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Fabio De Masi
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Frage von Marvin M. •

Frage an Fabio De Masi von Marvin M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr De Masi,
ich sah sie heute per Zufall in einem Video bei Russia Today (1) als ich nach SYRIZA suchte. Dies fand ich schon bei Ihrer Kollegin Dagdelen befremdlich, ähnlich wie auch Interviews von Herrn Dehm und Gehrcke bei Ken Jebsen. Bedienen doch beide [Russia Today und Ken Jebsen] meiner Meinung nicht das klassische Linke Milleu und sind es selbst auch nicht unbedingt.

Um aber unvoreingenommen an die Sache zu gehen, ging ich auf den Youtube-Channel von Russia Today und guckte mir dort die aktuellen Videos an. Das aktuellste ist eine Diskussion über das Unwort des Jahres, "Lügenpresse". Eingeladen sind Andreas Popp (der, für den auf einschlägigen Nazi-Seiten geworben wird (2), der regelmäßig mit neuen Verschwörungstheorien aufkommt) und Eva Hermann (die, die Hitlers Familienpolitik lobte und nun den Feminismus als größten Feind sieht, da die "Linken" Männer immer weiter verweichlichen wollten) und werden als passende Diskutanten begrüßt.

RT - der Staatssender, der sich stets als aufklärerisch und unabhängig ausgibt. Bei dem stets Querfrontler und Rechte anwesend sind. Ich sehe dort Interviews mit Ulfkotte (Redner bei Bogida, regelmäßig in rechten Parteien, großer Hetzer gegen den Islam) und ähnlichen.

Warum geben sie dort Interviews? Sehen Sie RT auch als freies Medium gegenüber westlich- gesteuerten Medien an, wie Herr Dehm (3)? RT tendiert deutlich in den Bereich von Querfrontlern, Rechten und Verschwörungstheoretikern. Als Linker gehe ich aber lieber mit Jutta Ditfurth, als mit Jürgen Elsässer auf die Straße. RT und KenFM sind aber deutlich und direkt auf der Seite von Elsässer und direkt gegen Jutta Ditfurth. Ich finde es schwer ertragbar Linke bei solchen Medien zu sehen. Irgendwo muss es doch eine Abgrenzung geben.

Liebe Grüße,
M. M.

(1) RT Video: https://www.youtube.com/watch?v=C86b1QLyzU8
(2) http://de.metapedia.org/wiki/Popp,_Andreas_%281961%29
(3) http://bit.ly/15cDvPM

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr M.,

Vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Vorweg:

Ich lehne die Thesen von Eva Hermann u.a. entschieden ab. Wenn ich Medien Interviews gebe, bedeutet dies nicht, dass ich deren Berichterstattung teile. Dies gilt weder für Russia Today, die BILD Zeitung oder die Tagesthemen. So konnte etwa kürzlich der ukrainische Ministerpräsident in den Tagesthemen unwidersprochen sagen, Russland sei ja bereits einmal in Deutschland einmarschiert (gemeint war damit der 2. Weltkrieg und die Befreiung vom Hitler Regime). Der Programmbeirat rügte gar kürzlich die Ukraine Berichterstattung der ARD. Ich fände es aber absurd der ARD Interviews zu verweigern und so die Chance zu vertun, kritische Sichtweisen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Ich setze daher grundsätzlich auf mündige Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich finde zudem dass wir in der Tat massive Defizite und Einseitigkeiten in der deutschen Berichterstattung haben (gleichwohl gibt es immer wieder rühmliche Ausnahmen und kritische Formate wie Monitor, Neues aus der Anstalt oder mutige Dokumentationen auf ARTE). Insofern sehe ich es sogar als meine Aufgabe an, gerade jene Menschen zu erreichen, die zu Recht Kritik an der dominanten Berichterstattung haben und sie nicht rechten Blendern und Verschwörungstheoretikern zu überlassen. Ich würde mich daher grundsätzlich immer kontroversen Medienformaten stellen, sofern diese nicht offen gewaltverherrlichend, menschenverachtend oder rechtsextrem sind.

