Frage an Ernst Dieter Rossmann von Petra U. bezüglich Bildung und Erziehung
Lieber Herr Dr. Rossmann
Schulen: Bildungsministerin Karliczek räumt Fehler ein
Stimmen Sie als Leiter des Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Bildungsministerin Karliczek Statement im ARD moma zu oder kritisieren Sie die Bildungsministerin?
Mit freundlichen Grüßen
P. U.
Sehr geehrte Frau Unfried,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16. Juni 2020 zu einem Interview der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek im ARD-Morgenmagazin, die ich über abgeordnetenwatch.de bekommen habe. Aufgrund der vielen Anfragen, die mich auch und verstärkt während der Corona-Pandemie erreichen, bitte ich um Entschuldigung, dass meine Antwort erst jetzt erfolgt.
Inzwischen sind mehrere Wochen seit Ihrer Anfrage vergangen. Die Situation für die Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik hat sich in dieser Zeit erfreulicherweise etwas entspannt. Doch ich stimme Frau Karliczek zu, wenn sie davon spricht, dass wir „in der Pandemie“ leben. Auch wenn die Zahlen von Corona-Infizierten in Deutschland im Vergleich mit anderen Staaten niedrig sind, müssen wir auch weiterhin vorsichtig sein und die vorgegebenen Abstands- und Hygiene-Regeln einhalten.
In Bezug auf die Schulen stimme ich der Bildungsministerin ebenfalls zu, dass wir „Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit“ brauchen. Die Schulen sollen nach den Sommerferien öffnen, wobei die erwähnten Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten sind, damit sich möglichst niemand infiziert.
Allerdings möchte ich doch betonen, dass ich mich schon seit Längerem, bereits vor der Corona-Pandemie, für eine bewusste und zügige Digitalisierung der Schulen einsetze. Im April 2020 habe ich deshalb die Forderung der Bundesvorsitzenden des Deutschen Philologenverbandes unterstützt, die Mittel aus dem 5-Milliarden-Fonds des Bundes für die Digitalisierung der Schulen flexibler und anwendungsnäher ausgeben zu können. Es war – das will ich nicht verhehlen – ein erster richtiger Schritt der Bundesregierung, 100 Millionen aus diesem Pakt den Ländern für landesweite und länderübergreifende Projekte zur Entwicklung neuer Inhalte, zur Einbindung von Lizenzen und zur Nutzung bestehender Repositorien zur Verfügung zu stellen.
Ich fordere aber noch weitere Initiativen der Bundesregierung. Im April 2020 waren von den fünf Milliarden des Bundes erst 40 Millionen durch die Länder für die Kommunen und die Schulen abgerufen worden. Insgesamt stehen Schleswig-Holstein über den Zeitraum von fünf Jahren 170 Millionen aus diesem Fonds zur Verfügung. Davon dürften aber bis April 2020 nur 20 Prozent für mobile Endgeräte oder maximal 25.000 Euro pro Schule ausgegeben werden. Der Lehrerverband wies hier mit Recht darauf hin, dass sich in der Corona-Krise gezeigt hat, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler für den Hausgebrauch einen Computer zur Verfügung haben. Deshalb sind z.T. auch die Lernzeiten der Schüler sehr unterschiedlich und droht es zu einem weiteren Auseinanderfallen des Leistungsstandes auch nach sozialer Lage der Schüler zu kommen.
Ein Mittel dagegen könnte nach Auffassung des Philologenverbandes sein, dass die Schulen die Geräte im Klassensatz verleihen können, damit alle das gleiche Endgerät haben. Dies könnte dann im Bedarfsfall nicht nur eine Unterstützung für die Schüler sein, sondern auch den Lehrkräften die Arbeit erleichtern. Ich fordere deshalb, dass die Verwaltungsvereinbarung von Bund und Ländern kurzfristig so geändert werden sollte, dass die bestehende Deckelung aufgehoben wird und die Abrufbarkeit der Mittel in Corona-Zeiten erleichtert wird. Denn angesichts der unsicheren Zukunft, wie intensiv und umfangreich schulisches Lernen in den Schulen selbst stattfinden kann, ist das eine sinnvolle Flexibilisierung, die Kommunen und Schulen durchaus mehr Spielräume geben und damit helfen könnte.
Zum Schluss möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich der Überzeugung, dass wir die Corona-Pandemie insgesamt gut gemeistert haben. Die Erfahrungen, die wir als Bürgerinnen und Bürger als auch als Land gesammelt haben, beziehen wir für die Gestaltung der Zukunft mit ein. In Sachen Digitalisierung hat die Corona-Krise eine Debatte und Entwicklung beschleunigt, die dringend notwendig ist. Wie gestalten wir die Zukunft, damit wir bei erneuter Pandemie dennoch einen regelmäßigen und verlässlichen Unterricht anbieten können? Die Zukunft muss – gerade in Sachen Bildung – künftig digitaler gedacht werden. Das stellt uns alle – Schüler und Eltern, Großeltern und Lehrer – vor Herausforderungen, die wir aber bewältigen können, wenn wir es schaffen, alle anzusprechen, mitzunehmen und zu motivieren, sich an der Digitalisierung mit Interesse und Neugierde zu beteiligen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte, und danke Ihnen noch einmal für Ihr Schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Dieter Rossmann