Frage an Erwin Huber von Stefan D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Huber,
Mitte Januar wurde in der Amberger Zeitung berichtet, dass sich die CSU „für Freihandelsabkommen stark macht“. Die CSU-Abgeordneten (unter Ihrer Federführung) würden die Chancen betonen, die sich für die exportorientierte bayrische Wirtschaft daraus ergeben sollen.
1. Alle Befürworter der Freihandelsabkommen sprechen davon, dass dadurch Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Da zwischen Europa und Nordamerika ohnehin schon in erheblichem Umfang Handel getrieben wird, können ein zusätzliches Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze nur durch Freihandelsabkommen entstehen, wenn diese noch bestehende Handelshemmnisse beseitigen.
Meine Fragen daher:
Welche konkreten Handelshemmnisse beeinträchtigen die bayrische Wirtschaft derzeit im Handel mit Nordamerika? Wenn es solche konkreten Handelshemmnisse gibt, warum können dann nicht konkret diese durch Verhandlungen ausgeräumt werden? Können Sie mir überhaupt konkrete Handelshemmnisse, die in TTIP und CETA ausgeräumt werden sollen und die der bayrischen Wirtschaft helfen könnten, benennen?
2. TTIP und CETA sollen Investorenschutzklauseln enthalten. Sind Sie für solche Investorenschutzklauseln, wenn ja warum?
Im Weidener Becken wurde einem Rohstoffkonzern gestattet, Probebohrungen für etwaige Schiefergasvorkommen durchzuführen im Investitionsvolumen von 900.000 Euro laut Zeitungsangaben. Wenn nun beispielsweise durch ein Gesetz in Deutschland Fracking verboten werden sollte, könnte dieser Konzern wegen seiner getätigten Investitionen möglicherweise eine Klage gegen Deutschland wegen dieses Gesetzes vor einem Internationalen Schiedsgericht erheben, das von irgendwelchen internationalen Schiedsrichtern besetzt ist. Der Ausgang eines solchen Verfahrens ist dann offen, bzw. möglicherweise führt allein schon die Androhung dazu, dass es zu keinem solchen Gesetz mehr kommt. Können Sie solch ein Szenario durch TTIP und CETA ausschließen?
MfG
S. Donhauser
Allgemein vorweg: Der Handel zwischen Unternehmen verschiedener Staaten oder Wirtschaftsräume wird durch tarifäre (Zölle) und nichttarifäre Regelungen (z.B. technische Normen, Ge- und Verbote) verteuert, begrenzt oder behindert. Die Beseitigung derartiger Handelshemmnisse ist ein Vorteil für beide Seiten, das ist in der wissenschaftlichen Literatur seit rd. 200 Jahren unbestritten. Seit langem wird deshalb versucht, den Nutzen des unbehinderten Handels durch internationale Vorgaben (WTO) oder bilaterale Vereinbarungen zu erhöhen. Deutschland hat insgesamt rd. 130 bilaterale Abkommen abgeschlossen und gilt als Erfinder der Investitionsschutzklauseln und der Schiedsgerichte. Durch die Europäischen Verträge ist die Zuständigkeit für den Außenhandel auf die Europäische Union übergegangen.
Die Initiative für TTIP ist von der EU ausgegangen und wird derzeit verhandelt. Der Verhandlungsauftrag erfolgte durch einen Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten. Ein Ergebnis wird wohl erst im nächsten Jahr vorliegen. Da es sich um ein sog. gemischtes Abkommen handelt wird für die Gültigkeit die Ratifizierung durch das Europäische Parlament und die Parlamente aller Mitgliedstaaten der EU für erforderlich gehalten. Das Abkommen mit Kanada (CETA) ist ausgehandelt und formuliert, derzeit wird es juristisch geprüft und übersetzt und dann wohl unterzeichnet und ratifiziert.
Derzeit kann bei TTIP nur beurteilt werden, was Verhandlungsgegenstand ist und was die Vertragspartner dazu erklären. Eine Gesamtbewertung kann erst erfolgen, wenn der Vertragstext vorliegt. Im derzeitigen Stadium gilt es also Chancen und Risiken grundsätzlich abzuwägen. Im derzeitigen Stadium ist aus meiner Sicht kein ko-Problem ersichtlich, das einen Stopp der Verhandlungen auslösen könnte.
Zu 1: Die Zölle sind insgesamt zwischen EU und USA nicht sehr hoch und sie schwanken je nach Gütern zwischen 2 und 28 %. Bei einem Warenaustausch von rd. zwei Milliarden Euro täglich zwischen D und den USA geht es doch um erhebliche Belastungen, die letztlich auf die Käufer umgelegt werden. Export- und Importgüter werden also billiger, wenn Zölle weiter gesenkt werden. Das stärkt die Kaufkraft der Menschen.