Zu dem von Ihnen angesprochenen Auftritt bei RT: Ich hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach dem englischsprachigen Format von Russia Today Interviews gegeben. Dabei habe ich mich in meinen Aussagen zumeist nicht nur von der Politik der Bundesregierung sondern auch von der herrschenden Sichtweise in Russland auf die Euro Krise etc. abgesetzt. Das deutsche Format von RT war mir bis dato nicht wirklich bekannt. Ich wusste dass ein solches Format existiert und deutsche Medien dies als Versuch der russischen Regierung werteten, Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutschland zu nehmen. Allerdings habe ich mich nicht näher damit beschäftigt und trifft dies sicher auch auf Auslandsformate von US Sendern, Al Jazeera und zahlreiche Privatsender zu.

Mein Eindruck von RT war daher insgesamt, dass der Sender in Einzelfällen einen Beitrag zur zuweilen einseitigen Berichterstattung über internationale Themen in Deutschland leistet, aber mitunter auch sehr verzerrte Sichtweisen fördert und dubiose Gesprächspartner hat. Unter dieser Voraussetzung hatte ich aufgrund der Angstkampagne gegen Syriza nach mehreren Absagen an RT kurz vor den Wahlen in Griechenland ein Interview zugesagt.

Mit dem deutschen RT Format hatte ich mich bis dato nicht näher beschäftigt. Dass etwa das Interview mit mir in eine Sendung mit Hermann und Popp geschnitten wurde war mir im Vorfeld nicht bekannt. Grundsätzlich finde ich, dass man auch mal Eva Hermann befragen darf, wenn man dies nicht als Zeitverschwendung erachtet und vor allem mit Ihr ein kritisches Interview führt. Dies war aber offenkundig nicht der Fall.

Nachdem ich mich aufgrund von kritischen Kommentaren näher mit RT Deutsch befasst habe, würde ich Ihnen zugestehen, dass dort neben sehr vernünftigen Gesprächspartnern wie den Macher der medienkritischen Nachdenkseiten und ehemaligen politischen Weggefährten Willy Brandts, Albrecht M., oder diversen Bundestagsabgeordneten der LINKEN dubiosen Gesprächspartnern eine erhebliche Rolle eingeräumt wird. Dies mag in Zeiten des schwindenden Vertrauens in unabhängige und kritische Berichterstattung (man denke daran wie viele Zeitungen aufgrund der Krise des Print Journalismus überwiegend ungeprüfte Agenturmeldungen übernehmen oder den "embedded journalism" in Kriegen, wo Berichterstatter oft Informationen über die PR Abteilungen von Militärbündnissen wie der NATO beziehen) kalkulierter Tabubruch und Konzept sein. Dann sollte die Gesprächsführung aber auch hinreichend kritisch ausfallen.

Insofern kann man mir vielleicht eine gewisse Nachlässigkeit anlasten, dass ich mich im Vorfeld nicht näher mit dem Format befasst habe und die Einbettung meines Beitrags abgestimmt habe. Ich möchte aber hinzufügen, dass dies im Tagesgeschäft mit Medien auch nicht üblich ist.

Aufgrund der o.g. Defizite der Berichterstattung in zahlreichen, etablierten Medien in Deutschland und eines unzureichenden Dialogs mit Russland - wie er kürzlich auch von zahlreichen Persönlichkeiten wie Alt Kanzler Helmut Schmidt, Gerhard Schröder u.a. kritisiert wurde - fände ich es jedoch fatal, wenn Politiker der LINKEN ihre Teilnahme an Interviews davon abhängig machen, ob ihn jede Berichterstattung eines Senders gefällt oder nicht. Genauso wie man kein Anhänger Putins ist, wenn man auch die sicherheitspolitischen Interessen Russlands berücksichtigt oder westlich orientierte Oligarchen in der Ukraine wie Poroschenko oder Tymoschenko kritisiert und den Einfluss faschistischer Kräfte im Sicherheitsapparat benennt.

Daher würde ich grundsätzlich auch zukünftig Russia Today Interviews geben, wenn ich dies aufgrund der Bedeutung des Themas und der Behandlung in den deutschen Medien für angemessen halte. Allerdings werde ich die weitere Entwicklung des deutschen RT Formats kritisch verfolgen und dort nur Interviews geben, wenn ich hinreichend gewährleisten kann, dass dort Leuten wie Eva Hermann & Co keine unkommentierte Plattform geboten wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Fabio De Masi

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