Frage an Erwin Rüddel von Regina T. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
halten sie es aus ethisch-,moralisch-und klimabezogenen gründen noch vertretbar die massentierhaltung - auch noch für den export - in einem industrieland wie deutschland weiter zu betreiben oder sollte man jetzt nicht andere wege gehen und fördern?
hierzu noch die zweite frage, da das "C" in ihrer partei für christlich steht, wäre es nicht gegeben das tierschutzgesetz neu zu bearbeiten, ev. ist es einmal gemacht worden als es so manche grausame art von tierhaltung noch gar nicht gab?
Sehr geehrte Frau T.,
vielen Dank für Ihre Frage. Als Nicht-Experte auf diesem Gebiet habe ich mich zwei Quellen bedient, die die Komplexität des Themas deutlich machen. Am 28.12.2014 kommentierte Jan Grossarth in der FAZ "Wer die Massentierhaltung abschaffen will, muss sagen, woher Fleisch, Milch, Eier kommen sollen. Eine mögliche Antwort lautet: aus Massentierhaltung im Ausland. Eine andere: Es gibt diese Produkte dann eben nicht mehr günstig für die Masse" und "Die Realität ist: Es gibt heute kaum etwas anderes. Die Enten und Hühner, die in Gärten herumlaufen, fallen nicht ins Gewicht. In Deutschland stammen ungefähr 98 Prozent des Fleisches aus konventioneller Tierhaltung, bei Milch und Eiern sind die Anteile etwas geringer. Auch ein großer Teil der Bioprodukte kommt aus Massentierhaltung. Es gibt Bioställe mit Tausenden Hühnern oder Tausenden Schweinen. Der Begriff Massentierhaltung per se sagt also wenig. Man kann ihn als nüchterne Beschreibung der Realität verstehen, aber auch als magisches Wort, in dem Dämonisierung und Ressentiment mitschwingen. Gemeint ist meistens: die Haltung so vieler Tiere, dass das einzelne nicht wahrgenommen wird...."
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin veröffentlicht auf seiner Homepage folgenden Text:
"Kennzeichen für mehr Tierwohl - im ersten Schritt national und freiwillig
Tierwohl endet nicht an Landesgrenzen: Klöckner strebt als zweiten Schritt EU-weite verbindliche Regelung an.
Eine erkennbare Auszeichnung von mehr Tierwohl - darauf haben sich die Koalitionsparteien in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Das Ziel: Mehr Orientierung für den Verbraucher beim Einkauf. Zudem sollen Landwirte, die mehr für das Tierwohl tun als das Gesetz verlangt, belohnt werden. Das BMEL bereitet die Einführung vor. Es setzt dabei zunächst national auf Freiwilligkeit. Warum, erfahren Sie hier.
Erster Schritt: national und freiwillig
National schlägt das BMEL als ersten Schritt ein Kennzeichen vor, mit dem die Tierhalter dem Verbraucher deutlich machen können: Bei diesem Produkt wurden höhere Standards erfüllt als gesetzlich vorgeschrieben.
Deutschland geht damit einen Weg, den innerhalb der EU Dänemark und die Niederlande bereits erfolgreich bei dem in ihren Ländern ebenfalls freiwilligen Tierwohlkennzeichen beschritten haben.
Alle drei Länder setzen national auf Freiwilligkeit, gilt doch eine national-verpflichtende Kennzeichnung als europarechtlich nur schwer durchsetzbar.
Warum? Der Spielraum für nationale Regelungen im EU-weit harmonisierten allgemeinen Lebensmittelkennzeichnungsrecht ist eng. Je weiter der mit einer nationalen Vorschrift verbundene Eingriff in die Freiheit des Warenverkehrs im EU-Binnenmarkt ausfällt, desto schwieriger ist es, diese erfolgreich einzuführen. Die konkrete Ausgestaltung darf ausländische Produkte im Verhältnis zu deutschen Produkten nicht diskriminieren, muss gleichwertige Standards anerkennen und sich auf zulässige Gründe stützen.
Ziel ist eine möglichst EU-weit verbindliche Kennzeichnung
Die vom BMEL vorgelegte freiwillige Kennzeichnung - mit verpflichtenden verbindlichen Kriterien, deren Einhaltung durch eigene Kontrollen überprüft wird - ist von der EU erfolgreich notifiziert worden. Damit gibt es grünes Licht für das nationale Gesetzgebungsverfahren.
Diese freiwillige nationale Kennzeichnung soll aber nicht der Endpunkt der Arbeiten zum Tierwohlkennzeichen sein.
Das Ziel war immer, eine möglichst EU-weit verbindliche Kennzeichnung zu erreichen. Denn: Tierwohl endet nicht an Landesgrenzen.
Im zweiten Halbjahr 2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft: Bundesministerin Julia Klöckner beabsichtigt diese zu nutzen, um die Einführung einer EU-weit verbindlichen Tierwohlkennzeichnung zum Thema zu machen.
Und gerade, weil Klöckner dies beabsichtigt, ist es ein Zeichen der Glaubwürdigkeit, jetzt das zu tun, was kurzfristig national machbar ist: Die Einführung eines freiwilligen Tierwohlkennzeichens mit verbindlichen Kriterien für Deutschland. Darauf kann eine europaweit verpflichtende Haltungskennzeichnung aufbauen. Einige Länder haben bereits Unterstützung signalisiert.
Damit gibt die Bundesregierung ein Signal an Landwirte, Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland sowie an die EU und die anderen Mitgliedsstaaten: Das Thema ist der Ministerin ernst und wird nicht auf die lange Bank geschoben."
Ich hoffe, dass wir zeitnah zu guten Lösungen kommen.
Viele Grüße
Erwin Rüddel