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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von Stefan J. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Stefan J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Rossmann,

Wie ich gerade bedauerlicherweise feststellen musste, konnten Sie sich, im Gegensatz zu Ihren Fraktionskollegen Faust, Landgraf, Koschorrek und Gauweiler, nicht zu einer Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung durchringen, obwohl damit ein Generalverdacht gegen die Gesamtbevölkerung ausgesprochen wird.
Insofern würde mich interessieren, warum sie diesem Gesetz zugestimmt und wenn aus Ihrer Sicht diese Totalüberwachung notwendig ist, warum dann die Abgeordneten davon ausgenommen sind?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Janke,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Vorratsdatenspeicherung. Zunächst einmal vorneweg: Die von Ihnen genannten Abgeordneten Faust, Landgraf, Koschorrek und Gauweiler sind Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion. Ich selbst bin Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion.

Ich möchte Ihnen zunächst grundsätzlich darlegen, warum ich trotz meiner Bedenken im Vorfeld dem Gesetzentwurf trotzdem zugestimmt habe. Danach möchte ich auf einige einzelne Punkte, die Sie ansprechen, noch einmal gesondert eingehen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass dies insgesamt etwas umfangreicher geschieht. Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten viele Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die mich auf einzelne Aspekte des Gesetzesentwurfes aufmerksam gemacht haben. Ich möchte hier insofern auch über Ihre Einzelfragen hinaus öffentlich deutlich machen, warum ich mich nach Abwägung aller Umstände für die Zustimmung zu diesem Gesetz entschieden habe.

Grundsätzlich stimme ich mit dem Ansatz der Bundesregierung und der Mehrheit unserer Fraktion dahingehend überein, dass die insbesondere durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten benötigt. Dabei bin ich mir bewusst, dass insbesondere durch die rasante Entwicklung der Telekommunikation auch in diesem Bereich Maßnahmen zur Verhinderung schwerster Straftaten notwendig sind.

Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, dass -- nicht zuletzt befördert durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -- Freiheitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens haben und die Beachtung dieser Rechte immer wieder angemahnt wurde. In diesem Abwägungsprozess gilt für mich, dass Sicherheit keinen Vorrang vor Freiheit genießen darf, sondern beides miteinander gewährleistet werden muss.

Ich habe diesem Gesetzentwurf nach gründlicher Abwägung letztlich zugestimmt, weil es den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern unserer Fraktion gelungen ist, hohe Hürden gegen eine ungerechtfertigte Datenverwendung einzuziehen.

Das sind erstens ein generell geltender Richtervorbehalt z.B. für den Zugriff auf bei den Telekommunikationsunternehmen anlasslos gespeicherte Verbindungsdaten, zweitens das ausdrückliche Verbot des Rückgriffs auf Informationen, die zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehören und drittens die Beschränkung des Zugriffs und der Verwertung auf "Straftaten von erheblicher Bedeutung" machen den dargestellten Paradigmenwechsel weniger unerträglich.

Ich möchte nun noch auf einige Einzelpunkte von Ihnen eingehen.

Sie kritisieren, dass die Abgeordneten ausgenommen sind von der Erfassung ihrer Daten. Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete werden durch umfassende Erhebungs- und Verwertungsverbote bei allen Ermittlungsmaßnahmen besonders geschützt. Aufgrund ihrer verfassungsrechtlich besonderen Stellung werden sie von allen strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die ihnen in dieser Eigenschaft anvertrauten Informationen und die Umstände der Informationsübermittlung beziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat das unter Hinweis auf die Menschenwürde und den in ihr begründeten Kernbereich privater Lebensgestaltung für Gespräche mit dem Seelsorger und mit dem Verteidiger gefordert. Für Abgeordnete ist dieser absolute Schutz ebenfalls notwendig, denn sie werden um der Funktionsfähigkeit des Parlaments willen schon durch das Grundgesetz besonders geschützt (Immunität, Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahmeschutz).

Hinsichtlich der sog. Vorratsdatenspeicherung sagen Sie, alle Bürgerinnen und Bürger würden einem Generalverdacht ausgesetzt werden, indem ihre Telekommunikationsdaten für sechs Monate gespeichert werden würden. Hierzu finden Sie anbei die Sachinformation des Bundesministeriums für Justiz.

Mir ist besonders wichtig, dass Polizei und Staatsanwaltschaft auf diese Daten nur zurückgreifen können, wenn zuvor ein richterlicher Beschluss erwirkt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Insofern werden zwar schon die Daten aller Bürger gespeichert, deren Nutzung durch staatliche Stellen unterliegt jedoch klaren Einschränkungen und richterlichen Vorgaben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Gründe, warum ich trotz der Bedenken, die ich im Vorfeld hatte letztlich in der Abwägung und Überprüfung aller Argumente und Gegenargumente zugestimmt habe.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Dieter Rossmann