Zu den nichttarifären Handelshemmnissen gehören vor allem technische Normen. Häufig genannte Beispiele sind Zulassungsvorschriften für Kfz. Die Harmonisierung könnte eine erhebliche Kostensenkung für die Hersteller von Fahrzeugen aller Art mit sich bringen. Das ist z.B. in besonderem Maße im bayerischen Interesse, denn BMW und Audi haben hohe Exportquoten. Die global-player können Handelshemmnisse übrigens leichter umgehen als der Mittelstand, denn sie produzieren eben dann auf den Verkaufsmärkten, wie es z.B. BMW und Audi in den USA, Indien, China schon machen. Das Montagewerk von BMW in Indien ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass auf Importautos ein Zoll von 80 % erhoben wird, bei der Lieferung von Teilen aber nur zwischen 10 und 30 %. Der Mittelstand kann das nicht so leicht und ist deshalb auf Handelsverträge mehr angewiesen als die Konzerne.
Von Gegnern des TTIP wird vor allem auf unterschiedliche Vorgaben bei Lebensmitteln und auf den Verbraucherschutz hingewiesen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass auch in den USA ein ausgeprägter Verbraucherschutz mit z.T. horrenden Schadenersatzfolgen besteht. Außerdem ist längst geklärt, dass z.B. hormonbehandeltes Fleisch und auch das vielzitierte Chlorhühnchen nicht in die EU importiert werden dürfen und das auch durch TTIP nicht geändert wird.
Zu 2. Die CSU-Landtagsfraktion hat bei dem zitierten Beschluss in Kreuth darauf hingewiesen, dass es aus deutscher Sicht Schiedsgerichte nicht bräuchte, da wir ein gefestigter Rechtsstaat sind mit unabhängiger Justiz. Von kanadischer und amerikanischer Seite wird darauf hingewiesen, dass nicht alle 28 Staaten der EU diesen Standard hätten. Unter der Hand wird dabei auf Ungarn, Kroatien, Bulgarien und Rumänien hingewiesen; auch in die italienische Justiz hat man oft nicht das größte Vertrauen. Die Praxis hat gezeigt, dass bei Schiedsgerichten vor allem Privatpersonen und Mittelständler klagen, weniger die Konzerne. Erstaunlicherweise gibt es auch in Europa Streitigkeiten, die vor Schiedsgerichten ausgetragen werden, z.B. haben die Stadtwerke München ein Schiedsgericht wegen Investitionen in erneuerbare Energien in Spanien angerufen. Die Bundesregierung hat übrigens einen Milliardenstreit gegen Toll Collect (unser Mautsystem für LKW) für ein Schiedsgericht gebracht und nicht vor ein ordentliches Gericht. Ich nenne diese Beispiele, weil es sich also um Regelungen handelt, die keine Neuerfindung sind und gerade von deutschen Unternehmen oder Privatpersonen in Anspruch genommen werden.
Im Vordergrund von Investitionsschutz steht eine Brandmauer gegen Enteignungen und vor Diskriminierung ausländischer Investoren. In unserer Rechtsordnung sind Enteignung und enteignungsgleiche Eingriffe entschädigungspflichtig. Was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, gilt leider nicht überall, wie aktuell Vorgänge in Ungarn zeigen.
Zu Probeerkundungen von Gas in der Oberpfalz. Es trifft nicht zu, dass Probebohrungen genehmigt wurden, schon gar nicht für Fracking. Das wäre im übrigen schon deshalb unsinnig, weil es nach mehreren geologischen Untersuchungen Schiefergas in Bayern gar nicht gibt. Es sind Erkundungen genehmigt worden, auf Erdgasvorkommen, die in konventioneller Förderung erschlossen werden könnten, so es sie überhaupt gibt.
Entschädigungspflichtige Eingriffe setzen eine Genehmigung voraus und das gilt für in- und ausländische Unternehmen gleichermaßen.
Zusammenfassung: Ich sehe in der Tat für ein exportorientiertes Land wie Bayern zusätzliche Chancen durch den Abbau von Handelshemmnissen, auch wenn sie sich heute nicht genau abschätzen lassen. Das wäre außerdem ein Schutz gegen zunehmende protektionistische Regeln in immer mehr Ländern z.B. in Südamerika, China und Asien. Deshalb wäre ein Vertrag z.B. mit China durchaus positiv zu sehen.
Beste Grüße
Erwin Huber