Frage an Evelyne Gebhardt von Sabine G. bezüglich Verbraucherschutz
Bei den Provisionen für Finanzprodukte haben sich die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament für die Interessen der Banken entschieden
Konkret geht es um die Frage: Sollen Provisionen für den Verkauf von Finanzprodukten verboten bzw. wenigstens an die Kund_innen weitergereicht werden?
Die Fraktionen hatten zunächst einen Kompromiss ausgehandelt, Provisionen an die Kunden weiterzugeben. Zwei Tage später, in der Sitzung des federführenden Ausschusses am 26.September, löste die sozialdemokratische Fraktion den Kompromiss wieder auf – mit einem geschickten Antrag, der lediglich ein “und” durch ein “oder” ersetzte. Mit den Stimmen von Konservativen und Liberalen wurde die Weitergabe der Provision damit von einer Pflicht zu einer möglichen Option heruntergestuft.
Wer diesen Antrag eingebracht hat, konnte man trotz zahlreicher Nachforschungen und Anfragen bis jetzt nicht herausfinden. Die Geschichte bleibt nebulös und keiner will es gewesen sein.
Auch die beiden deutschen sozialdemokratischen Mitglieder im Ausschuss, Udo Bullmann und Peter Simon, beantworteten diese Frage nicht.
Am Freitag wird das ganze Thema im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie “Mifid II” im Plenum verabschiedet.
Meine Fragen konkret:
Wie positioniern Sie sich in der Frage der Provisionen?
Warum und mit welchen Lobbyisten hatten sie in dieser Sache Kontakt ?
Wissen Sie welche sozialdemokratischen Mitglieder den Antrag eingebracht haben?
Wenn Sie es nicht wissen können Sie es bitte für mich herausfinden – und mir melden?
MfG Sabine Goisser, Wahlkreis Schorndorf
(Text zur Verfügung gestellt von H. Kutar auf der Seite www.lobbycontrol.de)
Sehr geehrte Frau Goisser,
das Europäische Parlament hat in der Plenarsitzung vom 26. Oktober 2012 in Straßburg mit überwältigender Mehrheit (495 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen, 19 Enthaltungen) die Revision der MiFID-Richtlinie (Markets in Financial Services Directive) verabschiedet. Die sozialdemokratische S&D-Fraktion und mit ihr die deutsche SPD-Gruppe hat dabei den zwischen Berichterstatter Markus Ferber (EVP, Deutschland) und den Schattenberichterstattern Robert Goebbels (S&D, Luxemburg) und Olle Schmidt (ALDE, Schweden) verhandelten Kompromiss unterstützt. Dieser basiert auf dem einstimmig verabschiedeten Abstimmungsergebnis des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen (ECON) vom 26. September 2012, wurde aber im Vorfeld der Plenarabstimmung aus sozialdemokratischer Sicht an entscheidenden Stellen verbessert.
Der vom Europaparlament verabschiedete Gesetzestext, der in den kommenden Monaten in Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission konkretisiert wird, ermöglicht die Zahlung von Provisionen danach nur noch in drei Fällen:
-Wenn Provisionen gänzlich an den Kunden weitergereicht werden,
-wenn Provisionen allein zur Deckung der bei Beratung und Anlage entstandenen Kosten und Gebühren führen,
-wenn Provisionen bei Geschäftsabschluss an den verkaufenden Berater oder das verkaufende Institut entrichtet werden und der Kunde umfassend über Art und Höhe der Provisionen sowie den Empfänger informiert wird.
Wer beim Verkauf von Finanzprodukten Provisionen kassiert, wird sich etwa künftig nicht mehr´unabhängig´ nennen dürfen und muss die Kunden darüber informieren. Gleichzeitig bleibt jeder Anlegerin und jedem Anleger die Wahl zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung. MiFID II stellt schließlich jedem Mitgliedstaat frei, ein umfassendes Verbot von Provisionszahlungen durch nationale Gesetzgebung zu beschließen. Gerade dieser letzte Punkt war uns Sozialdemokraten besonders wichtig.
Sehr wichtig war uns auch eine Revisionsklausel, die die Europäischen Kommission verpflichtet die Modelle der Provisions- und Honorarberatung kritisch auf ihre Funktionsweise, Auswirkungen und Verbraucherfreundlichkeit zu überprüfen.
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die jetzige Form der Provisionsberatung grobe Missstände aufweist und grundlegend reformiert werden muss, damit Finanzberatung besser und transparenter wird. Eliteberatung ausschließlich für Vermögende und Besserverdiener kann dagegen nicht unser Ziel sein. Der Einstieg in eine reine Honorarberatung, wie von Grünen und britischen Konservativen gefordert, gefährdet aber das flächendeckende Angebot professioneller Beratung für alle - vor allem für Anleger und Anlegerinnen mit begrenzten Mitteln. Gerade die Erfahrungen in Großbritannien, wo Provisionsberatungen ab 2013 verboten sind, zeigt schon jetzt, dass Banken ihr Beratungsangebot erheblich einschränken und Anlageberatung zur exklusiven Vermögensverwaltung der Reichen verkommt. Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen lehnen dies als unsozial und verbraucherfeindlich ab.
Der jetzt verabschiedete Kompromiss stellt aus unserer Sicht eine sinnvolle Abwägung zwischen der Verschärfung der Regulierung des Anlagemarktes für Finanzprodukte, der Verbesserung des Verbraucherschutzes und der Erhaltung der Wahlfreiheit für den Kunden sowie der Verfügbarkeit professioneller Anlageberatung für alle dar.
Als deutsche Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben wir uns diese Abwägungsentscheidung nicht einfach gemacht und die vorgetragenen Argumente kritisch geprüft. Für Einwirkungsversuche von Lobbyisten zu Lasten der Interessen von uns vertretener Bürger und Bürgerinnen ist dabei kein Platz. Dies gilt im MiFID II-Paket für Gespräche mit Wirtschafts- und Verbrauchervertretern, ebenso wie für alle anderen Gesetzgebungsverfahren.
Die Berichterstattung zu den Beratungen über das MiFID II-Paket erweckte vereinzelt den Eindruck die sozialdemokratische Fraktion habe sich in letzter Minute gegen eine Neuregulierung der Anlagemärkte für Finanzprodukte gewandt und damit einer verbraucherunfreundlichen Reform zur Durchsetzung verholfen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die zuständigen Berichterstatter der Fraktionen haben bis zuletzt um einen Kompromiss gerungen. Der jetzt beschlossene Text wurde von den Berichterstattern von EVP, S&D und Liberalen ausgehandelt und technisch durch den S&D Schattenberichterstatter eingebracht. Zwischenzeitliche, am britischen Modell der Honorarberatung orientierte Übereinkünfte zwischen britischen Konservativen und den Grünen wurden dagegen voreilig als beschlossene Position des ECON-Ausschusses missverstanden und ebenso vorschnell als angeblichen Durchbruch zur Abschaffung des Provisionsmodells propagiert. Tatsächlich gab es unter den Berichterstattern der Fraktionen im Ausschuss aber keine Mehrheit für einen sofortigen Wechsel auf reine Honorarberatung.
Mit freundlichen Grüßen,
Evelyne Gebhardt