Frage an Ernst-Reinhard Beck von Frank S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Beck,
demnächst steht das AMNOG zur Abstimmung an. Darin werden Einsparungen für die Kassen im Arzneimittelbereich u.a. über eine Änderung der Vergütung des pharmazeutischen Großhandels angestrebt. Die geplanten Kürzungen beim GH werden - nach Ankündigung des PHAGRO-Vorsitzenden Dr. Trümper - direkt an die Apotheke weitergeleitet, so dass die Apotheken insgesamt mit 500 Mio. € belastet werden.
Welche Möglichkeiten sehen sie um diese Belastung der Apotheken zu reduzieren und vor allem die Arzneimittelversorgung auf dem Land durch die Apotheke vor Ort zu sichern?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Schmid
Sehr geehrter Herr Schmid,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Arzneimittelneuordnungsgesetz. Um Ihre Frage zu beantworten, möchte ich etwas ausholen.
Aufgrund des für das Jahr 2011 erwarteten Defizits in Höhe von bis zu elf Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen sind umfangreiche Maßnahmen erforderlich geworden, damit unser weltweit führendes Gesundheitswesen in Deutschland auch bei einer immer älter werdenden Bevölkerung und angesichts des in Zukunft weiter steigenden medizinischen Fortschritts weiterhin leistungsfähig und bezahlbar bleibt. Damit gewährleistet ist, dass die Finanzierung der Gesundheitsversorgung auf viele Schultern verteilt wird, werden alle in einem fairen Paket beteiligt: die Leistungserbringer, die Arbeitgeber, die gesetzlichen Krankenkassen, deren Mitglieder und alle Steuerzahler. Das ist gerecht und ausgewogen. Auch die Pharmaindustrie, der Großhandel und die Apotheken müssen daher ihren Beitrag leisten.
Für die Pharmaindustrie gilt bereits seit dem 1. August 2010 ein Preismoratorium und ein um zehn Prozent erhöhter Zwangsrabatt. Alleine dadurch werden in den Jahren 2011 und 2012 jeweils 1,15 Milliarden Euro gespart. Die von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) gemachte Behauptung, „milliardenschwere Pharmakonzerne“ würden gefördert und die Arzneimittelversorgung durch kleine, mittelständische Apotheken gefährdet, ist vor diesem Hintergrund schlichtweg falsch.
Der Großhandel erhält seine Vergütung über den Großhandelszuschlag, der von den Krankenkassen bzw. den Selbstzahlern getragen wird. Die Vergütung des Großhandels ist jedoch nicht leistungsgerecht und soll daher mit dem Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) auf einen preisunabhängigen Festzuschlag von 60 Cent je Packung und einen zusätzlichen Zuschlag von 1,7 Prozent umgestellt werden. Dadurch sparen wir ab dem Jahr 2011 ca. 400 Millionen Euro zu Gunsten der Versichertengemeinschaft ein. Da der Großhandel den Apotheken bisher einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Marge als Rabatte weitergegeben hat, werden von dieser Maßnahme Großhandel und Apotheken gleichermaßen betroffen sein. Somit werden durch diese Maßnahme neben dem Großhandel auch die Apotheken indirekt an den Ausgabenbegrenzungen beteiligt. Dies ist im Sinne einer ausgewogenen Beteiligung aller Ausgabenbereiche an der Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt.
Sie sprechen konkret die Aussage von Herrn Dr. Trümper an. Dieser Kritikpunkt hat inzwischen auch mehrfach die Fachpolitiker meiner Fraktion erreicht. Es ist nun angedacht, einen festen Mechanismus einzuführen, mit dem die Kosten zwischen Großhandel und Apotheken direkt aufgeteilt werden und nicht - wie von Herrn Dr. Trümper angekündigt - einfach an die Apotheken weitergegeben werden können.
Darüberhinaus wird die gesetzlich zugesicherte Vergütung der Apotheken nicht verändert. Die freiberuflich tätigen Apothekerinnen und Apotheker erhalten für jedes abgegebene rezeptpflichtige Arzneimittel ein festes Einkommen (drei Prozent des Einkaufspreises zuzüglich 8,10 Euro je Packung abzüglich Krankenkassenrabatt). Eine gesetzliche Erhöhung des Apothekenabschlags ist nicht vorgesehen, so dass die Apotheken ausschließlich über die Umstellung der Großhandelsvergütung an den Reformmaßnahmen beteiligt werden. Dies ist notwendig, da bei der momentanen Ausgabesituation der gesetzlichen Krankenversicherung jeder, auch die Apothekerinnen und Apotheker, einen vertretbaren Solidaritätsbeitrag leisten müssen.
Insgesamt verknüpfen wir die kurzfristig wirkenden Sparmaßnahmen mit langfristig wirkenden Strukturmaßnahmen. Zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung durch die Filialapotheken - auch im ländlichen Raum - haben wir uns mit dem Koalitionspartner daher bereits im Koalitionsvertrag auf ein Verbot der Pick-Up-Stellen verständigt. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken der Bundesregierung mussten wir die bereits fertiggestellte Formulierung kurzfristig aus dem AMNOG herausnehmen. Wir sind auch weiterhin für ein Verbot von Pick-Up-Stellen, das jedoch verfassungskonform sein muss und daher nicht mehr kurzfristig im Rahmen des AMNOG umsetzbar sein wird.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ernst-Reinhard Beck