Frage an Ernst Dieter Rossmann von Salvatore P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Rossmann,
Sie haben der Rente mit 67 zugestimmt. Dazu würde ich Ihnen einige Fragen stellen. In der verkürzten medialen Berichterstattung begründet man die Erhöhung des Renteneintrittsalters mit dem so genannten demografischen Wandel. Aufgrund des Geburtenrückgangs würden zunehmend weniger Erwerbstätige zunehmend mehr Rentner finanzieren müssen. So wird behauptet, dass in 50 Jahren wegen der demografischen Entwicklung 100 Beschäftigte 60 - 64 Rentner finanzieren werden müssen. Wie der Statistiker J. Voß nachgewiesen hat, finanzieren aber heute 26,5 Mio. SV-Beschäftigte die 24,5 Mio. Renten. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass wir es weniger um ein demografisches als eher um ein arbeitsmarktpolitisches Problem zu tun haben, das primär durch die "Reformen" der letzten Jahren verursacht worden ist?
http://www.nachdenkseiten.de/?p=2170#more-2170
Bernd Raffelhüschen, Lobbyist der Versicherungswirtschaft, nennt die Rente mit 67 eine Rentenkürzung und rechnet auch vor, dass die Beschäftigten um 6-7 % sparen müßten, um das auszugleichen, was ihnen durch diese ´Reform´ weggenommen worden ist. Er macht zugleich Werbung für die private Vorsorge. In den Medien wurde auch berichtet, dass die Bevölkerung mehrheitlich die Rente mit 67 ablehnt. Wessen Interessen sind denn durch diese ´Reform´ tatsächlich wahrgenommen worden?
http://www.pnp.de/nachrichten/artikel.php?cid=29-15248032&Ressort=pol&BNR=0
Die höhere Lebenserwartung ist eine rein statistische Größe, die real nicht gleichmäßig alle betrifft. Durch den unterschiedlichen Arbeitsalltag mag ein Bundestagsabgeordneter älter werden als ein Industriearbeiter, von denen viele nicht einmal das frühere Renteneintrittsalter von 65 erreichen. Haben Sie denn bei Ihrer Entscheidungen solche Differenzen berücksichtigt?
http://www.taz.de/pt/2007/01/18/a0352.1/text
http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/01_aktuell/ticker/2007/2007_02_02_freitag.pdf
Mit freundlichen Grüßen
S. Pantó
Sehr geehrter Herr Pantó,
herzlichen Dank für Ihre Fragen zur Rente mit 67 über das Portal abgeordnetenwatch.de .
Ich möchte Ihnen drei ausführliche Papiere digital zur Verfügung stellen: Das erste erläutert - mit genauen Zahlen - die Hintergründe der Einführung der Rente mit 67 einschließlich der flankierenden Maßnahmen, die zur Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer (aber auch jüngerer) Arbeitnehmer beitragen sollen.
Das zweite Papier beinhaltet den Beschluss der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion vom 26.02.07. In diesem wird gefordert, dass der Rentenbezug flexibilisiert und die Arbeitsbedingungen Älterer verbessert werden. Es handelt sich hier um Forderungen, die nachdem wir das Gesetz zur Rente 67 beschlossen haben, in den nächsten Monaten und Jahren geprüft und ggf. realisiert werden müssen, um die Auswirkungen der Rente mit 67 gezielt bzw. für bestimmte Berufsgruppen zu entschärfen. Dieser Beschluss der AG und die Revisionsklausel im Gesetz (ab 2010 wird die Realisierbarkeit der Rente mit 67 überprüft) haben überhaupt dazu geführt, dass ich dem Gesetz im Bundestag zustimmen konnte.
Das dritte Papier ist ein Beschluss der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion, deren Sprecher ich bin, zur Rente und zur Beschäftigung im Alter. Einige Punkte aus diesem Beschluss sind positiv in die parlamentarische Diskussion um die Rente mit 67 eingeflossen.
