Frage an Ernst Dieter Rossmann von Günter A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Hallo Herr Dr. Rossmann,
mir ist nach wie vor nicht klar, was Ihre Partei gegen die Arbeitslosigkeit tun will. In den letzten 7 Jahren ist diese immer mehr gestiegen - der Wahlschlager der letzten Bundestagswahl (Hartz) mit dem Ziel, die Arbeitslosemzahl zu halbieren, hat wohl auch nicht geklappt.
Bitte begründen Sie diese Tatsache nicht mit mit der Konjunkturschwäche - dies ist ja wohl ein problem in der gesamten EU. Warum stehen wir seit Jahren immer an der Spitze in den Statistiken?
Wenn die SPD nun ein Rezept hat (wenn das denn so sein sollte) - warum hat sie dies nicht in den letzten Jahren umgesetzt?
Günter Allertseder
Sehr geehrter Herr Allertseder,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 24.08.05 zum Thema „Arbeit“.
Die hohe Arbeitslosigkeit zu senken, ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen in unserem Land. Und machen wir uns hier nichts vor: Die zunehmende Globalisierung und weltweite Technisierung können wir als Grund der hohen Arbeitslosigkeit nicht ignorieren.
Zunächst möchte etwas richtig stellen: Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten sieben Jahren nicht kontinuierlich gestiegen und die Vergleichbarkeit der Daten ist sehr differenziert vorzunehmen: Beim Regierungswechsel 1998 lag sie bei 4,28 Millionen Arbeitslosen (plus ca. 1 Million ABM- und ASM-Maßnahmen, die kurzfristig zu der Wahl hochgefahren wurden). 1997 hatte Kohl sogar 4,4 Millionen Arbeitslose. Nach drei Jahren rot-grüner Bundesregierung ist die Arbeitslosigkeit auf 3,85 Millionen gesunken. Erst mit den Ereignissen des 11. Septembers und der weltweiten Konjunkturkrise fing sie wieder an zu steigen. Heute liegt sie mit 4,77 Millionen wahrhaftig zu hoch, das möchte keiner bestreiten. Aber man darf nicht vergessen, dass wir heute in der Arbeitslosenstatistik auch die ca. 340.000 arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger haben, die früher nicht mitberücksichtig wurden. Außerdem haben wir heute 600.000 ABM-Stellen weniger als 1998 bei Kohl. So viel zu den Zahlen.
Unser Weg zu mehr Arbeit begann mit einer großen Steuerreform, die sowohl Arbeitnehmer und Familien entlastet hat als auch die Unternehmen und Betriebe zu mehr Investitionen und somit mehr Arbeitsplätze antreiben sollte. Außerdem haben wir die Lohnnebenkosten von 42,1 auf 41% gesenkt und den Etat für Bildung und Forschung um 37,5% erhöht. Gleichzeitig haben wir durch Hartz IV die schnellere Vermittlung in Arbeit in die Wege geleitet. Dass so eine Reform nicht sofort greift ist selbstverständlich. Sie braucht noch Zeit, um zu wirken. Darüber hinaus fördern wir einige Programme zur besseren Arbeitsvermittlung von älteren Arbeitnehmern und von jungen Menschen unter 25 Jahren. Nähere Informationen dazu finden Sie unter www.arbeitsmarktreform.de .
Die ersten Anzeichen, das sich die deutsche Wirtschaft erholt sind da. Die deutsche Wirtschaftsleistung stieg im zweiten Quartal 2005 um 1,5%. Die Exporte sind so stark wie nie. Die Auftragseingänge stiegen im Juni um 2,4%, die Erzeugung im Produzierenden Gewerbe um 1,4%. Die Unternehmensinsolvenzen gehen seit Anfang des Jahres zurück. Der ifo-Geschäftsklimaindex stieg Anfang August. Sogar die britische Wirtschaftszeitung „Economist“ gibt dem Deutschen Wirtschaftsstandort gute Noten. Dass die Binnenkonjunktur noch verhalten ist, liegt unter anderem am hohen Ölpreis (große Nachfrage weltweit) und an der schlechten Stimmung, die die CDU noch verstärkt. Die Verbraucher reagieren darauf mit Kaufangst. Gleichzeitig will die CDU die Mehrwertsteuer erhöhen und den Konsum damit noch mehr bremsen. Unsere Antwort zum hohen Ölpreis ist u.a. die Förderung regenerativer Energien, sie schonen nicht nur die Umwelt, sondern machen uns unabhängiger vom Öl. Darüber hinaus hat der Bundeskanzler im März dieses Jahres einen zusätzlichen Impuls für mehr Wachstum und Beschäftigung gesetzt mit einem 2-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm.
Dies alles reicht aber nicht, wenn sich die Wirtschaft ihrer Verantwortung für unser Land nicht stellt. Es kann nicht sein, dass große Unternehmen, die beträchtliche Gewinne machen, trotzdem Arbeitsplätze ins Ausland verlagern und hier Tausende von Arbeitnehmern entlassen. Gegen diese Tendenz müssen wir in Zukunft stärker vorgehen. Wir haben die Lohnnebenkosten gesenkt, die Gewerkschaften haben moderate Tarifabschlüsse akzeptiert, wir haben die Investitionen steuerlich begünstigt etc. Jetzt ist die Wirtschaft dran, ihren Beitrag zu leisten. Politik kann nicht alles bewegen. DAS REZEPT gibt es nicht. Alle müssen an einem Strang ziehen, wenn wir Arbeit zu menschenwürdigen Bedingungen und unsere Sozialversicherungssysteme auf hohem Niveau erhalten und nicht in eine absolute Ökonomisierung verfallen wollen, wo soziale Verantwortung und ein hohes Maß an Gerechtigkeit keine Rolle mehr spielen.
Die grundsätzlichen Weichen sind gestellt. Die Reformen müssen jetzt Schritt für Schritt vollzogen werden, damit sie greifen. Gleichzeitig müssen alle mit neuen Ideen aufgrund neuer Erkenntnisse dazu beitragen, unser Land voran zu bringen. Ich werbe um die Unterstützung aller bei diesem schwierigen Weg zu mehr Arbeit. Auch um Ihre.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB