Frage an Ernst-Reinhard Beck von Thorsten H. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Beck,
am 28.02.2013 stimmten sie zur Abstimmung "Wasser als Menschenrecht, Antrag der Fraktion Die Linke Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern" mit "Nein".
Damit stellten sie die Gleise für den Einzug privater Unternehmen in die zukünftige Wasserversorgung der Bevölkerung.
Privatisierung der Wasserversorgung ist der Welt nicht unbekannt und es gibt bereits Erfahrungen, aus denen man schöpfen kann. Preissteigerungen, Qualitätsminderung, Wartungsmängel oder sogar Versorgungsunsicherheit folgten häufig daraus. Dies sind drohende Gefahren.
Unser aktuelles System hingegen funktionierte zuverlässig. Ihre Stimme riskiert diese Zuverlässigkeit.
Ein Wasserversorgungssystem mit privater Beteiligung wird für den Verbraucher unübersichtlicher. Die Privatisierung technischer Infrastruktur hatte oft genug einen Tarifdschungel zur Folge. Jener begünstigt die Tricks privater Versorger und die Verwirrung beim Konsumenten. Seien sie sich sicher: Die privaten Versorger werden jeden Trick nutzen, jede Karte spielen, uns das Wasser nachts zum "Mondscheintarif" anbieten, uns die ersten 1000 Liter gratis geben, sich Durchleitungsentgelte und Qualitätsgarantien extra bezahlen lassen und Monatspreise mit komplizierten Fußnoten versehen.
Sind sie der Meinung, dass Deutschland sein unbestreitbar gut funktionierendes Trinkwasserversorgungssystem durch die Öffnung für private Unternehmen verbessert?
Falls ja, was wird sich konkret verbessern?
Sind Sie der Meinung, dass sie in dieser Abstimmung den Willen der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland durchsetzten?
Ich und Wir sind sehr gespannt auf ihre Antworten.
Mit freundlichem Gruß
Thorsten Hafemann
PS: Sollten sie bereits an anderer Stelle auf identische Fragen geantwortet haben, bitte ich sie um Verweis auf diese Antworten.
Sehr geehrter Herr Hafemann,
ich danke Ihnen für Ihre Frage zum Thema Privatisierung der Wasserversorgung.
Zu der von Ihnen erwähnten Abstimmung habe ich nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gemeinsam mit Kollegen folgende Erklärung abgegeben:
"Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Unsere Position in der Sache erklären wir wie
folgt:
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und wir persönlich sprechen uns ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus unserer Sicht evident.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.
In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrspartenstadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten – zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung – betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden.
Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden, Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung."
Mit freundlichen Grüßen
Ernst-Reinhard Beck