Zu Ihren konkreten Ausführungen habe ich folgende Anmerkungen:
Natürlich ist das Rentenproblem nicht nur demografisch, sondern auch durch die Entwicklung des Arbeitsmarktes bedingt. Es ist aber meines Erachtens falsch zu glauben, dass die hohe Arbeitslosigkeit der letzten Jahre an den Hartz-Reformen gelegen hat. Im Gegenteil: Die Hartz-Reformen beginnen zu wirken, die bessere "Förderung" Arbeitsloser und die zahlreichen Beschäftigungsprogramme greifen, das 25-Milliarden-Euro-Wachstums-und-Investitionsprogramm der Bundesregierung trägt seine Früchte, das Witschaftswachstum steigt und die Arbeitslosigkeit sinkt deutlich. Natürlich sind innerhalb der "Reformen" auch Fehler gemacht worden, z.B. im Bereich der beruflichen Weiterbildung, die ja zurückgefahren wurde. Hier müssen wir und wollen wir umsteuern, um nicht zuletzt den zu erwartenden Fachkräftemangel zu bewältigen.
Die Rente mit 67 kann nur bedingt eine "Rentenkürzung" sein. Für die Arbeitnehmer, die bis 67 arbeiten können, ist es eher eine Rentenerhöhung. Außerdem darf man die flankierenden Maßnahmen nicht vergessen, die dafür sorgen sollen, dass das Renteneintrittsalter faktisch weiter erhöht wird. Erste Erfolge haben wir schon zu verzeichnen: Das Renteneintrittsalter konnte von 2003 bis 2005 von ca. 62 auf 63,2 Jahre gesteigert werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen zeigt sich ebenso an der Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer* *(55-64 Jahre). Diese hat sich seit 2000 von 37,5% auf bereits 48,3% im 2. Quartal 2006 erhöht. Eine Rentenkürzung tritt also nur für die Personen ein, die wegen gesundheitsbedingter Berufsunfähigkeit oder Erwebsunfähigkeit früher aus dem Berufsleben aussscheiden müssen. Und gerade hier wollen wir mit unseren Verbesserungsvorschlägen in der SPD-Bundestagsfraktion ansetzen (s. zweites Papier). Eine Aufstockung der Rentenbeiträge durch den Arbeitgeber bei körperlich und psychisch belastenden Tätigkeiten oder ein verbesserter Gesundheitsschutz bei älteren Arbeitnehmern in schwierigen Berufen, dies sind zwei Beispiele dafür.
Zusätzliche private Altersvorsorge ist übrigens immer gut. Man muss nur aufpassen, wie und wo man sie abschließt, um kein Opfer unseriöser Versicherungsanbieter zu werden. Die "Riester-Rente" erfreut sich aktuell und mit Recht größter Beliebtheit.
Ihr Hinweis, dass ein Bundestagsabgeordneter im Durchschnitt älter wird als ein Industriearbeiter, ist gar nicht so falsch. Ähnliches habe ich mir auch gedacht als ich auf Einladung der IG-Metall ein Praktikum in einer Gießerei gemacht habe. Dazu verweise ich auf die schon eben genannten Verbesserungsvorschläge, die wir zum Gesundheitsschutz von z.B. Industriearbeitern fordern. Ich hoffe nur, dass wir sie gegenüber der CDU/CSU durchsetzen können. Hierzu erlaube ich mir nur noch den Hinweis, dass der Bundeshaushalt mit ca. 77 Milliarden Euro jährlich die Rentenkassen unterstützt. Das sind über 30% der Gesamtausgaben des Bundes. Ein Teil davon sind Steuermittel, die Arbeitnehmer in gut bezahlten Berufen in höherem Maße erbringen als einfache Arbeiter. Das ist ja unter den jetzigen Umständen auch richtig so.
Soweit meine Anmerkungen zu Ihren Fragen. Außerdem wollte ich Sie über die flankierenden Maßnahmen zur Rente mit 67 informieren, die ja in der Presseberichterstattung oft unerwähnt bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB