Frage an Ewa Klamt von Christoph K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Klamt,
die EU plant die Antidiskriminierungsrichtlinien auszuweiten. Dies hat bereits zu erheblicher Rechtsunsicherheit und Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger geführt. Über die Höhe der Kosten dieses Gesetzes für den Steuerzahler wird zur Zeit noch gestritten. Eine Verschärfung dieses Gesetzes würde aber noch mehr Belastungen und Bürokratie mit sich tragen. Wie stehen Sie zu der Ausweitung der Antidiskriminierungsrichtlinie?
Mit freundlichem Gruß
C. Kulm
Sehr geehrter Herr Kulm,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 21. November 2008, die ich gern beantworten möchte. Gern möchte ich Sie über die Position der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament informieren. Im Rahmen des so genannten Sozialpakets hat die Kommission Anfang Juli den Vorschlag für die Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung - kurz: Antidiskriminierungsrichtlinie - vorgestellt.
Ich spreche mich gegen Diskriminierung in jeglicher Form aus, halte jedoch eine umfassende Rahmenrichtlinie nicht für den geeigneten Weg, Diskriminierung entgegenzutreten und befürchte neue bürokratische Lasten insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen. Die Rahmenrichtlinie bringt uns nicht die gewünschte Integration derjenigen, die wir schützen wollen, sondern bewirkt vielmehr eine Ausgrenzung. Ich befürchte auch neue bürokratische Lasten insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, daher teile ich die Bedenken, die Sie in Ihrer Email zum Ausdruck bringen.
Mit den in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmeregelungen geht die Kommission bereits auf die Kritik der CDU/CSU-Gruppe ein. Die Ausnahmen reichen aber nicht aus, um die Bedenken auszuräumen.
Im Bereich des Schutzes und Zugangs Behinderter wird die konkrete Pflicht festgelegt, effektiven diskriminierungsfreien Zugang zu Sozialschutz, sozialen Vergünstigungen, Gesundheitsdienstleistungen und Bildung sowie den Zugang und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, zu gewähren. Diese Maßnahmen dürfen nicht "unverhältnismäßig" sein. Der Begriff der Unverhältnismäßigkeit ist unbestimmt, führt zu großer Rechtsunsicherheit und lässt sich im deutschen Recht nur schwer umsetzen.
Gegen Deutschland und weitere 13 Mitgliedstaaten laufen bereits Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof wegen mangelhafter Umsetzung der vier vorhandenen Richtlinien auf dem Gebiet der Antidiskriminierung. Es ist zu befürchten, dass die neue Rahmenrichtlinie die vorhandene Rechtsunsicherheit weiter verstärkt und Deutschland zu Nachbesserungen am AGG zwingt, welches die vier vorhandenen Richtlinien in Deutschland umsetzt.
Mein Hauptausschuss, der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, befasst sich im weiteren Verfahren als federführender Ausschuss mit dem Richtlinienvorschlag. Weitere sechs Ausschüsse werden eine Stellungnahme abgeben (Sozial-, Umwelt-, Binnenmarkt-, Kultur- und Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Frauenrechte und Gleichberechtigung).
Im Parlament werden wir uns dafür einsetzen, dass die neue Richtlinie den Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen, nicht neue bürokratische Lasten auferlegen wird. Eine Regelung mit Augenmaß, die Diskriminierten hilft, aber zugleich realitätstauglich ist, ist unser Bestreben.
Mit freundlichen Grüßen
Ewa Klamt, MdEP