Frage an Ernst-Reinhard Beck von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Beck,
1)ursprünglich hiess es, dass die ca. 200 KSK-Kräfte aus Afghanistan abgezogen wurden.Nun erfährt man, dass KSK-Kräfte in Form der Task Force 47 noch in Afghanistan weilen.Das hat etwas den Anschein von Verwirrung der Öffentlichkeit.Durch welches Mandat ist dies gedeckt?
2)Sind sie nicht auch der Ansicht, dass wenn nicht eine gehörige Anzahl paschtunischer Afghanen selbst gegen die Taliban kämpfen will, dieser Krieg nicht zu gewinnen ist.Man kann das Land dann noch mit soviel ausländischen Soldaten vollstellen, es wird nicht viel ändern.Zum Konzept der selbsttragenden Sicherheit sagte Karzai, es werde 5 Jahre dauern, bis die Afgahnische Natioanlarmee selbsttragend sei, inzwischen hat er die Zahl auf 10-15 Jahre revidiert.Sind die Afghanen so kriegsmüde oder wie erklärt sich, dass ein Volk, dass wegen seines archaischen Kriegerimages noch vor Jahren als Prototyp des Kämpfers gesehen wurde,sich nun allen Anschein nicht mehr selbst zu verteidigen weiss.
3) Gibt es eigentlich schon weiterblickende Pläne,falls Afghanistan und Pakistan in die Hände der Taliban fallen?Was dann?Dann wäre denkbar, dass sich Iran und Indien direkt bedroht fühlen und der Konflikt dann zwischen diesen Staaten eskaliert.Wäre gar eine indisch-iranische Allianz denkbar, die vom Westen unterstützt würde?Wäre es nicht denkbar, dasss sich Iran wegen talibanpakistanischer A-Waffen selbst welche zulegt?Halten sie einen Präventivkrieg Indiens und der USA für möglich, falls die Gefahr besteht, dass die Taliban und/oder Al Kaida Zugang zu psakistanischen Atomwaffen erhalten?
4) Ist es nicht logisch, dass die Bundeswehr in Afghanistan nicht nur defensiv abwartend agiert, sondern auch aktiv und offensiv, ja auch mit gezielten Tötungen, Überraschungsangriffen und
Offensiven und nicht nur abwartet, bis sie beschossen wird, um dann zurückzuschiessen?
Mit freundlichen Grüssen
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Afghanistan-Einsatz, die ich gerne beantworte.
In Afghanistan sind internationale Truppen unter zwei verschiedenen Mandaten tätig. Zum Einen ist dies die UN-mandatierte Unterstützungsmission ISAF, bei der sich die Bundeswehr von Beginn an beteiligt. Auf der anderen Seite existiert mit der Operation Enduring Freedom (OEF), dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus unter Federführung der USA, eine weitere Mission in Afghanistan, die unter dem Artikel 5 des Washingtoner Vertrages firmiert. Für OEF hat die Bundeswehr ursprünglich die Fähigkeiten des KSK bereit gestellt. Da diese Soldaten seit 2003 nicht mehr angefragt wurden, ist das KSK aus der Mandatierung von OEF herausgenommen worden. Unter OEF-Mandat sind folglich keine KSK-Soldaten mehr in Afghanistan im Einsatz. Innerhalb des Mandates von ISAF ist es der militärischen Führung vor Ort allerdings jederzeit möglich, KSK-Kräfte zur Unterstützung anzufordern. Diese Option vorzuhalten ist auch militärisch sinnvoll. Aufgrund der nicht trennscharfen öffentlichen Berichterstattung ist es zu Irritationen in der Bevölkerung gekommen, was die Aktivität des KSK in Afghanistan angeht. Aber eines gilt uneingeschränkt für den Einsatz deutscher Soldaten. Es bleibt somit festzuhalten: Das KSK operiert auf dem Boden von Recht und Gesetz in Afghanistan.
Die Problematik in Afghanistan ist nicht der fehlende Wille der Bevölkerung, sich gegen die Taliban zur Wehr zu setzen. Es sind die Unzulänglichkeiten und die fragwürdige Legitimation der Zentralregierung, die einen zügigen Aufbau von schlagkräftigen Sicherheitskräften verzögern. Aus diesem Grund nehmen wir die Regierung Karsai auch zunehmend in die Pflicht. Es ist deren Aufgabe, Vertrauen zu bilden und gegen Korruption vorzugehen. Wenn das gelingt, wird sich das afghanische Volk in Zukunft eigenständig gegen die Aufständischen zur Wehr setzen können.
Ich beteilige mich nicht an Spekulationen über Szenarien nach dem Abzug der Soldaten der internationalen Gemeinschaft. Wenn wir die Dinge richtig anpacken, brauchen wir uns auch keine Sorgen um die Zukunft Afghanistans und unsere Sicherheit in Deutschland zu machen.
Mit der überarbeiteten Taschenkarte hat die Bundeswehr dringend nötige Handlungsfreiheit gewonnen. Die überfällige Anpassung war nötig, um auf die spezifische Bedrohungslage vor Ort zu reagieren. Es ist im Sinne der Sicherheit unserer Soldaten, wenn sie nicht warten müssen, bis sie beschossen werden, sondern bei konkreter Gefährdung unverzüglich handeln können. Diese Lücke haben wir im Juli 2009 mit der neuen Taschenkarte geschlossen.
Das sogenannte „gezielte töten“, im amerikanischen „targeted killing“ genannt, kennt die Bundeswehr nicht. Bewaffnete Terroristen, die im Begriff stehen eine Aktion durchzuführen, sind jedoch ein legitimes militärisches Ziel. Sie dürfen bekämpft werden. Dies ist im Übrigen auch durch das humanitäre Völkerrecht so abgedeckt.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ernst-Reinhard Beck MdB