Frage an Ernst-Reinhard Beck von Reinhold B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Beck,
der ESM-Vertrag soll den provisorischen Rettungsschirm EFSF ersetzen.
Dieser Vertrag wird eine Institution legitimieren, welche der Bundesrepublik ohne nennenswerte Mitsprache enorme finanzielle Leistungen abverlangen können wird (man spricht bisher schon von Größenordnungen bis zur Häfte des Bundeshaushalts).
Diese Institution wird u.a. mit einer vollständigen Immunität ausgestattet werden, damit werden selbst bei ernsthaften Fällen weder deutsche noch europäische Gerichte auch nur Akteneinsicht verlangen geschweige denn rechtsprechend tätig werden können.
Korrigieren Sie mich bitte gerne, wenn dies nicht eine Entmündigung des Deutschen Bundestags ist.
Werden Sie dem ESM-Vertrag zustimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Beck
Sehr geehrter Herr Beck,
ich danke Ihnen für Ihre Anmerkungen zum ESM.
Grundsätzlich ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass alle wesentlichen Entscheidungen von ESM-Organen unter Parlamentsvorbehalt stehen werden.
Zu Ihren Punkten im einzelnen:
Zu Art. 9 (Kapitalabrufe):
Reguläre Kapitalabrufe stehen wie alle wesentlichen Entscheidungen des ESM unter dem Einstimmigkeitsprinzip. Deutschland kann also mit einem Nein solche Entscheidungen verhindern. Es gibt allerdings eine besondere Form von Kapitalabrufen im ESM (geregelt in Art. 9 Abs. 2 und 3 des ESM-Vertrags), bei denen das Einstimmigkeitsprinzip aufgehoben ist. Sollten Fälle auftreten, in denen dem ESM selbst Verluste oder sogar seine Zahlungsunfähigkeit drohen – und damit seine Existenz bedroht wäre – sind Kapitalabrufe zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des ESM einfacher möglich. Aber auch in diesen Fällen wären Kapitalabrufe nur im Rahmen des durch die Einrichtung des ESM bereits durch die Parlamente genehmigten Kapitals möglich. Die Haftung eines jeden Mitglieds des ESM ist in jedem Fall streng auf diese Summe begrenzt
Zu Art. 10 (Kapitalerhöhungen):
In Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag ist vorgesehen, dass das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals regelmäßig überprüft werden. Änderungen erfordern einen einstimmigen Beschluss des Gouverneursrats, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Finanzminister, welche die gewählten Regierungen der Eurostaaten repräsentieren, vertreten sind. Deutschland verfügt auf Grund des Einstimmigkeitserfordernisses jederzeit über ein Vetorecht; ein Beschluss gegen die Stimme Deutschlands ist also nicht möglich. Für eine Erhöhung des genehmigten Stammkapitals wäre in Deutschland eine erneute gesetzliche Regelung erforderlich. Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag sieht hierzu ausdrücklich vor, dass ein Beschluss des Gouverneursrats zur Änderung des Kapitals erst in Kraft tritt, nachdem die jeweils erforderlichen nationalen Verfahren zur Umsetzung des Beschlusses abgeschlossen sind.
Zu Art. 27 und 30 (Immunität):
Es handelt sich um bei Internationalen Finanzinstitutionen übliche Regelungen. Die Tätigkeit des ESM beinhaltet, so z.B. bei der Privatsektorbeteiligung, äußerst komplexe rechtliche Vorgänge, welche regelmäßig mit erheblichen Risiken behaftet sind. IN der Regel handelt es sich um Immunitäten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Organisation. Handlungen der Bediensteten sind folglich nur dann geschützt, wenn sie offizieller Natur sind. Allerdings sind für die Spitze der Organisationen, also z. B. den Präsidenten, teilweise weitergehende Immunitäten vorgesehen. Diese Immunitäten entsprechen den Immunitäten, die den Diplomaten im zwischenstaatlichen Verkehr zukommen. Der Gouverneursrat des ESM, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone vertreten sind, bzw. der Geschäftsführende Direktor können die Immunität der Amtsträger und Bediensteten bei Bedarf aufheben. Vergleichbare Regelungen gelten u.a. für den IWF, die Weltbank sowie regionale Entwicklungsbanken wie z.B. die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB).
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ernst-Reinhard Beck