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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von Karsten K. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Karsten K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,

mit Bedauern habe ich festgestellt, daß Sie für den Gesetzesentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung gestimmt haben.

Ich bin, gelinde gesagt, entsetzt über das Ausmaß, mit dem Verbindungsdaten vorgehalten werden sollen. Nicht nur, daß ich den Artikel 10 des Grundgesetzes in Gefahr sehe, auch werden die Kommunkationsdaten jedes einzelnen Bürgers sechs Monate lang vorgehalten, als stünden wir alle unter Generalverdacht. Wir alle, mit Ausnahme der Abgeordneten natürlich, deren Kommunikationsdaten von der VDS ausgeschlossen sind.
Zunächst ist durch diese Massendatenspeicherung dem Misbrauch Tür und Tor geöffnet, denn wenn es jemanden gibt, der diese Daten verwerten kann, wird er diese auch erlangen.
Weiterhin werden die TK-Dienstleister dazu gehalten sein, diese Daten vorzuhalten, was nur mit einem erheblichen Personal- und Hardware-Aufwand zu bewältigen ist. Die Kosten für diesen Aufwand werden selbstverständlich an die Kunden weitergereicht - also an diejenigen, deren Daten ausgespäht werden.
Als Nächstes, und ich bin noch lange nicht am Ende, kann sich jeder, der nur ein bißchen was vom Internet und dessen Plattformen versteht, komplett anonymisieren. Und das wird derjenige, der etwas zu verbergen hat, als allererstes machen. Sollte das Gesetz in Kraft treten, werden Sie meine Schritte im Internet nicht mehr nachvollziehen können.
Weiterhin gilt, wenn ich den Gesetzestext richtig verstanden habe, die Auswertung von Kommunikationsdaten nicht nur für die Ermittlung von Personen, die die Gründung einer verfassungsfeindlichen Organisation beabsichtigen, sondern für Gesetzesverstöße jeglicher Art, was jedoch der Öffentlichkeit geflissentlich verschwiegen wird.

Ich habe daher die Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung unterzeichnet und werde alles in meiner Macht Stehende tun, daß mein Umfeld mitzieht.

Wenn Sie möchten, zerstreuen Sie meine Besorgnis.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Koop,

vielen Dank für Ihre Fragen zum beschlossenen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung.

Ich möchte Ihnen zunächst grundsätzlich darlegen, warum ich trotz meiner Bedenken im Vorfeld dem Gesetzentwurf trotzdem zugestimmt habe. Danach möchte ich auf einige einzelne Punkte, die Sie ansprechen, noch einmal gesondert eingehen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass dies insgesamt etwas umfangreicher geschieht. Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten viele Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die mich auf einzelne Aspekte des Gesetzesentwurfes aufmerksam gemacht haben. Ich möchte hier insofern auch über Ihre Einzelfragen hinaus öffentlich deutlich machen, warum ich mich nach Abwägung aller Umstände für die Zustimmung zu diesem Gesetz entschieden habe.

Grundsätzlich stimme ich mit dem Ansatz der Bundesregierung und der Mehrheit unserer Fraktion dahingehend überein, dass die insbesondere durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten benötigt. Dabei bin ich mir bewusst, dass insbesondere durch die rasante Entwicklung der Telekommunikation auch in diesem Bereich Maßnahmen zur Verhinderung schwerster Straftaten notwendig sind.

Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, dass -- nicht zuletzt befördert durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -- Freiheitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens haben und die Beachtung dieser Rechte immer wieder angemahnt wurde. In diesem Abwägungsprozess gilt für mich, dass Sicherheit keinen Vorrang vor Freiheit genießen darf, sondern beides miteinander gewährleistet werden muss.

Ich habe diesem Gesetzentwurf nach gründlicher Abwägung letztlich zugestimmt, weil es den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern unserer Fraktion gelungen ist, hohe Hürden gegen eine ungerechtfertigte Datenverwendung einzuziehen.

Das sind erstens ein generell geltender Richtervorbehalt z.B. für den Zugriff auf bei den Telekommunikationsunternehmen anlasslos gespeicherte Verbindungsdaten, zweitens das ausdrückliche Verbot des Rückgriffs auf Informationen, die zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehören und drittens die Beschränkung des Zugriffs und der Verwertung auf "Straftaten von erheblicher Bedeutung" machen den dargestellten Paradigmenwechsel weniger unerträglich.

Ich möchte nun noch auf einige Einzelpunkte von Ihnen eingehen.

Sie kritisieren, dass die Abgeordneten ausgenommen sind von der Erfassung ihrer Daten. Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete werden durch umfassende Erhebungs- und Verwertungsverbote bei allen Ermittlungsmaßnahmen besonders geschützt. Aufgrund ihrer verfassungsrechtlich besonderen Stellung werden sie von allen strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die ihnen in dieser Eigenschaft anvertrauten Informationen und die Umstände der Informationsübermittlung beziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat das unter Hinweis auf die Menschenwürde und den in ihr begründeten Kernbereich privater Lebensgestaltung für Gespräche mit dem Seelsorger und mit dem Verteidiger gefordert. Für Abgeordnete ist dieser absolute Schutz ebenfalls notwendig, denn sie werden um der Funktionsfähigkeit des Parlaments willen schon durch das Grundgesetz besonders geschützt (Immunität, Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahmeschutz).

Hinsichtlich der sog. Vorratsdatenspeicherung sagen Sie, alle Bürgerinnen und Bürger würden einem Generalverdacht ausgesetzt werden, indem ihre Telekommunikationsdaten für sechs Monate gespeichert werden würden. Hierzu finden Sie anbei die Sachinformation des Bundesministeriums für Justiz.

Mir ist besonders wichtig, dass Polizei und Staatsanwaltschaft auf diese Daten nur zurückgreifen können, wenn zuvor ein richterlicher Beschluss erwirkt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Insofern werden zwar schon die Daten aller Bürger gespeichert, deren Nutzung durch staatliche Stellen unterliegt jedoch klaren Einschränkungen und richterlichen Vorgaben.

Sie führen an, dass die Kosten für den Aufwand der Speicherung der Verbindungsdaten von den Unternehmen getragen werden und somit indirekt an die Kunden weitergereicht werden würden. Nun ist es aber schon so, dass ein ganz überwiegender Teil der Unternehmen bisher schon die Möglichkeit nutzt, die Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken für bis zu sechs Monate zu speichern. Die Infrastruktur für die Speicherungen besteht also schon, die Kosten fallen auch bisher schon an und fließen in die Kalkulation der Unternehmen mit ein. Für die übrigen Aufwendungen im Rahmen einer Strafverfolgung gibt es ein genaues Kostenverfahren, das wir auch im Parlament zu beschließen haben.

Mir ist bekannt, dass eine ganze Reihe von Bürgerrechtsorganisationen und auch viele Einzelpersonen Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht angekündigt haben. Es ist das gute Recht aller Bürgerinnen und Bürger, durch Verfassungsbeschwerden Verletzungen ihrer Grundrechte durch staatliches Handeln geltend zu machen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat meiner Auffassung nach in den parlamentarischen Beratungen zu diesem Gesetz dafür Sorge getragen, dass der Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen zum Zweck der Kriminalitätsbekämpfung und dem Schutz vor schweren Straftaten mit hohen, grundrechtssichernden Schwellen verknüpft ist, so dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibt. Ich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht dies auch so sehen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Dieter Rossmann