb würde mich ihre Positon zu Wahlrecht, Sperrklausel und besonders Ersatzstimme interessieren.
Sehr geehrte Frau S.
das BSW selbst ist zuversichtlich, die Sperrklausel bei Bundestagswahlen sicher zu überwinden. Die verfassungsrechtliche Bewertung muss aber unabhängig von unserer eigenen Situation erfolgen.
Unsere Partei existiert jedoch erst seit wenigen Wochen und konzentriert sich aktuell auf die Europawahlen. Nach meiner Kenntnis existiert daher noch keine offizielle Position zu Ihrer Frage. Meine persönliche Haltung ist, dass die Höhe der Sperrklausel gut begründet sein muss. Daran gibt es zumindest legitime Zweifel.
So kritisierte etwa der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier die 5-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen. In Zeiten geringerer Wahlbeteiligung und etlicher Stimmen, die auf kleinere Parteien entfallen, ist es diskussionswürdig, ob zehn bis fünfzehn Prozent der Stimmen für sonstige Parteien einfach unter den Tisch fallen sollten.
Das Verfassungsgericht hat in den 1990er Jahren die Fünf-Prozent-Sperrklausel auf Bundesebene für verfassungsgemäß erklärt, da es ein funktionsfähiges Parlament als ein höheres Gut ansah als die exakte Widerspiegelung des politischen Willens. Es betonte dabei aber, dass „die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann“.
Ich denke, dass es zumindest genug Gründe für eine Neubewertung dieser Frage gäbe. Dies beinhaltet aber keine abschließende Position des BSW.
Mit freundlichen Grüßen
Fabio De Masi