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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von kurt vom d. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von kurt vom d. bezüglich Soziale Sicherung

lieber ernst-dieter

vielen dank für deine antwort vom 19.11.07 auf meine frage vom 9.11.07

leider habe ich deine erklärungen nicht als antwort auf meine fragen verstehen können.deshalb nochmals: glaubst du, dass deine politik für die mehrheit der bevölkerung richtig war und ist ? ich kenne meine zweifel deine würde ich gerne kennelernen. nur zur erinnerung hier einige beispiele deines abstimmungsverhaltens im bundestag

steueränderungsgesetz zustimmung für
absebkung des kindergeldbezuges auf 27 jahre
pendlerpauschale erst ab 21. km
sparerfreibetrag fast halbiert

unternehmenssteuerreform nicht von dir abgelehnt
d.h. körperschaftssteuer gesenkt von 25 auf 15 %
ca. 5 milliarden steuergeschenk an unternehmen(s.u.)

rente erst ab 67 jahren zugestimmt
da heisst in der praxis für über 75 % aller arbeitnehmer eine
rentenkürzung in der zukunft

erhöhung der mehrwertsteuer um 3 % zugestimmt
da mehrwersteuer bei unternehmen abzugsfähig ist
trifft diese soziale segnung nur alle verbraucher

mindestlöhne hier hast du abgelehnt
dies war zwar ein antrag der linken und du wirst mir mit fraktionszwang und koallitionsvereinbahrung kommen. bei anderen abstimmungen hast du dich aber nicht an diese dubiosen regeln ( freiheit des mandates) gehalten, siehe diäten etc

weiterhin hast du deinen angaben nach leidenschaftlich gegen die senkung der kapitalertragssteuer gekämpft und seist unterlegen.wie ich oben schon festgestellt habe, hast du aber in der abstimmung nicht mit einem kämpferischen nein sondern mit einem systemangepassten " ich enthalte mich" gestimmt.

nachdem ich dir durch diese präzisierungen meiner frage die antwort sicher erleichtert habe wäre ich für diese sehr dankbar.
nochmals

GLAUBST DU, DASS DEINE POLITIK FÜR DIE MEHRHEIT DER BÜRGER RICHTIG WAR UND IST ?

gruss kurt

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Antwort von
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Lieber Kurt,

in Bezug auf Deine erneute Frage vom 20.11.07 möchte ich hiermit in aller Deutlichkeit feststellen, dass ich mir wirklich Mühe gebe, alle Anfragen von abgeordnetenwatch.de sehr differenziert und persönlich zu beantworten. Einige Abgeordnete machen gar nichts. Andere haben immer den gleichen Standarttext, wie das Beispiel aus unserem Wahlkreis. Davon halte ich nichts.

Nur, drängeln lasse ich mich auch nicht! Wir haben viele verantwortungsvolle Aufgaben, wichtige Anliegen und Probleme etc. zu bearbeiten. Ein Frage-Antwort-Dialog in der von Dir angeschlagenen Form ist für mich nicht beliebig zu bewältigen und braucht auch Zeit. Es muss auch passen im Verhältnis zu anderen wichtigen Aufgaben eines Abgeordneten.

Die Antwort auf Deine Frage vom 20.11.07 kommt also noch, sobald meine Zeit es erlaubt, aber nicht auf Drängeln hin.

Beste Grüße
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB

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Lieber Kurt,

auf Deine umfangreichen Fragen will ich im Grundsätzlichen antworten und bei der Fülle der Aspekte teilweise aufs Detail eingehen.

1.) Zunächst zur Frage des Abstimmungsverhaltens und der Fraktionsdisziplin. Für mich als Abgeordneten, der in einem Wahlkreis, aber auch für eine Partei gewählt worden ist, gilt als Grundregel, dass ich für meine Position so zu streiten versuche, dass sie eine Mehrheit in meiner Fraktion erhält. Dann ist sie nicht nur eine Einzelmeinung, sondern erhält durch den Fraktionsbeschluss größere Aufmerksamkeit und Durchsetzungskraft. Deshalb sind wir als Abgeordnete ja Mitglieder von Parteien und Fraktionen: Dadurch, dass wir andere für unsere Auffassungen mit überzeugen, verstärken wir im Interesse sowohl unserer Wählerinnen und Wähler als auch unserer eigenen Ideale und Zielvorstellungen die Wirksamkeit unserer politischen Forderungen. Dies hat jedoch zwei Seiten. Genauso wie ich erwarte, dass meine Mehrheitsmeinung von der Minderheit mitgetragen wird, gilt diese Regel auch für mich selbst. Das heißt grundsätzlich also, dass ich mich einer Mehrheitsentscheidung in der Fraktion anschließe, selbst wenn ich in der Sachauseinandersetzung in der Minderheit geblieben bin. Wer sich an eine solche Regel nicht hält, wird schwerlich von Anderen Respekt und Unterstützung für seine eigenen Anliegen einfordern können.

