Was unternimmt die SPD, damit Kinder in Deutschland von beiden Elternteilen paritätisch erzogen und betreut werden können? Wann unterstützen Sie das Wechselmodell?
Sehr geehrte Frau Kalveram,
immer wieder geistert das Gespenst durch den öffentlichen Diskurs, Väter würden sich angeblich nicht ausreichend in die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder einbringen wollen. Gleichzeitig erschwert das gegenwärtige Familienrecht, dass es zur paritätischen Aufteilung der Betreuung der Kinder kommt. Noch immer wird das Kind in Loyalitätskonflikte zu seinen Eltern gedrängt. Längst ist bekannt, wie wichtig es für Kinder ist, dass ihm beide Elternteile zur Verfügung stehen. Immer mehr Väter wollen sich einbringen, aber die Rechtsprechung erschwert das. Viele Fälle, in denen Mütter den Kindern den Umgang mit ihren Vätern systematisch erschweren sind bekannt. Gleichzeitig tappen Mütter auf diese Weise in die vielfach kritisierte Falle der Alleinerziehenden. Wann wird die SPD hier progressiv aktiv werden und das Wechselmodell als Standardmodell für die Betreuung von Kindern nach der Trennung der Eltern unterstützen?
Sehr geehrter Herr K.,
Herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Das sogenannte paritätische Wechselmodell oder Doppelresidenzmodell bezeichnet ein Lebensmodell, in dem Kinder in zwei Haushalten, meist denen von Vater und Mutter, aufwachsen. Dieses Modell ist in Deutschland, anders als zum Beispiel in Belgien, Frankreich, Italien, den USA und Kanada nicht gesetzlich verankert.
2015 beschloss der Europarat einstimmig eine Resolution zu „Gleichheit und gemeinsamer elterlicher Verantwortung“. Dadurch soll die Diskriminierung von Vätern abgebaut und das paritätische Wechselmodell gesetzlich verankert werden. Dies ist bisher in Deutschland nicht umgesetzt und auch die Rechtsprechung ist bisher nicht einheitlich.
In einem Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion vom 7. März 2017 (Wechselmodell: Je zur Hälfte bei Mama und Papa wohnen | SPD-Bundestagsfraktion (spdfraktion.de)) bekräftigen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Abkehr vom Leitbild des sogenannten Residenzmodells als Standard. „Jede Familie ist anders, jede Trennung individuell“ heißt es darin. Bisher ist eine gesetzliche Umgangsregelung nach dem Wechselmodell nicht ausgeschlossen, in der Mehrzahl der Fälle wird allerdings nach dem Residenzmodell entschieden. Für die SPD ist es zwingend notwendig, das Wechselmodell durch eine Rechtsgrundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern, so dass nach einer eingehenden Einzelfallüberprüfung und im Sinne der Kinder das Wechselmodell vereinbart und auch angeordnet werden kann. Das Wohl des Kindes muss hierbei immer an erster Stelle stehen. Eine Pflicht zur Anordnung eines bestimmten Modells, also das Wechselmodell als Regelfall lehnen wir ab. Zur Sicherung der Familien wollen wir außerdem das Unterhaltsrecht reformieren.
Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag (S. 102 Koalitionsvertrag 2021 (bundesregierung.de)) darauf geeinigt, das Wechselmodell in den Mittelpunkt zu stellen. Mit einem Gesetzentwurf wird Anfang des nächsten Jahres gerechnet. Mit ordnungsgemäßem Ablauf des Verfahrens kann dieses dann im 3. Quartal abgeschlossen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Esther Kalveram