Frage an Ernst-Reinhard Beck von Jan K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Beck,
die deutschen Reeder fordern von der deutschen Marine Schutz vor Piraten. Das ist - insbesondere angesichts der jüngsten Vorkommnisse - verständlich.
Ebenjene Reeder lassen jedoch von Ihren ca. 3000 international eingesetzten Schiffen offenbar bislang noch nicht einmal 500 unter deutscher Flagge fahren. Selbst das Ziel von 500 Schiffen unter deutscher Flagge bis Ende dieses Jahres wurde anscheinend erst seit der Regelung der Tonnagesteuer und wegen der Subventionierung der Lohnnebenkosten für Seeleute ausgegeben. (Quellen: http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/23/884709.html und http://www.verkehrsrundschau.de/deutsche-reedereien-rueckflaggungsziel-wird-eingehalten-789846.html )
Daher meine Fragen:
1. Auf welcher Rechtsgrundlage könnte die Marine den Reedern helfen, wenn Ihre Schiffe nicht unter deutscher Flagge fahren?
2. Wird, wenn die Marine hilft, zumindest Druck auf die Reeder ausgeübt, ihre Schiffe wieder unter deutscher Flagge fahren zu lassen?
Mit Dank für Ihre Antwort und freundlichen Grüßen,
Jan Krauß
Sehr geehrter Herr Krauß,
ich danke Ihnen für Ihre Fragen.
Nach Art. 101 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) der Vereinten Nationen ist Seeräuberei bzw. Piraterie jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung oder jede Plünderung, welche die Besatzung oder die Fahrgäste eines privaten Schiffes oder Luftfahrzeugs zu privaten Zwecken begehen und die auf hoher See oder an einem Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht stattfindet und
- gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder gegen Personen oder Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs gerichtet ist
- sowie jede Anstiftung hierzu,
- jede absichtliche Erleichterung einer solchen Handlung
- jede freiwillige Beteiligung am Einsatz eines Schiffes oder Luftfahrzeugs in Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass es ein Seeräuberschiff oder -luftfahrzeug ist.
Gemäß Artikel 105 können Kriegsschiffe aller Staaten auf Hoher See oder an jedem anderen Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, ein Seeräuberschiff oder ein durch Seeräuber erbeutetes und in der Gewalt von Seeräubern stehendes Schiff aufbringen, die Personen an Bord des Schiffes festnehmen und die dort befindlichen Vermögenswerte beschlagnahmen. Die Gerichte des Staates, der das Schiff aufgebracht hat, können über die zu verhängenden Strafen entscheiden.
Die Bundesregierung erklärte im Dezember 2004 mit Bezug auf das SRÜ: „Die Bundesrepublik Deutschland ist als Unterzeichnerstaat und Vertragspartei zu dessen Einhaltung verpflichtet und hat die hierfür notwendigen Voraussetzungen geschaffen“ (Bundestagsdrucksache 15/4477, S. 60).
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Schiffe eines anderen Staates nach dem Recht ihres Flaggenstaates von dieser völkerrechtlichen Befugnis Gebrauch machen dürfen, richtet sich nach dem Recht des jeweiligen Staates. Gemäß deutschem Recht liegt die Zuständigkeit für derartige Einsätze jenseits der deutschen Territorialgewässer bei der Bundespolizei See.
Damit auch deutsche Kriegsschiffe von den Befugnissen der Art. 100 ff des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen Gebrauch machen können, bedarf es des Handelns im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 des Grundgesetzes.
Der Europäische Rat hat ein Krisenmanagementkonzept freigegeben, um mit einer ESVP Mission einen Beitrag zur Durchsetzung der Sicherheitsratsresolutionen zu leisten. Am 29. Juli 2008 hat das Politische- und Sicherheitspolitische Komitee der EU angewiesen, militärstrategische Optionen für eine maritime ESVP-Mission vor Somalia zu entwickeln, falls sich die Mitgliedsstaaten dafür aussprechen. Dieses ist erfolgt.
Die deutschen Reeder, so meine Informationen, werden diplomatisch in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit zur Rücknahme der Ausflaggung hingewiesen. Denn in der Tat ist die derzeitige Situation in meinen Augen wenig glücklich.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ernst-Reinhard Beck MdB