Davon kann es nun Ausnahmen geben, die sich zum einen auf schwerwiegende Gewissensentscheidungen beziehen. Das ist dort der Fall, wo es um Krieg und Frieden geht oder auch um sehr persönliche ethische Fragen wie bei den Stammzellen, bei der Abtreibungsgesetzgebung oder in anderen ethischen Grenzsituationen. Hier vertrete ich grundsätzlich den Standpunkt, dass von anderer Stelle nicht vorgeschrieben werden kann, was für einen Abgeordneten eine Gewissensfrage ist. Auf der anderen Seite ist genauso evident, dass nicht alles eine Gewissensfrage sein kann und dass der Übergang von Gewissensfragen zu politischen Fragen in Teilen auch fließend ist.

Ein Kollege, den ich sehr schätze, Ortwin Runde, der frühere Hamburger Bürgermeister, hat in der Frage der Unternehmenssteuerreform und der Abgeltungssteuer argumentiert, dass dieses keine Gewissensfragen sein könne, weil es dort um andere Probleme als in den eben genannten Bereichen geht. Damit hat er grundsätzlich Recht. Auf der anderen Seite ist es für mich durchaus eine offene Frage, an die ich häufiger stoße, ob es nicht auch eine besondere Verpflichtung für Abgeordnete ist, in ihre Entscheidungen einzubeziehen, ob das, was dann beschlossen ist, sich mit dem, was Wählerinnen und Wähler als politische Linie einer Partei zugesagt worden ist, mit deckt.

Bei der Unternehmenssteuerreform hatten wir die besondere Situation, dass im Wahlprogramm der SPD nicht von Körperschaftssteuersätzen unter 20 % die Rede war, sondern die Schröder-Linie mit 23% die Messlatte war, wie er sie im Verhandlungsgespräch mit Stoiber im Februar 2005 eingebracht hatte. Außerdem stand im Wahlprogramm nichts drin von einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Auch im Koalitionsvertrag ist hier keine weitere Präzisierung vorgenommen worden, sondern diese Frage ist offen geblieben. Das macht für mich auch den Unterschied zu der Mehrwertsteuerabstimmung im Bundestag in Relation zur Unternehmenssteuerreform aus. Zwar hat es bei der Mehrwertsteuer auch am Ende eine andere Entscheidung im Parlament gegeben als sie in den Wahlaussagen der SPD enthalten war. Andererseits lag dazwischen noch ein Parteitag, der diesem Positionswechsel eine politische Legitimation gegeben hat. Diese politische Legitimation in Bezug auf Körperschaftssteuer und Abgeltungssteuer war so nicht da und deshalb habe ich mir an dieser Stelle, auch ohne dass es eine ethische Gewissensfrage im engeren Sinne war, das Recht genommen, mich abweichend von der Fraktionsmeinung zu positionieren.

Dass ich dieses in Form einer Enthaltung getan habe, verbunden mit einer ausführlichen Begründung, sollte ausdrücken, dass ich durchaus in der Gesamtabstimmung auch positive und erkämpfte Ergebnisse für die SPD und ihre Wählerinnen und Wähler in Form einer Stabilisierung der Gewerbesteuer, um nur ein Beispiel zu nennen, mit gesehen habe. Abstimmungen sind an bestimmten Stellen dann durchaus komplexer und verlangen auch eine entsprechende Würdigung.

Die Diätenfrage schließlich ist ein ganz eigenes Kapitel, weil es hier um andere Fragen als bei sogenannten politischen Sachfragen geht. Bei diesen sind wir im Parlament ja in unserer Rollenverteilung zwischen die Regierung stützenden Fraktionen und Oppositionsfraktionen auch immer darauf verpflichtet, im Zweifelsfall mit einzubeziehen, welche politische Linie die getragene Regierung hat. Diätenfragen haben mit Regierungsfragen und Regierungsmehrheiten überhaupt nichts zu tun, weil sie nur die Angelegenheiten der Parlamentarier selbst berühren. Daher kommt dieses Wesensmerkmal von parlamentarischer Demokratie bei Diätenfragen nicht zum Zuge.

