Frage an Ernst Dieter Rossmann von Gerhard R. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,
ein Auszug aus der Pressemitteilung 1140 der Grünen(www.gruene-bundestag.de) vom 30.10.08 zum Eurosolar-Gutachten "Sicherung von Kernkraftwerken vor Terrorangriffen":
"Wir fordern die Bundesregierung auf, die Anlagenbetreiber im Rahmen einer Verordnung dazu zu verpflichten, Schadensvorsorge gegen Terrorangriffe auf Atomkraftwerke zu treffen.
Des Weiteren fordern wir die Bundesregierung erneut auf, in Kooperation mit den zuständigen Landesbehörden darauf hinzuwirken, dass die terroranfälligen AKW in Deutschland so schnell wie möglich vom Netz gehen und stillgelegt werden."
Unterstützen Sie und die SPD-Fraktion diese Forderungen?
Muß ich im Falle einer Fortsetzung der jetzigen Koalition nach der Bundestagswahl damit rechnen, daß das Akw Brunsbüttel wieder angeschaltet wird?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Frage zur Sicherheit von Kernkraftwerken vor Terrorgriffen.
Ich möchte voranstellen, dass ich den Atomausstieg für einen der zentralen Beschlüsse der rot/grünen Bundesregierung halte. Die bekannte Unsicherheit der Kernenergie mit unverantwortlichen Unfallrisiken und der Hinterlassenschaft von atomarem Müll für zehntausende von Jahren haben die SPD in den vergangenen Jahren dazu veranlasst, eine energiepolitische Wende einzuleiten. Unter Rot/Grün wurden der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen sowie die öffentliche Förderung erneuerbarer Energien drastisch erhöht. Die im Jahr 2000 vereinbarte Befristung der Regellaufzeiten von Atomkraftwerken führt dazu, dass in den nächsten Jahren weitere Atomkraftwerke vom Netz genommen werden. Dazu stehen wir nach wie vor und sorgen dafür, dass der Atomausstieg auch gegen den immer wieder geäußerten Widerstand aus der CDU/CSU beibehalten wird.
Konkret nehmen Sie Bezug auf eine Pressemitteilung der Grünen. Zentrale Forderungen sind hierbei die Verpflichtung der Kernkraftwerke zur Schadensvorsorge gegen Terrorangriffe auf Atomkraftwerke sowie die Stilllegung terroranfälliger Atomkraftwerke.
Rechtlich relevant ist hier das 2000 unter dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin novellierte Atomgesetz. In der damaligen Bedrohungsanalyse war die Gefahr durch Terrorangriffe bereits mit inbegriffen. Als Beispiel wird in der öffentlichen Debatte eine Attacke mit entführten Flugzeugen ähnlich der Anschläge vom 11. September 2001 in New York herangezogen. Nun kommt aber auch das von EUROSOLAR, einem Dachverband zur Ausweitung der Nutzung Erneuerbarer Energien, beauftragte Gutachten, auf das sich die Grünen beziehen, zu dem Ergebnis, dass letztlich keins der deutschen Atomkraftwerke einem Angriff mit einem Passagierflugzeug standhielte. Die politische Forderung der Grünen, dass die terroranfälligen Atomkraftwerke sofort vom Netz gehen müssten, läuft insofern darauf hinaus, alle deutschen AKW sofort vom Netz zu nehmen.
Dadurch wäre allerdings die Gefahr nicht sofort beseitigt. Nach Stilllegung eines AKW dauert es noch etwa zehn Jahre, bis dieses zurückgebaut werden kann, da die radioaktive Strahlung der Brennelemente erst soweit abklingen muss, dass ein Abriss möglich ist. Auch in dieser Zeit besteht noch die genannte Gefahr bei einem terroristischen Anschlag mit einem Passagierflugzeug. Die Wirkung wäre dann analog einer sogenannten "schmutzigen Bombe".
Die Maßnahmen, die von den Grünen gefordert werden, gehen am von den Grünen mitverantworteten Atomkonsens vorbei. Dieser besagt ja nun gerade, dass den deutschen Atomkraftwerken Restlaufzeiten zugewiesen werden und diese nach deren Ablauf abgeschaltet und rückgebaut werden. Bei aller Gegnerschaft zur Atomenergie müssen wir an diesem Plan festhalten, auch um ganz erhebliche Schadensersatzforderungen der Betreiber der Kernkraftwerke zu vermeiden.
Außerdem nehmen die Grünen in ihrer Pressemitteilung eine Forderung aus dem angesprochenen Gutachten mit auf, nach der der Bund von seiner Verordnungsermächtigung aus § 12 Abs. 1 Nr. 10 Atomgesetz Gebrauch machen soll, wonach die Anlagenbetreiber dazu verpflichtet werden können, Schadensvorsorge gegen Störmaßnahmen Dritter gegen die Atomkraftwerke zu betreiben. Der Weg, der unter dem grünen Umweltminister Trittin begonnen und jetzt vom SPD-Umweltminister Gabriel fortgesetzt wurde, ist ein anderer. Derzeit wird über Schutzkonzepte und Schadensvorsorge mit den Betreibern direkt verhandelt, der Weg über entsprechende Verordnungen des Bundes ist nicht gewählt worden. Das ist derzeit meiner Meinung nach auch ausreichend. Es ist mir nicht bekannt, dass hier Vorschläge in der Debatte sind, über die nicht im Einvernehmen mit den Anlagenbetreibern eine Einigung erzielt werden könnte. Insofern ist es derzeit nicht notwendig, die genannte Verordnungsermächtigung zu nutzen.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass die Bundesregierung eine Änderung im Atomgesetz (§ 12b) plant, die die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen, die in oder an Atomkraftwerken arbeiten, zum Schutz gegen Entwendung oder Freisetzung radioaktiver Stoffe verschärfen soll. Diese Maßnahme ist auch eine Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 und soll die Gefahr von Atomkraftwerken "von innen heraus" minimieren.
Sie sprechen das Problem der Übertragung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke an. Die Grundkonzeption sieht so aus, dass im Atomgesetz Restlaufmengen für die einzelnen Atomkraftwerke festgelegt sind. Den Betreibern ist es freigestellt, Restlaufmengen von älteren auf neuere Kraftwerke zu übertragen. Umgekehrt ist dies nicht möglich, dazu müsste zunächst das Atomgesetz geändert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat, gerade was das Kernkraftwerk Brunsbüttel angeht, regelmäßig darauf gedrängt, die Restlaufzeiten auf neuere, technisch sicherere Kernkraftwerke zu übertragen. Vattenfall als Betreiber sträubt sich dagegen und hofft vermutlich darauf, dass unter einer CDU/CSU/FDP-Bundesregierung nach der nächsten Bundestagswahl das Atomgesetz geändert und die Restlaufzeiten verlängert werden könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB