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Frage von Peter W. •

Frage an Eugen Roth von Peter W. bezüglich Finanzen

Ich habe einige Fragen zur „Schuldenbremse“ formuliert, die ich so an mehrere Kandidaten aus unterschiedlichen Parteien stellen möchte.
Der Haushaltsausgleich und damit auch der Beginn der Altschuldentilgung sollen ja am Ende der „Schuldenbremse“ stehen – so ist es zumindest inzwischen gesetzlich verankert.
Was wollen Sie konkret in welchen Bereichen tun, um dieses Ziel auch wirklich zu erreichen?
Also z.B. noch mehr Steuereinnahmen, u. ä. (die sind aber ohnehin schon auf Rekordniveau), Ausgabenkürzungen z.B. im öffentlichen Dienst (wenn, dann bitte bei den Ministeriumsspitzen anfangen – Vorbildcharakter!).
Wie halten Sie es mit öffentlichen Investitionen, die „Leuchtturm-Charakter“ haben, aber kaum/keine Einnahmen bringen (jedenfalls kaum Return on Investment) und viel Geld kosten (weitere Verschuldung!) und die Baumaßnahmen teilweise zu erheblichen Beeinträchtigungen über Jahre führen würden? (insbesondere der Tunnel im Rahmen des ansonsten guten Projekts Stadtmitte am Fluss, aber auch z.B. Fußball-Stadion, Eventhalle, neue Messe, u.a.)
Inwieweit spielt auch der Verkauf von öffentlichem Eigentum eine Rolle, um einen größeren Beitrag zur Schuldentilgung zu leisten und vor allem auch damit die Zinslast für die nahe Zukunft zu senken? (Also z.B. Grundstücke/Gebäude, aber auch Firmenbeteiligungen wie die an der Saar LB, u.a.)
Und zum Schluss eine eher technische Frage: Wann kommt eigentlich im Bundesland Saarland die Doppik (bilanzähnliche, doppelte Buchführung), die bei den Kommunen schon eingeführt ist und insgesamt zu deutlich mehr Transparenz und damit zu neuen Handlungsalternativen führen kann?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Peter Wachs,

gerne beantworte ich ihre Fragen, die Sie vorgestern über "www.abgeordnetenwatch.de" an mich gestellt haben.

Zunächst zur sogenannten "Schuldenbremse": Die sehe ich vor wie nach sehr kritisch, weil Schulden nicht gleich Schulden sind, z.B. wenn es um Kreditaufnahmen für wichtige und eventuell sogar rentierliche Investitionen geht, weil das Haushalten der berühmten "Schwäbischen Hausfrau" nun mal in nichts mit den Anforderungen einer Volkswirtschaft vergleichbar ist und weil das Instrument starr und unflexibel ist. Haushaltskonsolidierung ausschließlich über Streichungen und Kürzungen kann auch weder im Saarland noch sonst irgendwo funktionieren. Dies ist rechnerisch leicht nachvollziehbar, denn bei der "Schuldenbremse" geht es ja zunächst "nur" darum, die Neuverschuldung ab 2020 auf "Null" zu reduzieren, nicht aber die bereits angewachsenen Altschulden und deren nachfolgende Haushaltsbelastungen durch Zinszahlungen abzubauen. Dennoch müssen auch wir im Saarland als „Haushaltsnotlageland“ uns dieser Aufgabe stellen, denn zuletzt steht die sogenannte "Schuldenbremse" ja seit 2009 in unserer Verfassung, dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Als Demokrat, Abgeordneter und ehemaliger Staatsdiener(Polizist)achte ich das Grundgesetz, ja ich bin sogar bereit, seine freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen. Zu unserem föderalen System gehören aber auch Bund - Länder und Kommunen. Würde die kommunale Verschuldung in einer Bund - Länder - Bilanz mit eingerechnet, würde unser Saarland im föderalen Vergleich nicht mehr so schlecht da stehen wie mit einer nur unvollständigen Finanzbilanz, die zum Beispiel im PWC - Gutachten der Landesregierung 2011 halt unvollständig erstellt wurde. Dennoch: Wir werden im Auftrag der unumgänglichen Haushaltskonsolidierung nicht um Kürzungen und Streichungen bei den öffentlichen Haushalten herumkommen, egal wie wir rechnen und was wir sonst auf der Einnahmeseite tun. Vertiefende Informationen sind unter anderem über den sogenannten "Stabilitätsrat" im Internet unter www.stabilitaetsrat.de erhältlich. Dabei sollen nach meiner Auffassung und auch der meiner Partei, der SPD Saar, die "Beteiligten" stark eingebunden werden: In den Verwaltungen sind dies die Mitbestimmungsorgane, d.h. die Personalräte und ihre Gewerkschaften. Bezogen auf die gesamte Bevölkerung muss das Element der Bürgerbeteiligung erweitert und sein Einsatz im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erleichtert werden. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass selbst beim Aufstellen von Haushalten eine gut vorbereitete und organisierte Bürgerbeteiligung erfolgen kann. Auf kommunaler Ebene geschieht dies bereits, zum Beispiel in der Stadt Essen und andernorts. Nicht zuletzt erinnere ich daran, dass unser Saarland bis Anfang der 1980er Jahre „Geberland“ war und z.B. Bayern mit rund 140 Milliarden Euro förderte. Der Bund - Länder - Finanzausgleich ist also keine Einbahnstraße und langfristig angelegt.

Etwas konkreter:

Wir müssten im Saarland öffentliche Aufgaben und Strukturen kritisch überprüfen nach der Methode "Was ist eine unverzichtbare, öffentliche Aufgabe? Welche Aufgaben können auch unter gleichen Bedingungen und zu erwartenden Ergebnissen an anderer Stelle öffentlich oder privat erledigt werden? Welche Strukturen brauche ich unbedingt zu dieser Aufgabenerledigung? Könnte die Aufgabe unter Umständen wegfallen? Gibt es Doppelarbeit? Auf Basis der Abarbeitung dieser und weiterer Leit- und Anlaysefragen müssen nachfolgend Strukturen auf den Prüfstand. Danach muss, auch unter sozialen und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten, die Personalausstattung - unter enger Einbindung der Personalvertretungen und ihrer Gewerkschaften - analysiert werden.

Wir werden aber unseren Haushalt nicht ohne Einnahmeverbesserungen, sei es aus dem Bund - Länder - Finanzausgleich oder aus Steuereinnahmen, konsolidieren können: Ohne Einnahmeverbesserungen wäre dies die "Mission: Impossible". Wir haben ein System in Deutschland, das die Ungleichgewichte zwischen "Arm" und "Reich" immer deutlicher verstärkt. Dies kann nicht im Sinne eines modernen Gemeinwesens sein. Hierzu empfehle ich Ihnen zur Vertiefung den "DGB - Verteilungsbericht 2011", veröffentlicht am 23.11.2011, siehe http://www.dgb.de/presse/++co++172fcc62-15b0-11e1-6a7f-00188b4dc422/@@index.html?search_text=Verteilungsbericht+2011 . Einnahmeverbesserungen sind aber politisch überwiegend auf der Bundesebene gesetzlich oder politisch zu bewirken. Deshalb brauchen wir nach meiner tiefen Überzeugung eine stärkere Stimme im Bund mit einem saarländischen SPD - Ministerpräsidenten Heiko Maas. „Traumforderungen“ werden im wahren Leben nicht weiterhelfen, sondern nur intelligente und harte, politische Tagesarbeit.

Beim Thema Wirtschaftsförderung muss genauer als bisher hingeschaut werden, ob die geförderten Maßnahmen für unsere Wirtschafts- und Infrastruktur unumgänglich oder sogar zwingend notwendig sind und auch, ob sie eine gewisse Beschäftigungswirkung erzielen unter dem Aspekt "Guter Arbeit".

Einzelne sogenannte "Leuchtturmprojekte" müssen selbstverständlich unter ihrer vielfältigen Wirkung genau und unter Einbeziehung des Bürgerwillens analysiert werden: Die von ihnen angesprochenen, sogenannten Leuchtturmprojekte "Stadtmitte am Fluss" in unserer Landeshauptstadt, die Messe in unserer Landeshauptstadt, eine neue Eventhalle in unserer Landeshauptstadt wie auch die Renovierung des Ludwigsparkstadions in unserer Landeshauptstadt usw. haben natürlich erhebliches Strukturgewicht für das gesamte, kleine aber liebenswürdige Bundesland Saarland und sind für unsere saarländische Bauwirtschaft von großer Bedeutung. Der Arbeitgeberverband der saarländischen Bauwirtschaft hat sich nicht zuletzt deshalb auch bereits mehrfach und öffentlich für diese Leit- und Zukunftsprojekte ausgesprochen. Ich halte sie auch ganz persönlich für wichtig und richtig. Allerdings werden wir sie - in allen Details bis hin zum sogenannten "Tunnel" - immer auf das finanziell Machbare und strukturpolitisch Sinnvolle hin aktuell überprüfen müssen. Gleiches gilt in Anbetracht unserer stark alternden bzw. sich verringernden Bevölkerungsstruktur.

Die Einführung der doppischen Haushaltsführung auf Länderebene müsste, nach einer kritischen Evaluation ihrer bereits geschehenen Einführung auf der kommunalen Ebene, ebenfalls geprüft werden. Erste Informationen, die ich hierzu aus der kommunalen Ebene erhalte, lauten: Erheblicher, bürokratischer Mehraufwand bei nur unverhältnismäßigen Transparenz- und Erfahrungsgewinnen für kommunale Handlungsoptionen. Dennoch: Die Doppik bleibt aktuell. Wir dürfen sie aber nicht in ihrer Bedeutung überhöhen.

Letztendlich ist ein öffentliches Gemeinwesen wie eine Kommune, ein Land oder eine Republik mit Herz und Verstand zu führen. Deshalb dürfen rein betriebswirtschaftliche Lehren nicht einfach volkswirtschaftlich übertragen werden, wie diese beiden Wissenschaftsdisziplinen belegen.

Im Ergebnis:

Die Haushaltskonsolidierung als Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe ist und bleibt kompliziert. Es gibt keine einfachen und kurzen Antworten. Wir dies behauptet, gaukelt den Menschen etwas vor. In jedem Fall bin ich ein überzeugter Föderalist und Saarländer. Insofern halte ich an unserem wichtigen, liebens- und lebenswerten Saarland als eigenständiges Bundesland fest, denn nicht zuletzt ist dies auch eine grundsätzliche Frage von Demokratie und Machtkontrolle in einem föderalen Bundesstaat, d.h. der Staatsaufbau ist eine Demokratie und keine Fiskalfrage. Wenn wir uns die Demokratie nicht mehr leisten können, können wir einpacken.

Für weitere, programmatische Fragen empfehle ich auch im Internet unser SPD Programm, an dem ich mitwirken durfte: http://www.spd-saar.de/fileadmin/pdfs/Wahl2012/Themen/2012_-_02-27_-_entwurf_regierungsprogramm-gesamt.pdf .

Freundliche Grüße von

Eugen Roth