Wir haben als SPD-Landesgruppe der schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten schon früh, nämlich im Mai 2006, Positionen zur Diäten- und Versorgungsreform entwickelt. Dies haben wir der Fraktionsführung mitgeteilt, wir haben für sie im Land geworben und sie in die seitdem angelaufenen Kompromissverhandlungen mit der CDU/CSU immer wieder eingebracht. Wir hatten nun abzuwägen, ob unsere Forderungen am Ende ausreichend Beachtung gefunden haben oder nicht. Zusammen mit der ganzen Landesgruppe bin ich der Meinung, dass die Reform der Altersversorgung nicht ausreichend umgesetzt ist. Sechs der neun Kollegen aus Schleswig-Holstein haben daraus die Konsequenz gezogen, an dieser Stelle den Kompromiss als nicht ausreichend anzusehen und haben deshalb wegen der unzureichenden Reformschritte bei der Altersversorgung im Parlament nicht zugestimmt.

Soweit die Einschätzung zu den Grundregeln und den konkreten Anwendungen auf das jeweilige Abstimmungsverhalten in der Freiheit des Mandates einerseits und den Regeln einer Abgeordnetentätigkeit in der parlamentarischen Demokratie andererseits.

2.) Du stellst die Frage, ob ich glaube, dass die Politik der SPD für die Mehrheit der Bürger richtig war. Ich halte sie vom Ergebnis her zwar nicht in allen Einzelheiten aber in den wesentlichen Grundentscheidungen für richtig. Wenn dieses nicht der Fall wäre, hätte ich dem entsprechend auch nicht zugestimmt, hätte die Partei wechseln müssen oder mit der Politik aufhören müssen. Dies will ich beispielhaft nur so begründen, dass erstens das, was wir erreicht haben, nämlich den Rückgang von Arbeitslosigkeit, den Zuwachs an Wirtschaftskraft, die positiven Auswirkungen über steigende Staatseinnahmen und daraus folgende Reformen und Verbesserungen im Hochschulbereich, im allgemeinen Bildungsbereich, beim Klimaschutz etc. genauso für mich wichtig sind wie das, was noch ansteht, wie z.B. die Reform der Pflegeversicherung, die wir jetzt angehen. Diese sehe ich mit Blick auf die Demenzerkrankten für mich als genauso wichtig an wie ich damals z.B. eine Psychiatrie-Reform in Schleswig-Holstein für einen ganz wichtigen menschlichen Fortschritt betrachtet habe.

3.) Was jetzt die Einzelstichworte angeht, wissen wir, dass wir in der Koalition offensichtlich noch nicht so weit sind, dass die CDU/CSU gesetzliche Mindestlöhne mit trägt. Deshalb geht hier der Kampf Branche für Branche weiter. Auch wenn Frau Merkel zwei Wochen Zeit brauchte, weil sie nicht zwei Niederlagen, nämlich beim Arbeitslosengeld I und beim Post-Mindestlohn auf einen Tag verkünden wollte, so haben wir uns doch in beiden Punkten offensichtlich inhaltlich voll durchgesetzt. Ein schöner Erfolg, eine gute Sache für betroffene Arbeitnehmer, etwas, was mich als Sozialdemokraten stolz und weiter kampfesbereit macht, weil hier aus gesellschaftlichen Verhältnissen, aus gewerkschaftlichem Druck offensichtlich für Betroffene etwas Wegweisendes durchgesetzt werden konnte. Diese Auseinandersetzung wird weitergehen und die CDU ist hier auf der historischen Verliererseite.

Ein anderer Punkt: Eine Rente ab 67 halte ich vom Grundsatz her dann für vertretbar, wenn es ausreichende Differenzierungen je nach Belastungsgrad gibt. Der Aluminiumarbeiter bei Alexpert in Pinneberg, den ich auf Einladung der IG Metall einen ganzen Tag lang begleiten konnte, kann diese Arbeit natürlich nicht bis 67 machen. In anderen Berufen will ich das nicht ausschließen. Was wir dazu brauchen, ist ein Gesamtkonzept für Differenzierung, gleitende Übergänge, gesunde Arbeit, ausreichende Weiterbildung, Teilzeitlösungen und anderes. Die SPD hat über eine Arbeitsgruppe mit Elke Ferner und Ludwig Stiegler hierzu ein sehr gutes differenziertes Konzept ausgearbeitet, für das wir jetzt auch kämpfen können. Im Übrigen ist die Revisionsklausel, die die Rente mit 67 daran bindet, dass es ausreichende Beschäftigung für Ältere gibt, im Gesetz mitbeschlossen worden. Die Tendenz ist ja schon jetzt ablesbar, dass wir zum Glück eine abnehmende Arbeitslosigkeit und einen höheren Beschäftigungsgrad auch bei älteren Beschäftigten haben. Dieses im Sinne guter Arbeit auszubauen, ist sozialdemokratische Kernaufgabe.

Die größten Schwierigkeiten habe ich persönlich mit der Steuerpolitik. Was meine Bewertung von Abgeltungssteuer angeht, habe ich oben schon deutlich gemacht. Bei der Unternehmenssteuer wäre ich nicht über das Maß hinausgegangen, was Gerhard Schröder und die SPD im Wahlmanifest gesetzt haben. Die Volte bei der Mehrwertsteuer halte ich für extrem schwer erklärlich. Positiv ist, dass wir dadurch ein Haushaltsvolumen bei Bund, Ländern und indirekt auch den Kommunen haben, dass den Staat wieder in eine Investitionsfähigkeit gebracht hat und was indirekt auch die Konjunktur mit angeschoben hat. Einmal durch eine Initialzündung für wirtschaftlichen Konsum, zum zweiten natürlich auch durch staatlich mitfinanzierte CO²-Gebäudesanierungsprogramme, die steuerliche Absetzbarkeit haushaltsnaher Dienstleistungen etc. Ich bleibe trotzdem dabei, dass eine Mehrwertsteuererhöhung eigentlich hätte verbunden sein müssen mit einer entsprechenden Einkommensteuergestaltung, die nicht nur ein Fenster für eine Reichensteuer, sondern insgesamt eine höhere Progression im Spitzenverdienerbereich und eine Revitalisierung von Vermögens- und Erbschaftssteuer hätte einschließen müssen. Dies ist leider in dieser Koalition nicht machbar.

Soweit meinie Ausführungen, die etwas länger sein mussten, weil ich auf die angesprochenen Fragen natürlich eine Antwort geben wollte.

4.) Als Schlussbemerkung möchte ich gerne noch einmal deutlich machen: Abgeordnetenwatch ist eine fantastische Einrichtung, weil es einen direkten und niedrigschwelligen Kontakt zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Abgeordneten herstellt. Auf der anderen Seite muss ich beobachten, dass es immer mehr Mails gibt, auf die eine persönliche, differenzierte und umfassende Antwort erwartet wird und es indirekt einen Schneeballeffekt gibt. Je differenzierter ein Abgeordneter auf Fragen eingeht, umso mehr Fragen bekommt er und umso differenzierter wird er dann auch gefragt. Dieses nehme ich in Teilen als einen systemimmanenten Druck wahr, den ich auch aus der übrigen Abgeordnetenarbeit kenne. Wer viel macht, wird so wahrgenommen, dass er immer noch mehr machen könnte und müsste. Wenn dann an bestimmten Stellen eine Grenze gesetzt wird, wird dies als unfreundlich wahrgenommen oder die Fragesteller sind entsprechend verprellt, weil sie erwarten, dass man sich bei der ständig wachsenden Lawine von einzelnen Anliegen bis ins Letzte kümmern kann. Dies geht aber nicht. Was Deine Fragen angeht, war es für mich eben so, dass es hier nicht nur um einen einzelnen Sachverhalt ging. Faktisch sind über 15 Teilaspekte mit angesprochen worden und das finde ich dann doch schon ganz schön happig.

Nichts für ungut: Im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten werde ich mich auch in Zukunft vor keiner Antwort und keiner Frage drücken, aber es braucht Zeit, es wird passieren, dass nicht alles beantwortet wird, und manches kommt dann auch etwas später, weil auf den ersten Blick einfach erscheinende Fragen doch recht differenziert und komplex beantwortet werden müssen.

In diesem Sinne, mit besten Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB